VTEC meets Turbo

Honda Civic: VTEC meets Turbo

Als Honda-Fahrer muss man sich – sowohl in sozialen Netzwerken, als auch auf Tuning-Events – so manchen Hohn und Spott anhören: Von mangelnder Leistung und insbesondere Kraftlosigkeit im unteren Drehzahlbereich wird hier gewitzelt. Zumindest letzteres ist – objektiv betrachtet und von den neuen Turbo-Motoren des Civic Type R eiynmal abgesehen – sogar richtig. Und so hält sich die „Ehrfurcht“ vor den Honda-Modellen, insbesondere dem Kleinwagen Civic in all seinen Generationen, ziemlich in Grenzen. Dies jedoch ermöglicht Civic-Besitzern auf der anderen Seite umso größere Überraschungen – wenn sie beispielsweise in die Turbo-Trickkiste greifen und Hondas als Performance-Basis perfekt geeignete VTEC-Triebwerke aufladen. So wählte auch Stephan Kuhn aus dem in der Nachbarschaft der Motorsport Arena Oschersleben gelegenen Örtchen Osterweddingen ein solches als Herstück seines auf Basis einer überarbeiteten, hohlraumkonservierten Karosserie komplett neu aufgebauten Honda Civic-Dreitürers der fünften Modellgeneration.

Hondas B18C6-Vierzylinder mit der variablen Ventilsteuerung VTEC (Variable Valve Timing and Lift Electronic Control) ist schon ab Werk ein echtes Hochdrehzahl-Sahnestück: Seine 190 PS und 178 Nm werden erst bei 7.900 bzw. 7.300 Nm entwickelt, der Begrenzer greift bei 8.600 Touren ein. An dieser ausgesprochenen Rennsport-Charakteristik änderte sich auch durch Stephans Turbo-Umbau, bei welchem dem 34-Jährigen sein Schrauber-Kumpel Kevin Apitz mit Rat und Tat zur Seite stand, nichts: Die neue Spitzenleistung von 400 PS wird erst bei 8.700 U/min erreicht, das maximale Drehmoment von 344 Nm liegt „schon“ bei 5.950 Nm an und behält dieses Niveau dann in etwa bei.

Aufladung mit Garrett GT3076-Turbo

Maßgeblich verantwortlich für die gegenüber dem Serien-B18C6 damit mehr als verdoppelte Leistung ist freilich der via eines MKR-Krümmers angebundene Garrett GT3076-Turbolader, welcher bis zu 2,3 Bar Ladedruck aufbaut und in seiner Effizienz von einem MKR-Ladeluftkühler samt -Leistungskit unterstützt wird. Für die Ladedruckregelung ist ein wassgekühltes TiAL-Wastegate an Bord. Frischluft wird durch einen K&N-Sportluftfilter angesogen. Für die Kraftstoff-Logistik sind eine Walbro-Benzinpumpe sowie 750er RC-Einspritzdüsen verantwortlich. Damit das VTEC-Triebwerk die erheblich gewachsenen Belastungen auch schadlos wegsteckt, kommen verstärkte Rennsportkolben und Schmiedepleuel, hochfeste Zylinderkopfbolzen sowie eine Metall-Kopfdichtung zum Einsatz. Um den Temperaturhaushalt kümmern sich ein zusätzlicher Ölkühler mit Thermostat sowie ein großes MKR-Aluminium-Wasserkühlsystem. Die nicht mehr „nutzbaren“ Verbrennungsabgase entweichen durch eine 76-mm-KOmplettabgasanlage inklusive 100-Zellen-Kat und Edelstahl-Endschalldämpfer. Selbstverständlich wurden die Motorelektronik des mit einem MAP-Sensor ausgerüsteten Triebwerks nach dem Umbau vollständig neu abgestimmt.

Im Zuge dieser Abstimmungsarbeiten wurden nach Stephans Angaben auf dem Prüfstand sogar bis zu 500 PS gemessen; zugunsten einer besseren Traktion und Leistungsentfaltung allerdings, geriet die finale Abstimmung etwas „dezenter“. Denn schließlich muss der Honda seine Power ausschließlich über die Vorderräder auf den Asphalt übertragen. Für den Kraftschluss zum 5-Gang-Schaltgetriebe mit verstärkten Innereien sorgt eine Rennsportkupplung mit Sintermetall-Belägen.

Eine 0-100-Beschleunigungsmessung aus dem Stand wurde mangels passender Traktion noch nicht genau ermittelt, aussagekräftiger ist in dieser Leistungsklasse jedoch ohnehin der 100-200-km/h-Zwischensprint: Diesen erledigt der hellblaue Civic innerhalb von 7,5 Sekunden, bevor die Endübersetzung des Getriebes weiteren Geschwindigkeitszuwächsen bei rund 270 km/h ein Ende macht. Damit lassen sich auf der Autobahn nicht nur bei 250 km/h abgeriegelte M- und AMG-Boliden prächtig ärgern.

8-Kolben-Bremse und preisgünstige Leichtbau-Räder

Eine zwar häufig bemühte, nichtsdestoweniger aber wahre Motorsport-Weisheit sagt: Wer später bremst, fährt länger schnell. Um auf dem Track möglichst spät den Verzögerungsvorgang einleiten zu könnte, rüstete Stephan seinen Civic an der Vorderachse mit einer K-Sport-Bremsanlage aus, deren goldene 8-Kolben-Sättel sich in geschlitzten 330-mm-Scheiben verbeißen. Die für die Gesamtbremsleistung eher nachrangige Hinterachsbremse beließ man, von Sportbremsbelägen einmal abgesehen, im Serienzustand.

Ein echter Preis-Leistungs-Tipp im Segment der Leichtbau-Räder sind die Wizard-Felgen aus dem Hause Autec. In der am Civic montierten Größe 7,5×17 Zoll bringen sie nur 8,6 kg auf die Waage und sind dabei für nur rund 500 Euro zu haben – pro Satz! Besohlt wurden die glanzschwarzen Felgen mit Continental Sport Contact 6-Pneus in 205/40R17. Für Track-Einsätze wartet in Stephans Garage noch ein Satz gleich dimensionierter Team Dynamics-Felgen mit Toyo R888-Semislicks.

Auch das Fahrwerk des Hondas wurde für den Track vorbereitet: Sturz- und Spurversteller von Hard Race erlauben umfassende Geometerie-Justage-Optionen, zusätzlich zu den Abstimmungsmöglichkeiten, welche mit dem K-Sport-Gewindefahrwerk an Bord kamen. Für zusätzliche Fahrpräzision sorgen eine massive MKR-3-Punkt-Domstrebe im Motorraum, eine Hinterachsstrebe aus gleichem Hause sowie Stabilisatoren vorne und hinten. Zusätzlich wurden an der Hinterchse Hard Race-Alu-Querlenker verbaut.

Aerodynamik-Optimierungen

Von der grellen Farbgebung, bei welcher es sich um Rivierablau aus dem Porsche-Farbfächer handelt, einmal abgesehen blieb die Karosserie weitgehend im Serienzustand; für die wenigen vorgenommenen Modifikationen gilt „Form follows Funktion“: So dient der stark vergrößerte Lufteinlass in der Frontschürze der Anströmung des hier mittig platzierten Ladeluftkühlers, der Schlitz in der Motorhaube der Heißluft-Entsorgung aus dem Maschinenraum und das schmale Gitter in der Heckschürze der Reduzierung des Luftwiderstandes.

Clubsport-Cockpit

Im Cockpit herrscht Clubsport-Flair: Zwar machen eine eingeschweißte Sicherheitszelle mit Kreuz, Knotenblechen und Flankenschutz. Sparco Pro 2000-Schalensitze mit Sabelt-4-Punkt-Gurten sowie das geschüsselte Momo-Wildlederlenkrad eindeutig auf den Motorsport-Charakter des Civics aufmerksam, daneben aber blieben das Armaturenbrett sowie alle werksseitigen Verkleidungen des Cockpits aber erhalten. Anstelle des Radios sitzen Zusatzinstrumente für Ladedruck sowie Öldruck und -temperatur. Die Rücksitzbank entfiel selbstverständlich.

 

Specs

Honda Civic EG3 (1992)

Motor: 1,8-Liter-Vierzylindermotor (B18C16 aus Honda Integra Type-R), verstärkte Rennsportkolben und -pleuel, hochfeste Zylinderkopfbolzen, Metall-Zylinderkopfdichtung, alle Lager erneuert, Garrett GT3076-Turbolader, MKR-Ladeluftkühler und -Leitungskit, TiAL-Wastegate, Walbro-Benzinpumpe, RX-Einspritzdüsen, K&N-Sportluftfilter, Downpipe mit V-Band, MKR-76-mm-Komplettabgasanlage inklusive MKR Medusa-Abgaskrümmer, 100-Zellen-Kat und Edelstahl-Endschalldämpfer, Ölkühler mit Thermostat, MKR-Aluminium-Wasserkühlsystem, MAP-Sensor, Vollabstimmung der Motorelektronik

Hubraum: 1.797 ccm

Leistung: 294 kW / 400 PS bei 8.700 U/min

max. Drehmoment: 344 Nm bei 5.950 Nm

Kraftübertragung: verstärktes 5-Gang-Schaltgetriebe, Rennsportkupplung mit Sintermetall-Belägen

Karosserie: vergrößerter Kühllufteinlass in der Frontschürze, Heckstoßstange und Motorhaube modifiziert, Lackierung in Hellblau vom Porsche 911 GT3 RS

Fahrwerk: K-Sport-Gewindefahrwerk, Sturz- und Spurversteller von Hard Race, MKR-3-Punkt-Domstrebe, MKR-Hinterachsstrebe, Stabilisatoren vorne und hinten, Hard Race-Alu-Querlenker hinten,

Rad/Reifen: Autec Wizard-Felgen in 7,5×17 Zoll, Continental Sport Contact 6-Bereifung in 205/40R17

Bremsen: VA K-Sport-Bremsanlage mit 8-Kolben-Sätteln und geschlitzten 330-mm-Scheiben, HA Serie mit Sportbremsbelägen

Innenraum: eingeschweißte Sicherheitszelle, Sparco Pro 2000-Schalensitze, 4-Punkt-Gurte von Sabelt, geschüsseltes Momo-Sportlenkrad

Gewicht: 1.080 kg (vollgetankt, ohne Fahrer)

Beschleunigung 100-200 km/h: 7,5 s (Halterangabe)

Höchstgeschwindigkeit: ca. 270 km/h (Halterangabe)