„LS-Cuda“ mit Twin Turbo-Power

Plymouth Barracuda von TR-Carstyling

Vom NASCAR-Racing einmal abgesehen ist das Dragracing wohl die „US-amerikanischste“ aller Motorsport-Disziplinen, liegen die Wurzeln dieser ausschließlich geradeaus führenden Beschleunigungsrennen doch in – illegalen – Straßenrennen, welche die Besitzer getunter Hot Rods und Muscle Cars schon in den 1940er und 1950er Jahren an den Ampeln zwischen den Häuserblocks der amerikanischen Städte gegeneinander austrugen. Was lag für die ausgewiesenen US-Car-Spezialisten von TR-Carstyling aus dem mittelhessischen Schotten also näher, als ihre Performance-Kompetenz mit einem hauseigenen Dragster-Projektfahrzeug zu unterstreichen? Nichts! Ergo feierte der hier abgebildete TR-Carstyling-Dragster auf Basis eines 1969er Plymouth Barracuda im vergangenen Frühsommer sein Roll-Out und zeigte – obwohl noch in der Einfahr- und Einstellungsphase – bei TTT Test & Tune-Events sowie beim Jade-Race 2019 bereits beeindruckende Demonstrationen seines Potenzials.

Dabei allerdings – und das muss man sich bitte vergegenwärtigen – hat der innerhalb eines Jahres aufgebaute Dragster mit einem Cuda der 1960er Jahre außer seiner Silhouette praktisch nichts gemeinsam: Sein tragendes Skelett bildet so ein Custom-Rundrohr-Chassis, welches nach DMSB-Reglement SFI-legal für 1/4-Meilen-Zeiten nicht unter 7,5 Sekunden ist. Unterbietet der TR-Carstyling-Dragster diese Zeiten, müsste er in puncto Sicherheit nachgerüstet werden, jedoch sind „siebeneinhalb“ erstmal die erklärte Untergrenze dessen, was Thomas Ranft, gleicherzeitig Inhaber von TR-Carstyling und Pilot des Dragsters, mit dem Cuda erzielen möchte. Der sich über den Rohrrahmen, welcher natürlich auch gleich die Sicherheitszelle des Fahrers mit einschließt, spannende „Body“ des Cudas besteht zum großen Teil aus Fiberglas-Karosserieteilen von Glasstek, welche aus den USA importiert wurden. So bestehen die komplette Frontpartie, die Motorhaube, die Stoßstangen vorne und hinten sowie die Türen und der Kofferraumdeckel aus leichtem GFK. Anders als in praktisch allen anderen Motorsport-Arten üblich, hat der aus Aluminium gefertigte Drag-Heckflügel übrigens nicht die Funktion, das Heck des Plymouths durch die Erzeugung von aerodynamischen Grip auf den Asphalt zu pressen. Er vermindert vielmehr das Vakuum sowie die Verwirbelungen hinter dem Fahrzeug, die im Highspeed-Bereich erheblichen Vortrieb und damit wertvolle Sekundenbruchteile kosten würden. An dieser Extremität wurde auch der RJS-Bremsfallschirm installiert, welcher den Renner auch aus hohen Geschwindigkeiten und unter das Geschoss destabilisierenden Lastwechsel-Einflüssen spurstabil verzögert. Die Scheiben des Fahrzeugs bestehen rundum aus Polycarbonat / Lexan. Mit diesem Aufbau bringt der Dragster nur rund 1.300 Kilogramm auf die Waage.

Hoosier-Drag-Slicks: schlank vorne, fett hinten

An den modifizierten Chrysler-Achsen, die 8 ¾-Hinterachse steckt in einer Ladderbar-Aufnahme, wurden Dragster-typisch höchst ungleiche Rad/Reifen-Kombinationen montiert: Während vorne extrem schmale Hoosier-Frontrunners (24.0×50/15) auf extrem leichten Weld Racing Forged-Felgen in 4×15 Zoll zum Einsatz kommen, denn Seitenführungskräfte infolge von Lenkbefehlen müssen ja kaum übertragen werden, kommen an der Antriebsachse „quadratische“ Centerline-Felgen in 15×15 Zoll mit mächtigen Hoosier-Drag-Slicks in 32.0/14.0-15 zum Einsatz, deren weiche Flanken sich zugunsten eines maximales Grips beim Katapultstart sichtbar verwinden. Die Hinterräder sind mittels eines Spools starr miteinander verbunden, einen Drehmomentausgleich via Differenzials gibt es nicht. Für die auch im Drag Racing-Sport wichtige, vom Laien in diesem Zusammenhang allerdings häufig unterschätzte, Bodenhaftung der Cuda-Räder zeichnen in Druck- und Zugstufendämpfung einstellbare Strange Engineering-Stoßdämpfer verantwortlich.

Chevy-V8 im Plymouth

Doch was ist das Herzstück eines Dragsters? Natürlich: der Motor! Und der verfügt im US-Car selbstverständlich über eine V8-Anordnung. Jedoch stammt die Basis des Aggregats weder aus einem Plymouth Barracuda, noch aus einem anderen Modell der Chrysler-Markenfamilie, sondern es handelt sich um einen LS-V8 aus einem Chevrolet Express-Van, also einem Modell der Erzrivalen von General Motors. Entsprechend seinem Einsatzzweck im Nutzfahrzeugbereich verfügt das werksseitig rund 300 PS leistende Triebwerk über großzügige Reserven: Der 5,3-Liter-Motor ist als sehr belastbares Aggregat mit dicken Zylinderwänden bekannt, sodass der Block auch unverändert ins Dragster-Maschinendeck einzog. Davon abgesehen allerdings bliebt kaum ein Bauteil unangestastet. An der geschmiedeten K1-Kurbelwelle stampfen Summit-Turbo-Kolben auf Eagle-H-Schaft-Pleueln. Die OEM-Ventile mit verstärkten Federn werden von einer Comp Cams-Turbo-Nockenwelle zum rasanten Tanz gebeten. Sämtliche Schrauben und Bolzen stammen von den Spezialisten von ARP.

Twin Turbo-Aufladung im Dragster

Mehrfach schon haben wir in den vergangenen Zeilen das Wort „Turbo“ gelesen. Richtig! Denn statt der hierzulande in der US-Car- und Dragster-Szene üblichen Aufladung via Kompressor sorgen im TR-Carstyling-Plymouth gleich zwei öllose Comp Turbo 60/67-Turbolader für Druck auf dem Kessel. TR-Carstyling wählte die Twin Turbo-Technik ganz bewusst, ist Thomas Ranft doch einerseits ein ausgewiesener Fan dieser Aufladungstechnik, der andererseits auch um deren inflationär zunehmende Verbreitung in der US-amerikanischen Dragster-Szene weiß – und die Amis schwenken sich nicht von ungefährt von ihrer über Jahrzehnte angestammten, mechanischen Kompressor-Verdichtung auf die vom Abgasstrom angetriebene Turbo-Aufladung um: Zwar ist die Kompressor-Aufladung zweifellos einfacher beherrschbar und dank ihrer „ansatzlosen“ Wirkung für den Dragracing-Sport auch auf den ersten Blick sinnvoller, jedoch ist die Turbo-Aufladung effizienter – und das dank moderner Technik heutzutage auch auf dem Dragstrip. Doch dazu später mehr, wenn wir die Kraftübertragung betrachten. Angebunden wurden die beiden Comp-Lader, deren Hitzeemissionen von Windeln aus gleichem Hause gedämmt werden, via Turbo-Headers von Holley. Für die Ladedruck-Regulierung sind zwei 50er Turbosmart-Wastegates im System, während zwei prominent vor der Holley Sniper-Ansaugbrücke mit 102-mm-Drosselklappe platzierte Race Port-BOVs gleichen Herstellers dort Stauungen verhindern, indem sie überschüssigen Druck entlassen. Einen klassischen Luft/Luft-Ladeluftkühler gibt es nicht, dafür aber ist im Beifahrer-Raum eine Ice Box platziert. Deren Eiswasser wird von Pumpen in einem Kreislauf bewegt. Mitten durch dessen Wasserleitungen führt die mit LPS Alphaloc-Schellen zusammengefügte Ladeluft-Verrohrung, sodass die Ladeluft erheblich abgekühlt wird. Die Effizienz dieses zunächst archaisch anmutenden Systems lässt sich am besten mit Zahlen verdeutlichen: Bei einer Außentemperatur von 35 Grad Celsius wurden die Ansauglufttemperaturen des Dragsters mit nur rund 10 Grad gemessen. Ihren Anteil an dieser Herabkühlung der Lade-/Ansaugluft hat ferner die Snow Performance-Wasser/Methanol-Einspritzung, welche ihr Wasser/Alkohol-Gemisch lastabhängig via jeweils einer Molekularzerstäuberdüse pro Krümmer als feinen Sprühnebel direkt in die Ladeluft-Verrohrung einspritzt und so für eine noch erheblich effizientere Verbrennung sorgt.

Apropos Kühler: Auch wenn der Dragster immer nur wenige Sekunden unter Volllast unterwegs ist, benötigt er doch eine starke Motorkühlung, damit das Aggregat angesichts der gewaltigen thermischen Belastungen keinen Schaden nimmt. Hierzu ist eine elektrische Moroso-Pumpe an Bord, welcher Evans-Kühlflüssigkeit durch einen klassischen Kühler pumpt, deren Siedepunkt erst bei 180 Grad liegt, sodass sie im Extrembereich weitaus länger „funktioniert“ als Wasser. Die beiden Comp-Turbolader verfügen indes über einen eigenen, separaten Wasser-Kühlkreislauf.

Dass dieses Kraftwerk kein Kostverächter ist, liegt auf der Hand. Für die Brennstoffversorgung ist eine digitale FueLab-Benzinpumpe an Bord, welche im Zusammenspiel mit dem digitalen Benzindruckregler gleicher Marke hochoktanigen E85-Sprit in für bis zu 1.800 PS ausreichender Menge zu den 1600er Deatschwerks-Einspritzdüsen fördert. Doch wozu diese Digitaltechnik im Benzinkreislauf? In Kurzform: Digitale Benzindruckregler messen den Rückfluss und regulieren anhand dieses Wertes die Förderleistung der Benzinpumpe. Infolge dieser Optimierung der geförderten Benzinmenge wird eine unnötige Erwärmung des Benzins verringert, was am langen Ende zu mehr Leistung führt. Einleuchtend. Gezündet wird von MSD-Einzelzündspulen, für die geradezu „alltagstaugliche“ Abstimmung des frei programmierbaren trijekt-Steuergeräts zeichnet Martin Gabrecht von Dynotech verantwortlich.

Bis zu 1.800 PS sind angepeilt

Derzeit generiert der Twin Turbo-V8 bei einem maximalen Ladedruck von 1,2 bar (Haltedruck 1,0 bar) rund 1.200 PS und ein maximales Drehmoment von etwas über 1.000 Nm. Damit raste der Dragster beim Jade-Race in nur 5,71 Sekunden über die 1/8-Meile und obwohl Thomas Ranft nach dieser Distanz praktisch „ausrollen“ ließ, war die Quartermile in 9,60 Sekunden absolviert. Nach der Einfahr- und Abstimmungsphase sind 2,0 bar maximaler Ladedruck und 1,7-1,8 bar Haltedruck angepeilt, was zu 1.600 bis 1.800 PS führen sollte. Damit sollten die 7,5 Sekunden auf der 1/4-Meile in greifbare Nähe rücken.

Zwei Gänge reichen aus

Für solche Katapultstarts ist natürlich auch ein belastbarer und effizienter Kraftschluss notwendig. TR-Carstyling setzt auf ein verstärktes GM-Powerglide-Automatikgetriebe. Dessen zwei Vorwärtsgänge reichen völlig aus: Nachdem der ATI-Wandler bei einer Start-Drehzahl von rund 5.500 U/min den Kraftschluss herstellt, wirft Thomas ranft kurz vor der Überfahrt der virtuellen 1/8-Meilen-Linie bei knapp 200 km/h mittels des B&M Pro Bandit-Shifter die zweite Stufe ein, die dann bis 280 km/h reicht. Wie gemacht für den Turbo-Dragster ist die Trans-Brake, welche via eines Knopfes am Lenkrad aktiviert wird: Mittels dieser Funktion werden der erste Vorwärts- sowie der Rückwärtsgang gleichzeitig eingelegt. Schickt der Wandler nun Vortriebskräfte ins Getriebe, so heben sich diese gegenseitig auf, sodass keine Bewegung zustande kommt, obwohl der Motor unter Last steht, sodass die Turbolader Ladedruck aufbauen. Wird die Trans-Brake nun gelöst, spricht der Rückwärtsgang ausgelegt, katapultiert sich der Dragster unter vollem Ladedruck nach vorne. Das verzögerte Ansprechverhalten einer Turboaufladung wird so egalisiert.

Auf der anderen Seite des Grant-Lenkrads befindet sich der Schalter des Line Locks, eines nur auf die Vorräder wirkenden Bremsdrucks, welcher zur Erleichterung von Burnouts beim Einstagen dient. Thomas Ranft fixiert sich in seinem Kirkey-Motorsport-Rennschalensitz mit einem Sandtler-5-Punkt-Gurt, perfekt in seiner Sicht liegt das Ecumaster-Display mit Data-Logger. In Griffweite am Dachhimmel des spartanischen Cockpits: die Hebel zur Auslösung des Bremsfallschirms und der RRS-Feuerlöschanlage – für alle Fälle. Ach ja: Die Ice Box rechts neben dem Fahrer, die lässt sich nach dem Fall der Zielflagge auch ganz hervorragend als Bierkühler verwenden, wie uns die Mechaniker-Crew von TR-Carstyling berichtete.

Einen großen Dank sagt Thomas Ranft an seinen Hauptsponsor, das TurboZentrum aus Berlin welches mit seinem Support den Aufbau des „LS-Cuda“ erst ermöglichte. Ebenfalls geht ein Dank an die weiteren Projekt-Sponsoren: das Concordia-Versicherungsbüro Ronny Stallbaum und die Lackierei Michael Hau. Nicht vergessen werden soll an dieser Stelle natürlich das TR-Carstyling-Drag Race-Team, ohne das der Dragster gar nicht an den Start rollen würde: Jens Schmidt, Christopher Schuster, Simon Unger und Andreas Kreutzmann.

 

Technical Facts

Motor: V8-Motor (LS) aus Chevrolet Express-Van, Block Serie, Zylinderkopf modifiziert, geschmiedete K1-Kurbelwelle, Summit-Turbo-Kolben, Eagle-H-Schaft-Pleuel, Cometic-Zylinderkopfdichtung, Comp Cams-Turbo-Nockenwelle, originale Ventile mit verstärkten Federn, Ventilsitze bearbeitet, ARP-Schrauben und -Bolzen, MSD-Einzelzündspulen, verstärkte Melling-Ölpumpe, Nuke Performance-Oil Catch Tank, Holley Sniper-Ansaugbrücke mit 102-mm-Drosselklappe, zwei öllose Comp Turbo 60/67-Turbolader mit eigenem Wasser-Kühlkreislauf, Comp Turbo-Windeln, Holley-Turbo-Headers, zwei Turbosmart Race Port-Blow Off Ventile, zwei Turbosmart-50-mm-Wastegates, Ladeluftverrohrung mit LPS Alphaloc-Schellen, digitale FueLab-Benzinpumpe (bis 1.800 PS), digitaler FueLab-Benzindruckregler, FueLab-Benzinfilter, 1600er Deatschwerks-Einspritzdüsen, elektr. Moroso-Kühlmittelpumpe, Evans-Kühlmittel (bis 180 Grad), Snow Performance-Wasser/Methanol-Einspritzung, frei programmierbares trijekt-Steuergerät, Abstimmung für E85-Benzin von Dynotech / Martin Gabrecht

Hubraum: 5,3 Liter (325 cui)

Leistung: ca. 882 Nm / 1.200 PS bei 1,2 bar max. Ladedruck (1 bar Haltedruck)

max. Drehmoment: über 1.000 Nm bei 1,2 bar max. Ladedruck (1 bar Haltedruck)

Karosserie: Fiberglas-Karosserieteile von Glasstek (komplette Front, Motorhaube, Stoßstangen vorne und hinten, Türen, Kofferraumdeckel), Eigenbau-Heckflügel aus Aluminium, Lexan-Scheiben rundum, RJS-Bremsfallschirm

Kraftübertragung: verstärktes 2-Gang-GM-Powerglide-Getriebe, ATI-Wandler mit Kraftschluss bei ca. 5.500 U/min, Trans-Brake

Fahrwerk: Aufbau auf Custom-Rundrohr-Chassis, SFI-legal nach DMSB-Reglement, modifizierte Chrysler-Achsen (HA 8 ¾), Ladderbar-HA-Aufnahme, einstellbare Strange Engineering-Stoßdämpfer

Rad/Reifen: VA Weld Racing Forged-Felgen in 4×15 Zoll mit Hoosier-Drag-Reifen in 24.0×50/15, HA Centerline-Felgen in 15×15 Zoll mit Hoosier-Drag-Slicks in 32.0/14.0-15

Innenraum: Kirkey-Motorsport-Sitz, Sandtler-5-Punkt-Gurt, Grant-Lenkrad mit Schalter für Line Lock und Trans Brake, B&M Pro Bandit-Shifter, Ecumaster-Display mit Data-Logger, RRS-Feuerlöschanlage, Ice Box für Ladeluftkühler

Zitate

GFK-Hülle über Rundrohr-Chassis

Zielsetzung: 7,5 Sekunden auf der 1/4-Meile

Drag Racing-Revolution: Twin Turbo-Aufladung statt Kompressor