Mittelmotor-Outlaw

Porsche 914/6

Jeder, der schon einmal Porsche 914 gefahren ist, der schwärmt von dessen fahrdynamischem Können. Vor allem die Variante 914/6 zeigt sich in dieser Hinsicht besonders begabt, wodurch er eine treue Fangemeinde besitzt. Darunter ist beispielsweise Andy Thonet. Während er sein mittlerweile mehrfach prämiertes Exemplar aus dem Baujahr 1970 einstmals in ziemlich heruntergekommenem Zustand erwarb, wird es heutzutage von einem Dreiliter-Boxermotor angetrieben, das alles andere als im Serienzustand ist.

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Und der kompakte Sportler ist bei Andy wahrlich in den besten Händen; schließlich steht der Kalifornier aus Orange County in Diensten von Callas Rennsport: Dieses Unternehmen führt Restaurationen und Instandhaltungen von seltenen alten Porsche durch und hat in der Szene einen herausragenden Ruf. Noch dazu ist Andy unter den Mitarbeitern, die jeweils auf ein einziges Modell spezialisiert sind, derjenige, der für den 914 zuständig ist. Sein eigenes Exemplar besitzt er schon sehr lange; tatsächlich hat er ihm sogar seinen Job zu verdanken: Der Firmeninhaber Tony Callas hatte den Porsche seinerzeit gesehen und war beeindruckt von der Qualität der Restauration. So bot er Andy an, bei ihm zu arbeiten. Zwar hatte dieser eigentlich keinerlei Ambitionen, seinen damaligen Job in der Computerbranche aufzugeben. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass er ein echter Porsche-Enthusiast ist: Wie konnte er das Angebot ablehnen?

Nicht sein Erster

Vor dem hier gezeigten Fahrzeug hatte Andy bereits einige weitere 914 besessen, etwa ein komplett restauriertes Vierzylinder-Modell von 1972. Sein großer Traum war jedoch stets der Erwerb eines der wenigen 914/6 mit Sechszylinder, der bei der Anhängerschaft regelrecht wie der heilige Grals verehrt wird. Kein Wunder: Während von der Version mit Vierzylinder-Boxer zwischen 1969 und 1976 mehr als 115.500 Exemplare die Karmann-Produktionshallen verließen, wurden von der Ausführung mit dem Zweiliter-Sechszylinder in Zuffenhausen nur 3.338 Stück gefertigt.

Mit Sechszylinder ein 911-Jäger

Dies hatte mehrere Gründe: Zum einen waren es der recht kurze Produktionszeitraum und der hohe Preis: Mit 20.000 DM war der 914/6 8.000 Mark teurer als die Vierzylinder-Version und zudem kaum billiger als ein 911 T. So zogen viele Kunden den Heckmotor-Klassiker dem Sechszylinder-914 vor. Die Tatsache, dass Porsche den 914 in Zusammenarbeit mit VW baute, wirkte sich auch auf die Positionierung des Wagens aus: Er wurde vor allem als Vierzylinder-Fahrzeug angepriesen, gewissermaßen, um dem 911 nicht allzu sehr Konkurrenz zu machen. Eingeschworene 914-Jünger, sagen ferner, dass das Sechszylinder-Modell dank seiner Mittelmotor-Konfiguration sogar ein besseres Handling habe als der 911 – was Porsche aber natürlich nicht zugeben wolle.

Hervorragendes Fahrverhalten

Unbestritten ist in jedem Fall, dass der 914/6 ein grandioses Auto ist, das besser fährt als so manches heutige Auto. Porsche und VW haben ihre Hausaufgaben gemacht, als sie diese Version entwickelten: Zumal sie neben dem neuen Motor ein paar andere willkommene Anpassungen umsetzten: Dazu gehören unter vielem anderem belüftete Scheibenbremsen, die dem 911 T ähnliche Fahrwerkskonstruktion an der Vorderachse, das 901-Schaltgetriebe sowie ein spezifisches Lenkrad und veränderte Rundinstrumente im Cockpit.

Gefunden im Internet

Doch zurück zum eigentlichen Kern dieses Artikels: Andy hatte eine gefühlte Ewigkeit nach einem 914/6 gesucht, bevor er endlich einen passenden Kandidaten über das Forum 914world.com fand. Das Auto stand in Apple Vallye, einer Stadt in der Wüste, etwa anderthalb Stunden von Los Angeles entfernt. Und es sah beileibe nicht gut aus: Doch während andere dieses Fahrzeug wohl nur als Rosthafen bezeichnet hätten, sah Andy sein Potenzial. Und so war der Kauf des Wagens – Nummer 970 – schnell abgeschlossen; es war der 20. März 2010. Ab dann vergingen bis zur Fertigstellung noch volle vier Jahre! Obwohl er von früheren 914-Projekten einen ganzen Berg von Ersatz- und „New Original Stock“-Teilen (NOS) besaß, benötigte Andy noch eine ganze Reihe weiterer zur Fertigstellung der Restaurierung: „Ich liebe die Jagd nach Teilen. Mein Ziel war es die besten zu nutzen, die ich finden konnte. Neben einem 3,0-Liter-Sechszylinder-Boxer – das originale Zweiliter-Aggregat lagerte ich ein“, erzählt der Kalifornier. Nachdem die Karosserie 2011 gestrahlt wurde, war ein genauerer Blick auf die seit den 70ern erlittenen Schäden zu. Kent Simmons von Auto Art Customs in Torrance sorgte für die Entfernung aller Roststellen. Für die Komponenten, die nicht mehr zu retten waren, wie die Kotflügel und den Bereich zwischen den Rückleuchten kamen Pendants von Spender-Fahrzeugen oder NOS-Teile zum Einsatz.

Karosserie aufwändig verstärkt

Wie die meisten 914-Fans liebt Andy den Look der stämmigen GT-Versionen des kleinen Sportlers mit ihren ausgestellten Kotflügeln. Obwohl es extrem schwer ist selbige zu finden, schaffte es Andy letztlich einen Satz zu beschaffen: „Diese OEM-Teile gab es ab 1971 als Zusatzausstattung M471. Sie waren sehr selten, weil Porsche nur 400 Sets zu Homologationszwecken baute“. Einige der verwendeten Komponenten der Karosserie fertigten die Spezialisten von Restauration Design komplett neu an – etwa die Verkleidungen des Targa-Bügels und die Bodenbleche. Ergänzend kam ein Versteifungs-Kit zum Einsatz, das Modifikationen mit sich brachte, wie sie bei den GT-Modellen mit leistungsgesteigerten Motoren vorgenommen wurden. Nach der Beendigung aller Metallarbeiten, die auch Erneuerungen am Motorraum umfassten bekam der Porsche eine neue Lackierung in Zitronengelb – der Farbe, die Porsche einst ab Werk auf die Karosserie aufgetragen hatte.

16-zöllige Fuchs-Felgen

Danach kehrte der 914 in Andys Garage zurück, damit sein US-amerikanischer Besitzer all die Teile wieder einbauen konnte, die eingelagert worden waren. Zudem installierte er das neue Fahrwerk, bestehend aus Bilstein-Sportdämpfern sowie Rebel Racing-Gewindefederbeinen mit Eibach 150-Federn. Gute Verzögerungswerte garantiert die Bremsanlage eines frühen 911 S an der Vorderachse und hinten die eines 914/6 GT – jeweils restauriert durch PMB Performance. Zusätzlich verbesserte Andy das Handling durch Elephant Racing-Fahrwerksbuchsen, einen 19-Millimeter-Stabilisator mit Weltmeister-Buchsen sowie Toyo Proxes 4-Reifen in 205/55R16 und 225/50R16. Diese sind auf Fuchs-Felgen in 7×16 und 8×16 Zoll aufgezogen.

270 PS aus drei Litern Hubraum

Als nächsten Schritt kam es zu der Installation des neu aufgebauten Getriebes und eines 1979er Dreiliter-Motors. Andy wollte mehr Power als die 110 PS des werkseitigen Sechszylinders – die sicherlich ohnehin kein großer Gewinn gegenüber den 80 bis 100 PS der Vierzylinder-914er sind: Er gab den neuen Motor vertrauensvoll in die Hände von Ollie’s Machine Shop in Lake Havasu (Arizona) um ihn auf Vordermann bringen und optimieren zu lassen: So bekam das Aggregat unter anderem Doppelzündungs-Zylinderköpfe (mit 36-Millimeter Einlassventilen von einem europäischen 1978er 911 SC) und Mahle-Kolben. Hinzu kommen Pleuel, die ebenso poliert sind wie die Kurbelwelle, Custom-Nockenwellen von Dougherty, Dansk Sport-Schalldämpfer, ein Paar Weber 40IDF-Vergaser sowie an die Zylinderköpfe angepasste Krümmer. Das Öl fließt durch 914/6 GT-Ölleitungen und der um ein Mocal-Thermostat von Patrick Motorsports ergänzte Setrab-Kühler. Ergebnis nach langwierigem Feintuning ist eine Leistung von beeindruckenden 270 PS!

Komplett erneuertes Interieur

Last but not least komplettierte Andy die Restaurierung mit einem 914/6-Cockpit in Basis-Konfiguration, das um einige werkseitige Annehmlichkeiten wie drei Armaturen, das Vier-Speichen-Lenkrad aufgewertet ist. Für einen besseren Seitenhalt installierte der Amerikaner Scheel-Sitze, die komplett aufbereitet und mit schwarzem Vinylstoff bezogen sind. Summa summarum lässt sich festhalten: Nur wenige Enthusiasten bauen ihren 914 auf so einem hohen Level wieder neu auf, dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass der Wagen bei verschiedenen Treffen zahlreichen Preise gewonnen hat – manche von ihnen organisiert vom Porsche Club of America. Wir sollten Andy für den Aufbau seines Autos danken, denn so hat er geholfen, dieses weniger bekannte Porsche-Modell etwas in den Blickpunkt zu rücken.

Technische Daten

Fahrzeugtyp: Porsche 914/6

Baujahr: 1970

Karosserie: Breitbau-Kotflügel wie am 914/6 GT (Option M471), Lackierung in Originalfarbe Zitronengelb

Motor: 3,0-Liter-Sechszylinder-Boxermotor, Doppelzündungs-Zylinderköpfe, 36-mm-Einlassventile vom 911 SC, Mahle-Kolben, polierte Pleuel, polierte Kurbelwelle, Custom-Nockenwellen von Dougherty, 914/6 GT-Ölleitungen, Setrab-Kühler, Mocal-Thermostat, Weber 40IDF-Vergaser, modifizierte Krümmer, Dansk Sport-Schalldämpfer, 270 PS

Fahrwerk: Rebel Racing-Gewindefederbeine mit Eibach 150-Federn, Bilstein-Sportdämpfer, Elephant Racing-Buchsen vorne und hinten, 19-mm-Stabilisator vorne mit Weltmeister-Buchsen

Rad/Reifen: polierte Fuchs-Felgen in 7×16 und 8×16 Zoll mit Toyo Proxes 4-Bereifung in 205/55R16 und 225/50R16

Bremsen: VA Bremsanlage vom 911 S, HA Bremsanlage vom 914/6 GT

Innenraum: 914/6-Cockpit, drei Rundinstrumente, Vier-Speichen-Lenkrad, Scheel-Sitze

Sonstiges: komplett restauriert