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Reportage, Re-Import eines Käfer Cabriolets aus England

Reportage: Re-Import eines Käfer Cabriolets aus England

Der Blick in den persönlichen Rückspiegel gibt die Sicht frei, auf verpasste Chancen, falsche Entscheidungen und verschlafene Trends. Einen „Ovali“ hätte man sich wegstellen sollen, einen luftgekühlten 911er oder einen T1-Bus. Als die Briten noch in der EU waren, galt es, das eine oder andere wechselkursbedingte Schnäppchen zu machen. Aus und vorbei. Markus Freitag bemerkte den neuen Hype um Käfer Cabrios „mit liegenden Scheinwerfern“ gerade noch rechtzeitig und reiste deshalb im Herbst vergangenen Jahres quasi „Last Minute“ nach England.

Seit 2012 fährt der inzwischen 43-jährige Markus Freitag seine „Emma“. Eigentlich hat er es gar nicht so damit, Autos Namen zu geben. Für seinen 66er Käfer macht er eine Ausnahme. Schließlich fand der alte „Wörthersee-Tourer“ mit diesem Auto den Einstieg in die luftgekühlte Szene. Der Umstieg auf die rustikale, uralte Technik fiel ihm nicht wirklich schwer. „So modern ist ein Golf II auch wieder nicht“, meint der durchaus erfahrene Schrauber, der mit Autos, die nach 1990 gebaut wurden, überhaupt nichts anfangen kann. Auch im Winter und im Alltag nicht!

Auf dem Wunschzettel stand ein Cabrio mit „liegenden“ Scheinwerfern

Aufgrund der rundum positiven Erfahrungen mit „Emma“ stand Markus der Sinn nach einem „Cabrio bis 67“, einem offenen Käfer mit „liegenden“ Scheinwerfern also. Nach der Besichtigung von vier Fahrzeugen, die diesen Kriterien entsprachen und sich in der Preisklasse zwischen 17.000 und 25.000 Euro bewegten, machte sich ein wenig Frust breit. Ein Auto schlechter als das andere.

Nun wollte Markus aber kein weiteres Projektauto, das mit viel Eigenleistung und horrendem finanziellen Aufwand vom endfertigen Schrotthaufen zum brauchbaren Oldtimer restauriert werden musste. Daraus resultierte die Erkenntnis, dass es wohl vernünftig sei, sich eher in der Preisregion über 35.000 Euro umzuschauen. Hier gab es europaweit zumindest einen vielversprechenden „Treffer“. Der stand in der Nähe von Southampton in England, wobei es ein ganz entscheidendes Detail zu erwähnen gilt: Das Lenkrad befand sich auf der „richtigen“ Seite!

Zwei stark von Corona belastete Monate lang schrieben sich der Eigentümer des glücklicherweise linksgesteuerten Cabrios und der deutsche Käfer-Freund Emails, an denen der Google-Übersetzer fleißig mitwirkte. Missverständnisse konnten dabei nicht ganz vermieden werden, doch die ließen sich letztlich immer wieder ausräumen. Währenddessen schrumpfte der Preis für den alten VW von 35.000 auf 27.000 Pfund, was exakt 30.000 Euro entspricht.

Ein Koffer voller Bargeld

Die Meinung des gemeinen Engländers zum Euro ist hinlänglich bekannt. Das Geschäft konnte folglich nur zustande kommen, wenn 27.000 Pfund in bar Zug um Zug mit dem Käfer den Besitzer wechselten. Die Besorgung der entsprechenden englischen Banknoten stellte eine Hürde dar, die sich einigermaßen locker nehmen ließ, bevor die Flüge nach London Stansted für Markus und seinen Begleiter Björn Wermke gebucht wurden.

Am 20. September ging es los. Nach drei Stunden Aufenthalt am Zielflughafen London Stansted startete hier ein Reisebus in Richtung Southampton, der eben dort gegen 22 Uhr ankam. Zeit, sich im Hotel ein wenig aufs Ohr zu hauen, denn das Taxi für die letzten 15 Kilometer zum Standort des alten Käfer Cabrios hatten die Jungs für den nächsten Morgen um acht Uhr bestellt.

Es war also noch verhältnismäßig früh am Tag, als Markus den Verkäufer des begehrten Autos erstmals persönlich traf – ganz ohne „Google-Übersetzer“, aber der hätte bei der „Qualitätsprüfung“ ohnehin nicht weitergeholfen. Zwei Endspitzen waren – der Vorabbeschreibung entsprechend – einmal fachmännisch neu eingesetzt worden. Es gab auch sonst keine Reparaturstellen, die auf Pfusch hätten schließen lassen. Beide Bodenhälften des Fahrgestells befanden sich in neuwertigem Zustand, obwohl sie schon vor einigen Jahren eingesetzt worden waren.

Nach zwei Stunden der eingehenden Bestandsaufnahme gab man sich endlich, den wohl von beiden Seiten langersehnten Handschlag. Wie besprochen erfolgte danach ein gemeinsamer Gang zur Bank. Ganz anders, als wir es in Deutschland gewöhnt sind, wurde das viele Geld dort eingehend auf Echtheit geprüft, mehrfach von Hand gezählt und anschließend gewogen, bevor sich das leicht schrullig anmutende Bankpersonal bereiterklärte, die 27.000 Pfund dem Konto des Verkäufers gutzuschreiben.

Endlich konnten Markus und Björn ihr „Abenteuer Auto“ fortsetzen und auf erfreulicherweise neuwertigen Diagonalreifen die Heimreise antreten. Nachdem der ehemalige Eigentümer den Wagen während der letzten fünf Jahre nur insgesamt 200 Kilometer bewegt hatte, schien es angebracht, käfertypischen Notfällen vorzubeugen. Die beiden kauften also einen Liter Motoröl, einen Feuerlöscher sowie ein Warndreieck; Dinge, die sich schlecht im Flugzeug mitnehmen ließen.

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Es war also an alles gedacht, als es zunächst recht gemütlich und mit offenem Verdeck wieder zurück nach Southampton ging. Dort verbrachten Markus und Björn den Nachmittag, bevor sie sich auf den Weg zu ihrem nächsten Zwischenziel machten, dem 28 Kilometer weiter östlich liegenden Portsmouth. Unterwegs nahmen die beiden den einen oder anderen – selbstverständlich alkoholfreien – Drink zu sich, wobei sie den Käfer keine Sekunde aus den Augen ließen. Die Angst, dass das schöne „neue“ Auto abhandenkommen könnte, verursachte durchaus einen gewissen Stress.

In Sicherheit“ auf der Fähre

Die Anspannung sollte bis gegen 22 Uhr nicht nachlassen. Zu diesem Zeitpunkt rollte das Cabrio auf eine Fähre, die schon eine Stunde später ablegte. Einen besseren Schutz vor Oldtimer-Dieben gibt es wohl nicht! Die Überfahrt nach Caen in Frankreich sollte knapp acht Stunden dauern; Zeit sich zu zweit in einer für vier Personen vorgesehenen Kabine mit Dusche und WC auszuschlafen und danach wieder ein wenig landfein zu machen.

Als frischgebackener Cabrio-Eigentümer, der noch dazu bis gestern Abend auf einer sonnigen Insel weilte, war Markus vom französischen Wetter erst einmal ziemlich enttäuscht. Noch 700 Kilometer bis nach Hause, aber das Dach blieb zu, bis sich der Frühnebel zwei, drei Stunden später verzogen hatte. Es wurde nur noch zum Öffnen des Daches und zum Tränken der 30 Pferdchen im Heck angehalten, um mit den 6-Volt-Funzeln möglichst noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause in Pulheim-Stommeln anzukommen. Da unterwegs keinerlei technische Probleme auftraten, war es bereits um 19 Uhr soweit…

Deutsche Zulassung ohne Mängel

In den folgenden Tagen bereitete Markus seine Neuerwerbung auf eine deutsche Zulassung vor. Dazu galt es, die vorhandenen US-Scheinwerfer gegen solche, wie sie in diesem unserem Lande üblich sind, auszutauschen und eine Warnblinkanlage nachzurüsten. Der Wellendichtring an der Kurbelwelle musste erneuert und die Bremse hinten links trockengelegt werden.

Mit seinem Auto und den englischen Papieren wurde Markus später beim TÜV vorstellig. Der Prüfingenieur fand keine Mängel an dem im Dezember 1959 erstmals zugelassenen Gefährt! Auch einer H-Abnahme stand nichts im Weg. Folglich konnte sich Markus schon bald mit ein paar Zetteln mehr und einem Versicherungsnachweis bewaffnet, auf den Weg zum Straßenverkehrsamt machen. Klar, dass auch hier alles glatt lief.

Bis zum Erreichen dieses entscheidenden Zwischenziels will Markus maximal 33.000 Euro für sein weit überdurchschnittlich gutes Oldie-Cabrio ausgegeben haben. Damit liegt er sehr deutlich unter dem üblicherweise in Deutschland geforderten Mindestpreis für vergleichbare Fahrzeuge. Ob sich allerdings ein solcher Erfolg wiederholen lässt, steht in den Sternen, denn vor dem endgültigen Brexit galten in puncto Steuern, Zoll und Reisefreiheit noch perfekte Voraussetzungen.

Um seinem alten Cabrio einen guten Start in der neuen Heimat zu ermöglichen, plant Markus verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. So sollen beispielsweise die blank lackierten Radhäuser mit transparentem Steinschlagschutz versehen und die Hohlräume mit „Mike Sanders“ geflutet werden. Ob es dann im Mai schon mit 30 PS und zurückgeklapptem Verdeck an den Wörthersee geht, lässt sich noch nicht vorhersehen. Sicher ist nur eins: Der Tag wird kommen!

Text: Helmut Horn, Fotos: Markus Freitag