Custom-Styling für eine Ikone

Classic, Mercedes-Benz 190 SL von Edelweiss Customs

Wir schreiben die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei und die Weltwirtschaft präsentiert sich in voller Blüte. Während hierzulande das Wirtschaftswunder, ein kräftiger wirtschaftlicher Aufschwung ausgelöst durch die Abschaffung der zentralen Wirtschaftslenkung und die Währungsreform des Jahres 1948, für lange nicht gekannten Wohlstand sorgt, geben sich auch die ehemaligen Kriegsgegner in den Vereinigten Staaten von Amerika ihrem konsumatorischen Nachholbedarf hin. Eine Äußerung der neu gewonnenen Lebensfreude auf der anderen Seite des großen Teichs war sicherlich der „sports car boom“. Die Nachfrage nach exklusiven und sportlichen – aber dennoch bezahlbaren – Automobilen war außerordentlich hoch, wobei dieser Markt zunächst erfolgreich von britischen Herstellern erobert wurde. Doch das sollte nicht so bleiben…

Eine amerikanische Idee

Auf der 1954er Ausgabe der International Motor Sports Show in New York zeigte Mercedes-Benz erstmals ein als „190 SL“ bezeichnetes Fahrzeug. Noch war das schnittige Cabriolet eine Studie, aber auf Anregung des damaligen USA-Importeurs Maxim Hoffman, kam man in Sindelfingen zu dem Schluss, dass man sich der Herausforderung stellen und einen weniger extremen und deutlich günstigeren Sportwagen unterhalb des supersportlichen 300 SL (dessen Serienmodell ebenfalls in New York präsentiert wurde) anbieten müsse. Immerhin hatte Nachbar und Konkurrent Porsche bereits so manchen 356 in die USA verkauft.

Nur ein Jahr später präsentierte Mercedes-Benz auf dem Genfer Automobilsalon die Serienversion des 190 SL. Der von Karl Wilfert und Walter Häcker entworfene Wagen war optisch direkt als „kleiner Bruder“ des 300 SL zu erkennen, dabei war er jedoch mehr ein eleganter und schneller Tourenwagen als ein Hochleistungssportler und basierte technisch weitgehend auf der braven Limousine vom Typ 180. Vom „Ponton-Mercedes“ stammen beispielsweise die (verkürzte) Bodengruppe sowie die Vorderachse mit Doppel-Querlenkern, Schraubenfedern und einem Stabilisator. Hinten sorgte die Eingelenk-Pendelachse mit tief gelegtem Drehpunkt vom Typ 220a für eine für damalige Verhältnisse außerordentlich gute Straßenlage. Der M121 B II-Vierzylinder-Reihenmotor mit 1,9 Litern Hubraum hingegen war eine komplette Neuentwicklung. Dank zweier Solex 44 PHH Flachstrom-Vergaser und fortschrittlicher OHC-Technik entwickelt das Aggregat 105 PS bei 5.700 Umdrehungen pro Minute. Die satte Literleistung von rund 55 PS war in den Fünfzigern aller Ehren wert.

Begründer der Roadster-Tradition

Verkaufsstart des Roadsters war schließlich im Mai 1955. Damit darf der 190 SL getrost als Begründer der Tradition offener Sportwagen des Hauses Mercedes-Benz bezeichnet werden. Schnell entwickelte sich der 190er zum Traumwagen und Kultfahrzeug. Gern zeigten sich auch von Hollywood-Stars (u.a. Grace Kelly und Frank Sinatra) und Mitglieder der europäischen High Society mit dem schmucken Stuttgarter. Bis heute ist der 190 SL beispielsweise untrennbar mit dem Namen der im Oktober 1957 ermordeten Edel-Prostituierten Rosemarie Nitribitt verbunden.

In acht Jahren Bauzeit liefen exakt 25.881 Exemplare des 190 SL vom Band, am 8. Februar 1963 wurde die Produktion eingestellt. Sehr gut erhaltene Exemplare werden heute zu Preisen jenseits der 200.000 Euro gehandelt.

Custom-Arbeit auf gut erhaltener Basis

Und an dieser Stelle stellt sich – wie so oft – die Frage: Darf und sollte man als Tuner Hand an eine solche Automobilikone legen? Hier werden die Meinungen zweifellos auseinander gehen. Fakt aber ist: Die Jungs von Edelweiss Customs haben es getan. Das Ergebnis: spektakulär und stilvoll gleichzeitig. Mit dem gebotenen Respekt nahmen sich das Team aus dem im Südosten Thüringens gelegenen Schleiz, welches es sich nach eigenem Bekunden zur Aufgabe gemacht hat „den Schätzen aus längst vergangenen Tagen neues Leben einzuhauchen und sie mit dem notwendigen Feingefühl individuell zu interpretieren“ des 190ers an. Das Basisfahrzeug blickte dabei vor dem eigentlichen Beginn des Edelweiss-Projekts auf eine bewegte Vergangenheit zurück: Nachdem der Mercedes im Jahr 1958 als Neuwagen über Paris nach Amerika verschifft wurde, fand er 1990 zurück nach good old Germany. Die Zeit im trockenen Klima der USA tat dem Roadster offenbar gut: Der Heimkehrer kam nicht nur mit Matching Numbers, sondern auch mit sehr viel Originalblech. Im Zuge einer Vollrestaurierung vor rund 25 Jahren waren nur geringfügigen Schweißarbeiten notwendig; die nur leicht patinierte Innenausstattung konnte sogar vollständig erhalten werden. Edelweiss Customs nahm im vergangenen Sommer – einer achtjährigen Standzeit vor dem Erwerb des Fahrzeugs aus einer Oldtimer-Sammlung Rechnung tragend – zunächst einen großen Service vor.

Reversibler Umbau

Dazu erhielt der Vierzylinder – mehr der Optik und des Sounds als einer Leistungssteigerung wegen – offene Ansaugtrichter sowie eine aus Edelstahl maßangefertigte Abgasanlage von SK Motorsport. Augenfälligste Modifikation des historischen Roadsters aber ist zweifellos seine üppige Tieferlegung. Diese realisierte Edelweiss Customs – selbstverständlich vollständig reversibel – mittels eines von Classics Constructions sonderangefertigten Luftfahrwerks. Für dessen Installation wurde kein Blechteil „beschädigt“. Während der 190 SL zum Zeitpunkt unseres Fotoshootings dazu noch auf seinen angestammten 5×13-Zoll-Rädern stand, präsentierte Edelweiss Customs den Airride-Oldie auf der Essen Motor Show wenige Wochen später mit einem Satz in der Rad-Manufaktur von Gekrenzert gefertigter 8×17-Zöller auf Basis geschmiedeter ARC-Felgen, welche auf originale Mercedes-Benz-Radkappen adaptiert wurden.

 

Technical Facts (Serienfahrzeug)

Fahrzeug: Mercedes-Benz 190 SL

Produktionszeit: Mai 1955 – Februar 1963

Stückzahl: 25.881

Motor: Daimler-Benz Reihen-Vierzylinder-Motor M121 B II, 2 Solex 44 PHH Flachstrom-Vergaser, 1 obenliegende Nockenwelle, Wasserkühlung (Pumpe, Thermostat)

Bohrung x Hub: 85 x 83,6 mm

Hubraum: 1.897 ccm

Leistung: 105 PS bei 5.700 U/min

Max. Drehmoment: 142 Nm bei 3.200 U/min

Verdichtung: 8,5:1 (auch 8,7:1 und 8,8:1)

Lenkung: Kugelumlauf (18,5:1)

Bremse: 4 hydraulische Trommelbremsen, auf Wunsch bzw. ab Mai 1956 serienmäßig mit Servounterstützung, Feststellbremse mechanisch auf die Hinterräder

Antrieb: auf die Hinterräder, Einscheibentrockenkupplung

Getriebe: voll synchronisierte 4-Gang-Schaltung mit Schaltstock in der Wagenmitte

Vorderradaufhängung: Doppel-Querlenker, Schraubenfedern, Stabilisator

Hinterradaufhängung: Eingelenk-Pendelachse, Schubstreben, Schraubenfedern

Felgen: 5 K x 13

Reifen: 6,40-13 Sport

Maße: 4.220 x 1.740 x 1.320 mm

Radstand: 2.400 mm

Leergewicht: 1.080 kg (Roadster), 1.160 kg (Coupé)

Tankinhalt: 65 Liter (im Heck)

Kraftstoffverbrauch: 8,6 Liter Superbenzin

Höchstgeschwindigkeit: ca. 175 km/h

Beschleunigung 0-100 km/h: 14,5 s

Preis: 16.500 DM (Roadster), 17.100 DM (Coupé), 17.650 DM (Coupé mit Faltverdeck)

 

Weitere Informationen zu Edelweiss Customs gibt es direkt bei:

Fa. Edelweiss Customs, Robert Redlich

Plauensche Str. 120
07907 Schleiz

Tel.: 0172 / 7140332
E-Mail: info@edelweisscustoms.com

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