Hopp, Schwiiz!

Toyota Corolla AE86 für Bergrennen und Time Attack

Jedem mit japanischen Kult-Klassikern vertrauten Motorsport-Insidern sind die legendären Toyota AE86-Modelle als kultige Drift-Spezialisten bekannt, die einen enormen Fun-Faktor mit vergleichsweise einfacher Kontrollierbarkeit vereinen. Dass mit dem Corolla Levin und dem Sprinter Trueno allerdings in den 1980er Jahren auch „ernsthafter“ Motorsport in Form von Rundstrecken- und Rallye-Einsätzen bestritten wurde, ist weit weniger bekannt.

Ein echter Experte in der rasanten AE86-Hatz ist Andreas Lanz aus Kyburg, gelegen im Schweizer Kanton Zürich: Der 46-jährige Hobby-Motorsportler setzt bereits seit beinahe 20 Jahren AE86-Modelle im Slalom- und Berg-Rennsport ein, besitzt derzeit gleich vier Corolla Levin, gestaffelt vom nahezu originalen Alltagsfahrzeug bis hin zum reinrassigen Rennwagen, der hier Seiten zu sehen ist.

Neuaufbau für Slalom- und Bergrennen

Nachdem er den 1985er Corolla im Jahr 2007 in vollkommen serienmäßigem Zustand erworben hatte, baute der eidgenössische Karosseriespengler den kompakten Schrägheck-Sportler innerhalb von sich auf 14 Monate verteilenden 1.000 Arbeitsstunden komplett neu auf. Dem Neuaufbau zugrunde legte Andreas, der seine Eigenleistung an jenem mit rund 95 Prozent beziffert, ursprünglich das Reglement der Interswiss Trophy, einer vorwiegend auf klassische Fahrzeuge zugeschnittenen Meisterschaft, ähnlich der in Deutschland populären Gruppe H. Im Frühjahr 2008 ging der Corolla – nachdem der Renner nur wenige Stunden vor dem Start seine Einsatzbereitschaft erreicht hatte – bei seinem ersten Rennen an den Start, einem Slalom-Event. Seither wird der graue AE86 regelmäßig (mit einer Pause in der Saison 2010) bei Rennveranstaltungen eingesetzt. Im Jahr 2013 konnte sich Andreas mit dem Fahrzeug den zweiten Platz in der Gesamtwertung der sich aus Slalom- und Bergrennen zusammensetzenden Interswiss Trophy sichern. Seit dem Jahr 2018 geht Andreas mit dem AE86 in der scharfen „Extreme“-Klasse der German Timeattack Masters an den Start, konnte sich trotz der vermeintlichen Überlegenheit in dieser Top-Kategorie startender Fahrzeug wie Porsche 997 Cup und GT 3 R, Corvette GT3 und Mitsubishi Lancer Evo 9 einen zweiten und einen dritten Rang im Gesamtklassement sichern. Besonders bei feuchten oder gar nassen Streckenbedingungen kann Andreas die mehr als doppelt so starken Boliden erstaunlich gut in Schach halten.

Leichtbau als oberste Prämisse

Dass der Schweizer sämtliche Karosseriearbeiten an seinem Einsatzfahrzeug eigenhändig vornahm, liegt angesichts seines Berufs natürlich auf der Hand. Wie bei Rennwagen üblich lautete das Motto hier natürlich „form follows function“ – was allerdings nicht bedeutet, dass sich der Toyota nicht sehen lassen könnte! Für einen recht maskulinen Auftritt sorgen so etwa die weit ausgestellten GFK-Kotflügel vorn sowie die GFK-Radlaufverbreiterungen an der Hinterachse. Aus Gründen der Gewichtsersparnis bestehen auch die Motorhaube und die gesamte Heckklappe aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Auf letztere platzierte Andreas zur Erzeugung von Anpressdruck zudem einem Heckflügel mit Gurney-Flap, während eine Etage tiefer ein breiter Custom-Diffusor installiert wurde. Letzerer stammt ursprünglich von einem verunfallten KTM X-Bow und wurde für den Einsatz am Toyota umfassend angepasst. Am Bug findet sich als Pendant eine weit nach unten gezogene Frontschürze mit Spoilerschwert. Die Türen bestehen komplett aus superleichtem Carbon, die Seiten- sowie die Heckscheibe aus Polycarbonat/Makrolon. Die winzigen Carbon-Außenspiegel setzen dem Fahrtwind nur wenig Widerstand entgegen.

225 Sauger-PS aus 1,6 Litern Hubraum!

Unter der Motorhaube röchelt, röhrt und brüllt – je nach Drehzahl – natürlich ein frei saugender 4A-GE-Vierzylinder mit 1,6 Litern Hubraum. Und dieses Triebwerk ist der „lebendige“ Beweis dafür, dass man die Leistung von Saugmotoren – die entsprechenden Basis-Bedingungen vorausgesetzt – auch ohne Turbo oder Kompressor, sondern „nur“ mit klassischem Saugertuning verdoppeln kann. Denn nach einer umfassenden Motorüberarbeitung durch Roth Racing entwickelt der Twin Cam-16-Ventiler statt serienmäßiger 115 nun quicklebendige 225 PS. Dazu wurde beispielsweise der Zylinderkopf modifiziert, in welchem Ventile vom Celica ST182 der späten 1990er Jahre Einzug hielten. Geschmiedete Custom-Kolben auf ebensolchen Carillo-Pleueln versetzen die erleichterte Kurbelwelle in Rotation. Seinen Sauerstoff zieht das Triebwerk durch eine Carbon-Ansaugung, während die Verbrennungsabgase durch eine Eigenbau-Abgasanlage mit Endschalldämpfer vom Subaru Impreza der Rallye-Gruppe A röhren.

750 Kilogramm Wettkampfgewicht

Dass diese Leistung angesichts eines Leergewichts von nur noch rund 750 Kilogramm eine wirklich beeindruckende Beschleunigung initiiert, liegt auf der Hand. Gut ist es angesichts des blitzartig in den roten Bereich schnellenden Drehzahlmessers, dass Gangwechsel mittels des sequenziellen 6-Gang-Getriebes von Quaife ziemlich zackig von der Hand gehen.
Die Höchstgeschwindigkeit des kleinen Renners beträgt – je nach gewählter Übersetzung – zwischen 175 und 225 km/h. Das reicht sowohl „am Berg“ als auch auf den meisten Time Attack-Kursen locker aus.

Rasanter Kurvenräuber

Viel wichtiger ist es hier wie dort, die Geschwindigkeit auch um Kurven „mitnehmen“ zu können. Und dafür ist das richtige Schuhwerk an Bord: Ein exorbitant hohes Gripniveau bescheren dem Hecktriebler – einmal auf Temperatur gebracht – die auf dreiteilige MAD’IN-Stufenbettfelgen der Größe 9,5×15 Zoll aufgezogenen Avon-Rennslicks. Deren exotische Motorsport-Dimension 10×21,5×15 entspricht nach „zivilen“ Maßstäben etwa der Größe 255/35R15. Da der Corolla diese Rad/Reifen-Kombination rundum trägt, ist ihm Untersteuern absolut fremd: Wie auf Schienen folgt der Corolla jedem Lenkbefehl, auch wenn Andreas ihn mit scheinbar völlig überzogenem Tempo in enge Kehren zwingt. Für gemäßigtere Einsätze stellt Andreas den AE86 auch gerne auf Avon-Semislicks in 245/40R15.
Damit alle Räder jederzeit bestmöglichen Bodenkontakt halten, rüstete der selbst schraubende Hobby-Rennfahrer seinen Rennwagen mit einem KW Competition 2-way-Gewindefahrwerk sowie einer Whiteline-Domstrebe aus.
Die Bremsanlage der Vorderachse ersetzte Andreas darüber hinaus durch kraftvolle 4-Kolben-Sättel von AP, die auf 280er Bremsscheiben in die Zange nehmen, während hinten 2-Kolben-Sättel von HiSpec auf Toyota Yaris-Scheiben einwirken.

Spartanisches Racing-Interieur

Rennwagen-typisch spartanisch präsentiert sich der Innenraum des Toyotas. Dieser wurde komplett ausgeräumt und in Wagenfarbe auslackiert. Inmitten der von Leuko Motorsportteile eingeschweißten Sicherheitszelle installierte Andreas seinen GA-Ohrensessel, in dem er sich mit einem Sandtler-5-Punkt-Gurt fixiert. Durch das dreispeichige Motorsport-Lenkrad hält Andreas die Instrumente im Auge, deren prominente Mitte natürlich der Drehzahlmesser einnimmt. Eine große LED-Anzeige informiert ferner über den eingelegten Gang – damit Andreas angesichts des sequenziellen Getriebes im Eifer des Gefechts nicht den Überblick verliert. Die Türen wurden innen mit Eigenbau-Carbon-Platten leichtgewichtig verkleidet.

Tech Facts

Toyota Corolla AE86 (1985)
Motor: Vierzylindermotor 4A-GE , komplett überarbeitet von Roth Racing (u.a. Zylinderkopf, Überströmkanäle erweitert, größere Ventile von Celica ST182, Custom-Schmiedekolben, Carillo-Schmiedepleuel, erleichterte Kurbelwelle etc.), Carbon-Ansaugung, Eigenbau-Abgasanlage mit Endschalldämpfer vom Subaru Impreza Gruppe A, Carbon-Cooling Plate
Hubraum: 1,6 Liter
Leistung: ca. 225 PS
Kraftübertragung: sequenzielles Quaife-6-Gang-Getriebe (von Ford Escort MK I/II)
Fahrwerk: KW Competition 2-way-Gewindefahrwerk, Whiteline-Domstrebe vorn
Rad/Reifen: dreiteilige MAD’IN-Felgen in 9,5×15 Zoll, Avon-Rennslicks in 10×21,5×15 (ca. 255/35R15) oder Avon-Semislicks in 245/40R15
Bremsen: AP-4-Kolben-Bremsanlage mit 280-mm-Scheiben an der VA, HA 2-Kolben-Bremsanlage von HiSpec mit Scheiben vom Toyota Yaris
Karosserie: GFK-Kotflügel vorn und GFK-Radläufe hinten, GFK-Motorhaube, GFK-Heckdeckel, Custom-Heckdiffusor, Heckflügel mit Gurney-Flap, Makrolon-Scheiben, Carbon-Außenspiegel Lackierung in Grau mit Sponsoren-Beklebung
Innenraum: komplett ausgeräumt und auslackiert, Sicherheitszelle eingeschweißt (Leuko Motorsportteile), GA Motorsport-Schalensitz, Sandtler-Sicherheitsgurt, Sparco-Feuerlöscher
Sonstiges: Gewicht ca. 750 kg