BMW E32 750i: Drucksache V12

Drucksache V12

Als BMW im Sommer 1987 die einige Monate zuvor eingeführte Sieber-Baureihe E32 um das Topmodell 750i ergänzte, da stand die Luxuslimousine insbesondere aufgrund ihres Motors im Fokus der automobilen Welt: Erstmals in der Nachkriegsgeschichte gab es wieder ein deutsches Serienautomobil mit Zwölfzylindermotor unter der Haube.

Bis heute umweht insbesondere das E32-Topmodell dieser V12-Nimbus, auch wenn zwischenzeitlich verschiedene Nachfolge-Generationen des Siebeners mit V12-Aggregaten zu haben waren. In der Tuning-Szene indes spielt der 750er kaum eine Rolle, sind die prestigeträchtigen Zwölfzylinder gegenüber den darunter rangierenden V8-Modellen doch kaum antriebsstärker, dafür aber technisch weitaus diffiziler und insbesondere deutlich stimmschwächer: Während die Achtzylinder mit überschaubaren Maßnahmen zu bösen „Bollermännern“ werden, gibt der 750i – ganz Gentleman – selten laute Töne von sich.

750i einmal anders

Nicht abfinden wollte sich mit dieser dogmatischen Charakterisierung Christian Wohlgemuth aus Berlin. Das 39-jährige Mitglied der „Reisegruppe Hässlich“-Community ist bekennender Zwölfzylinder-Fan – zeigt mit seinem hier abgebildeten E32 aber, dass man den V12-Kult auch ganz anders feiern kann.
Optisch unterscheidet sich der 750i kaum von einem serienmäßigen Exemplar: Eine dezente Tieferlegung mittels KW-Federn, ein 19-zölliger Alpina Classic 2-Vielspeichen-Radsatz, weiße Blinker und ein eckiges Doppelendrohr – das wars. Umso größer aber ist der Überraschungseffekt, wenn Christian am Zündschlüssel dreht: Nach dem M70-typischen Sirren des Anlassers trompetet aus dem linksseitigen Doppelendrohr ein überraschend druckvoller, im Vergleich zu den V8-Motoren relativ heller, dafür aber ziemlich rotziger Sound. Gibt Christian dann noch etwas Gas, sodass sich der Siebener in Bewegung setzt, ertönt unter der Motorhaube in sich in seiner Frequenz und Lautstärke mit wachsender Drehzahl steigernder Sound. Fast könnte man meinen, hier sei ein Kompressor zugange. Aber ist das im V12-Siebener doch schlichtweg unmöglich. Oder? Ist es nicht!

Rotrex-Zwangsbeatmung

Der gelernte Kfz-Mechaniker verordnete dem niedrig verdichteten 5,0-Liter-V12 die Zwangsbeatmung durch einen Rotrex-Radialverdichter, welcher vorne rechts im Motorraum installiert wurde und seine Frischluft durch einen ins Radhaus führenden Air Intake zieht. Bei einem moderaten Ladedruck – und noch vor einer finalen Abstimmung der Motorsoftware – entfacht der Kompressor eine Spitzenleistung von 340 PS. Die gegenüber den Werksangaben des Serienfahrzeugs damit nur um 40 PS gesteigerte Maximalleistung gibt jedoch nur unzureichend wieder, wie sehr der 750i durch die Kompressoraufladung an Durchzugskraft und Sportlichkeit hinzugewinnt. Performance-Insider werden angesichts einer 100-200-km/h-Beschleunigungszeit von weniger als elf Sekunden anerkennend (mindestens) eine Augenbraue heben. Den Ladeluftkühler konstruierte der versierte Schrauber aus im Internet angebotenen Universalparts selbst. Dem durch die Aufladung gestiegenen Brennstoffbedarf tragen zwei Walbro-Benzinpumpen, denn der BMW-V12 verfügt über separate Zünd- und Einspritzanlagen für jede Zylinderbank, sowie Injektoren vom E36 M3 Rechnung.
Um eine Eigenkonstruktion handelt es sich auch bei der aus Edelstahl angefertigten, durchgängig 2,5 Zoll durchmessenden Sportabgasanlage, welche zwei 200-Zellen-Kats eine X-Pipe sowie einen Endschalldämpfer mit Klappensteuerung beinhaltet.

Schaltgetriebe vom Achter

Wer übrigens neben Christian auf dem Beifahrersitz zu einer Probefahrt Platz nimmt, der wird sich sicherlich fragen, was denn der da alles mit dem Wählhebel der im 750i angestammten Viergang-Wandlerautomatik anstellt. Kein Wunder, denn der serienmäßige Automatik-Wählhebel tarnt das manuelle Sechsgang-Schaltgetriebe, welches aus einem E31 850i in den Siebener transplantiert und mittels einer Spec-Kupplung mit erleichterter Schwungscheibe angebunden wurde. Die werksseitige, von den Jahren etwas mitgenommene Innenausstattung in Silbergrau ersetzte Christian samt der Teppiche durch ein besser erhaltenes Interieur mit Sportsitzen in Schwarz. Ein dezenter Hinweis auf das Kompressor-Upgrade ist die kleine Ladedruckanzeige links an der A-Säule.
Für gute Unterhaltung unterwegs ist zudem eine aufgewertete Musikanlage an Bord: Die Signale einer JVC KD-AVX77-Headunit werden von einer Hifonics-Endstufe verstärkt und von Blaupunkt Velocity-Lautsprechern satt und sauber wiedergegeben.

750i einmal ganz anders – kann man so machen!

Technische Daten

BMW E32 750i

Baujahr: 1992

Karosserie: weiße Blinker, Lackierung in Diamantschwarz metallic

Motor: 5,0-Liter-V12-Motor (M70B50), Rotrex-Radialkompressor, Eigenbau-Ladeluftkühler, 2 Walbro-Kraftstoffpumpen, E36 M3-Einspritzventile, Sportabgasanlage 2x 2,5 Zoll durchgängig mit 2x 200-Zellen-Kats, X-Pipe und Endschalldämpfer mit Klappensteuerung

Kraftübertragung: manuelles 6-Gang-Schaltgetriebe vom 850i, Spec-Kupplung mit erleichterter Schwungscheibe

Fahrwerk: KW-Sportfedern mit originalen EDC-Dämpfern

Rad/Reifen: Alpina Classic 2-Felgen in 8,5×19 und 9,5×19 Zoll, Bereifung in 235/35R19 und 265/30R19

Innenraum: schwarze Sport-Lederausstattung und schwarze Teppiche statt silbergrauer Ausstattung

Multimedia: JVC KD-AVX77-Headunit, Blaupunkt Velocity-Lautsprecher, Hifonics-Verstärker