02-Mutant mit Hochdrehzahl-Herz

02-Mutant mit Hochdrehzahl-Herz

„Die spinnen, die Finnen!“ Dieses oder ähnliches jedenfalls wird sich so mancher Besucher des BMW Syndikat Asphaltfieber-Treffens gedacht haben, bei dem der hier abgebildete 02 nahezu dauerhaft mit ungläubigen Blicken bedacht wurde. Freunden original belassener Klassiker wird er dabei wahrscheinlich nicht gefallen haben, sondern ihnen eher Tränen der Verzweiflung als der Begeisterung in die Augen treiben. Wissen wir. Wir finden den „mutierten“ Oldie trotzdem saucool und richtungsweisend, vereint er doch den Willen zur zeitgemäßen Erhaltung bayerischer Automobiltradition mit einem Blick über den weiß-blauen Tellerrand.

Auf die Räder gestellt wurde das absonderliche Vehikel von Tony Suominen,  der in der 10.000-Seele-Gemeinde Masku, gelegen im Südwesten Finnlands, lebt. Und um den Originalitäts-Fetischisten gleich den Wind aus den Segel zu nehmen: Der 35-jährige CNC-Facharbeiter „opferte“ als Basis für seinen Custom-02 nicht etwa einen gut erhaltenen 2002 – womöglich gar einen echten Turbo – sondern baute eine eigentlich bereits dem Rost-Tod geweihte 1502-Karosse aus dem späten 02-Baujahr 1976 komplett neu auf, so dass sie nun ihr zweites Leben lebt.

turbo-Look

Nach der Restaurierung versah Tony die in kräftigem Blau lackierte Blechhülle mit einem modifizierten 2002 turbo-Spoilerkit sowie den Aufklebern der aufgeladenen Baureihen-Speerspitze. Durch das vollständige Weglassen der schmalen Metall-Stoßstangen an Bug und Heck unterstrich Tony den Racing-Look seines Zweitürers. Die Kotflügel wurden rundum zudem mächtig verbreitert. Dies geschah aus gutem Grund, denn obwohl sie mit 8×15 Zoll nominell gar nicht übermäßig breit sind, füllen die optisch bestens harmonierenden Rota Classic-Felgen die Radhäuser dank ihrer Einpresstiefe 0 satt aus. Bezogen wurden die 6-Arm-Felgen mit polierten Betten mit Nankang NS-2-Gummis der Größe 185/45R15. Für den gewaltigen Tiefgang des BMWs ist ein Luftfahrwerk verantwortlich, das für den Einsatz im 02 natürlich eigens konstruiert und angefertigt wurde.

Japanische Drehorgel

Und wer nun bereits angesichts eines Airrides im 02-Klassiker empört schnauft, der sollte lieber keinen Blick unter die Motorhaube werfen, um keine entsetzte Schnappatmung zu riskieren. Denn das dort beheimatete Triebwerk ist nicht nur gänzlich unhistorisch, sondern mit einem BMW-Triebwerke darüber hinaus nicht einmal entfernt verwandt. Vielmehr installierte Tony hier die wohl extremste Drehorgel, die je in einem auf dem deutschen Markt erhältlichen Serienautomobil zu finden war: Den VTEC-Vierzylinder des Honda-Roadsters S2000, der mühelos über die 9.000 Touren dreht und aus zwei Litern Hubraum auch ohne Aufladung satte 240 PS schöpft. Dieses in einem 02 völlig atypische Aggregat wurde säuberlich in den BMW-Maschinenraum integriert, sodass dieser sich sogar optisch sehen lassen kann. Die dazugehörige Custom-Abgasanlage fertigten die auf solcherlei Aufgaben spezialisierten Experten von Martelius aus hochwertigem Edelstahl an.
Vom Honda S2000 stammt indes wieder das knackige 6-Gang-Schaltgetriebe, das die Motorpower via einer E30-Hinterachse an die Räder vermittelt. Rund 240 PS stehen einem Leergewicht von knapp 950 Kilogramm gegenüber. Die resultierenden Fahrleistungen kann man sich ebenso ausmalen wie das beeindruckende Fahrerlebnis. Tony gibt für seinen 02 eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 250 km/h an – entsprechenden Mut des Piloten und gute Nerven seines Beifahrers vorausgesetzt.

Volvo-Bremsanlage und Digital-Cockpit

Um das blaue Finnen-Geschoss angesichts solcher Geschwindigkeiten jederzeit wieder adäquat verzögern zu können, rüstete Tony, der für den Alltag noch einen E36 325i mit Kompressor-Aufladung besitzt, ferner natürlich auch die Bremsanlage auf: An der Vorderachse wirkt eine Volvo-Bremsanlage mit 4-Kolben-Sätteln auf 260 Millimeter durchmessende Scheiben ein, hinten tun die Stopper eines E21 323i Dienst.
Auch im Innenraum mischen sich historische und moderne Komponenten. So integrierte Tony das digitale „Mäusekino“-Cockpit des japanischen Roadsters hinter einem Momo-Holz-Sportlenkrad in das kantige 02-Armaturenbrett. Vom S2000 stammen darüber hinaus Schalthebel und -knauf, während die klassischen Recaro-Sportsitze aus einem Ford Capri-Sportcoupé transplantiert wurden.

Fazit: „Die Spinne, die Finnen?“ Vielleicht. Von OEM- oder gar originalem Zustand ist dieser 02 Lichtjahre entfernt. Und das ist auch gut so. Denn dafür strotzt er nur so vor Kreativität, originellen Ideen und handwerklichen Leistungen – dafür gibt’s von uns Applaus!

 

Technische Daten

BMW 1502

Baujahr: 1976
Karosserie: Karosserie komplett neu aufgebaut, modifizierter 2002 turbo-Spoilerkit und -Aufkleber, Kotflügel verbreitert

Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder-Motor vom Honda S2000, Custom-Edelstahl-Abgasanlage von Martelius, ca. 240 PS

Kraftübertragung: 6-Gang-Schaltgetriebe vom Honda S2000, Hinterachse vom E30

Fahrwerk: Custom-Luftfahrwerk

Rad/Reifen: Rota Classic-Felgen in 8×15 Zoll ET0, Nankang NS-2-Bereifung in 185/45R15

Bremsen: VA Volvo-Bremsanlage mit 4-Kolben-Sätteln und 260-mm-Scheiben, HA E21 323i-Bremsanlage

Innenraum: Recaro LS-Sportsitze aus Ford Capri, digitale Honda S2000-Tachoeinheit, Honda S2000-Schaltknauf, Momo-Holz-Sportlenkrad

Sonstiges: Gewicht ca. 950 kg