Zwei ungleiche Brüder

VW Typ 2 T2-Duo

Klassik: VW Typ 2 T2-Duo

Beim Gedanken an klassische Busse mit luftgekühltem Triebwerk kommt den meisten VW-Fans sicherlich die erste Generation des Typ 2, der originale T1 in den Sinn. Der Wagen gehört zweifellos zu den bekanntesten und legendärsten Fahrzeugmodellen überhaupt. Demzufolge ist er ein echtes Liebhaberstück, um das sich die Sammler reißen. Dies sorgt wiederum für teilweise aberwitzige Kaufpreise, die für gut erhaltene Fahrzeuge aufgerufen werden. Ein wenig im Schatten dieses schillernden Vorgängers steht daher der Nachfolger T2, welcher ab 1967 und in manchen Regionen der Welt sogar bis Ende 2013 gebaut wurde – davon lange Zeit mit luftgekühltem Motor. Gleich zwei Exemplare dieser Generation sind uns nun im fernen Südafrika vor die Linse gefahren.

Beide Bullis befinden sich im Besitz von Humberto Sardinha, der aus Johannesburg stammt. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass er bei der Umsetzung zwei gänzlich unterschiedliche Konzepte verfolgte. Während der Südafrikaner beim einen Fahrzeug auf ein ansprechende Restaurierung mit einigen individualisierenden Modifikationen setzte, präsentiert sich das andere Exemplar extrem tief und gewollt heruntergekommen im Rat-Look.

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Komplett neu aufgebaut

Als erstes erwarb Humberto das aus dem Baujahr 1974 stammende Fahrzeug, welches auf den Bildern fein hergerichtet mit Zweifarb-Lackierung zu bewundern ist. Bis es seine jetzige Form erreicht hatte, verging jedoch einige Zeit. Gekauft nämlich hatte Humberto den Wagen in eher dürftigem Zustand und mit einer Lackierung in hellem Grün, die – nett gesagt – Geschmacksfrage war. Ehe aber der endgültige Um- und Aufbau begann, entschied er sich, mit einigen Freunden zu einem kleinen Roadtrip runter an die Küste. Vor dessen Start trafen sie sich mit ein paar Farben und Pinseln und bemalten den Bus im auffälligen Hippie-Stil. Während der VW auf dieser Reise viel Aufmerksamkeit erregte, sollte sein Leben nach der Rückkehr wieder in geordnetere Bahnen zurückkehren: Humberto begann die Restaurierung, indem er den Wagen quasi einmal komplett bis auf Rohkarosse entkernte. Alle Komponenten wurden zunächst sandgestrahlt und für die folgende Lackierung vorbereitet. Die Türen in Fenster sind hingegen sogar komplett neu. Eine Besonderheit ist ferner der Grill an der Front: Er stammt ursprünglich von einem MAN-LKW und ist stark modifiziert in die Front des T2 eingepasst. Hinzu kommen einige Komponenten, die Humberto eigens in Großbritannien bestellte, wie die Rückleuchten ohne orangefarbene Blinker, der Dachgepäckträger aus Holz sowie die hochglänzenden Radkappen.

Klassische 15-Zöller

Letztere sind auf einem Satz roter Stahlräder in 15 Zoll montiert, die stilecht mit Weißwandreifen der Maße 195/55R15 bezogen sind. Weitaus weniger zeitgemäß sind demgegenüber die Felgen in den Radkästen des zweiten Bullis, der im Jahr 1973 gebaut wurde: Hier montierte Humberto chromsilberne Y-Speichen-Mehrteiler von BBS mit goldener Verschraubung. Sie besitzen die Dimensionen 8×15 Zoll und Bereifungen in 165/50R15 und 175/50 R15. Besonders auffällig ist dabei zudem der extreme Sturz an der Hinterachse. Nur so konnte Humberto die Kombination in die Radkästen zwängen – trotz der kompromisslosen Tieferlegung bei nicht verbreiterten Kotflügeln. Besagte Tieferlegung geht so weit, dass die T2-Ratte ihre Karosserie, ja gar ihren Rahmen quasi auf dem Asphalt ablegt – sie beträgt bis zu 35 Zentimeter! Um dies zu ermöglichen, mussten zahlreiche technische Komponenten wie das Triebwerk, das Getriebe oder auch der Bremskraftverstärker und der Tank angehoben beziehungsweise verlegt werden. Damit der Wagen dennoch fahrbar bleibt, lässt sich die Karosserie per Luftfahrwerk um einige Zentimeter anheben. Das Airride besteht aus AVS-Luftfederbeinen und Viair-Kompressoren. Im direkten Vergleich mit dem maximal tiefen Bruder mag man kaum glauben, dass auch der restaurierte T2 eine Absenkung um immerhin zwölf Zentimeter bekam. Weitere optische Merkmale der Rat-Look-VWs sind die braune Karosserie mit diversen Macken sowie reichlich Patina an Front und Heck, die Scheinwerfer-Schirmchen, die verkehrt herum angebrachten Außenspiegel – einer in Silber und einer in Schwarz – und die gesprungene Frontscheibe. Letztere war, obwohl sie bestens zum dem Auftritt passt, eigentlich nicht beabsichtigt, sondern ist erst einen Tag vor unserem Fotoshooting „entstanden“.

Grundverschiedene Triebwerke

Genauso komplett unterschiedlich wie ihr Äußeres sind die Motorisierungen der T2-Busse. So arbeitet in der Ratte nach wie vor das angestammte 1,7-Liter-Aggregat, das Humberto lediglich einmal überholte und neu lackierte. Mit seinem 74er Bulli betrieb er hingegen, was mancher Fan wohl regelrecht als Frevel bezeichnen würden: Statt des luftgekühlten Vierzylinder-Boxers arbeitet im Heck des VWs nun ein drei Liter großer V6 aus einem Ford. Dieser sorgt er in Verbindung mit einer Custom-Abgasanlage mit zwei Endrohren nicht nur für einen hervorragenden Sound, sondern lässt den T2 sogar auf Wunsch sogar Flammen spucken. Die Kraftübertragung übernimmt in beiden Fällen das serienmäßige Viergang-Handschaltgetriebe. Bleibt zu guter Letzt ein Blick in die Innenräume. Auch hier überrascht es wenig, dass die Busse gegensätzlicher kaum sein könnten. Während das restaurierte Exemplar selbstverständlich ein komplett erneuertes Interieur mit frisch aufgepolstertem und bezogenem Gestühl besitzt, zeigt sich der Innenraum der älteren Bruders optisch konsequent genauso heruntergekommen wie sein Äußeres. Eine Besonderheit stellt dabei die zwischen den Sitzen mündende Steuereinheit für das Luftfahrwerk dar. So unterschiedlich die T2 sind und so kontrovers die Diskussionen, die sie hervorrufen sein mögen, eines ist klar: Humberto liebt sie beide heiß und innig, seine Bullis.

Technical Facts

VW Typ 2 T2 1700

Baujahr: 1973

Karosserie: Patina-Oberfläche an Front und Heck, diverse Beulen etc., Seitenspiegel verkehrt herum montiert (1x schwarz, 1x silbern), Scheinwerfer-Schirmchen, gesprungene Frontscheibe

Motor: 1,7-Liter-Vierzylinder-Boxermotor, komplett überholt und neu lackiert, nach oben versetzt für mehr Tieferlegung

Kraftübertragung: manuelles Viergang-Schaltgetriebe, nach oben versetzt für mehr Tieferlegung

Fahrwerk: Luftfahrwerk mit AVS-Luftfederbeinen und Viair-Kompressoren, Tieferlegung um 35 cm

Rad/Reifen: BBS-Leichtmetallfelgen in 8×15 Zoll mit Bereifung in 165/50R15 und 175/50R15, hochglanzpoliert mit goldenen Verschraubungen

Innenraum: Boden im Frontbereich modifiziert und nach oben verlegt für mehr Tieferlegung, AVS-Steuereinheit für das Luftfahrwerk zwischen den Frontsitzen

Sonstiges: Bremskraftverstärker sowie Tank und Gangwählhebel verlegt und vorderes Achsrohr modifiziert und nach oben versetzt für mehr Tieferlegung

VW Typ 2 T2

Baujahr: 1974

Karosserie: modifizierter MAN-Grill in die Front eingepasst, Fenster und Türen erneuert inkl. neuer Dichtungen, Rückleuchten ohne orangefarbene Blinker, weiße Frontblinker, Scheinwerfer-Schirmchen, Dachgepäckträger aus Holz, Seitenspiegel neu, Zweifarb-Lackierung in Grautönen

Motor: 3,0-Liter-V6-Ottomotor von Ford, Custom-Abgasanlage mit zwei Endrohren

Kraftübertragung: manuelles Viergang-Schaltgetriebe

Fahrwerk: Tieferlegung um 12 cm

Rad/Reifen: rote Stahlräder im 15 Zoll mit hochglanzpolierten Radkappen und Weißwand-Bereifung in 195/55R15

Innenraum: komplett erneuert und neu aufgepolstert

Fotos: Stefan Kotze