Cadillac ATS-V: US-Angriff auf M3 und C63

Cadillac ATS-V

Cadillac ATS-V: US-Angriff auf M3 und C63

Wer hierzulange „Cadillac“ hört, der wird vermutlich zunächst an riesige Straßenkreuzer mit großvolumigen aber kraftlosen V8-Hubraumriesen und schwammigen Fahrwerken denken. Doch weit gefehlt: Mit dem ATS-V haben die Amerikaner einen selbstbewussten Konkurrenten zu heimischen High-Performance-Limousinen vom Schlage eines BMW M3, Mercedes-AMG C63 oder Audi RS4 im Angebot – ganz offiziell auf dem deutschen Markt. Das Performance Magazin hat den Ami-Sportler einem Test auf Herz und Nieren unterzogen.

Bereits rein äußerlich macht der ATS-V einen ziemlich durchtrainierten Eindruck. Von kantigen Formen geprägt, trägt er unübersehbare Performance-Insignien wie einen spitzen Carbon-Frontsplitter, einen Power-Dome auf der komplett aus Carbon gefertigten Motorhaube, einen hochaufragenden Heckspoiler und einen die beiden Doppelendrohre der Abgasanlage beherbergenden Carbon-Heckdiffusor. Dazu flößt der Cadillac-Bug mit zwei riesigen Chrom-vergitterten Lufteinlässen gehörigen Respekt ein.

3,6-Liter-V6 mit Biturbo-Aufladung

Unter der Haube steckt nicht – wie man vermuten könnte – ein Achtzylinder, sondern ein 3,6-Liter-V6 mit Biturbo-Aufladung, welcher nach Werksangaben bis zu 470 PS (bei 5.750 U/min) und 603 Nm (bei 3.500 U/min) entwickelt. In puncto Ansprechverhalten ist der doppelt aufgeladene Sechsender ein Turbomotor alter Schule: Erst nach kurzem Durchatmen haben die beiden Mitsubishi-Lader Druck aufgebaut, dann prescht die 1,7 Tonnen schwere Fuhre aber umso vehementer voran, drückt ihre Insassen mächtig in die bequemen Recaro-Sportsitze. Die Faszination dieses Antriebs macht der Drehmoment-Punch im mittleren Drehzahlbereich zwischen 3.000 und 5.000 Touren aus, zumal der ATS-V in dieser Spanne auch besonders lustvoll aus den beiden Doppelendrohren seiner Klappenabgasanlage trompetet. Hohe Drehzahlen jenseits der 5.500-6.000 U/min sind hingegen nicht das bevorzugte Metier des Biturbo-Motors, hier geht ihm spürbar die Luft aus.

Mehr als 300 km/h schnell

An Traktion mangelt es dem ATS-V nicht: Die auf geschmiedete und entsprechend leichtgewichtige 18-Zoll-Felgen aufgezogenen, von Michelin mit einer modellspezifischen Mischung gebackenen, Pilot Sport-Gummis in 255/35ZR18 und 275/35ZR18 verkrallen sich satt im Asphalt, sein aktives Hinterachsdifferenzial und die feinfühlig regelnde Traktionskontrolle sorgen dafür, dass Wheelspin praktisch nur vorsätzlich herbeizuführen ist. Bei Nutzung der Launch Control soll der ATS-V in nur 3,9 Sekunden auf 100 km/h sprinten – rein subjektiv erscheint uns das realistisch. Den US-amerikanischen Mittelfinger zeigt der Cadillac ATS-V seinen europäischen Konkurrenten ausgerechnet in deren Wohnzimmer: auf der Autobahn. Denn wo M3, C63 und Co. selbst mit optionalen Vmax-Erhöhungen spätestens bei 280 bis 290 km/h eingebremst werden, darf der unlimitierte Ami ihnen die kantigen Rückleuchten zeigen und durchbricht (mit längerem Anlauf) sogar die Prestige-trächtige 300-km/h-Schallmauer.

Beeindruckende Handlung-Fähigkeiten

Äußerst direkt ist die elektrische ZF-Servolenkung ausgelegt: Zackig und mit geringen Lenkwinkeln lässt sich die mit einer nahezu idealen Gewichtsverteilung von 51/49 Prozent aufwartende Fünfmeter-Limousine damit um Kurven aller Radien werfen. Einen perfekte Partner findet die ZF-Steuerung im elektronisch geregelten Magnetic Ride Control-Fahrwerk: Mit erstaunlicher Kurvenfreude fegt der ATS-V über den Track oder die Landstraße – das können BMW M und Mercedes-AMG nicht besser! Antriebseinheit und Fahrwerk lassen sich ferner in vier vorjustierten Fahrmodi einstellen: Tour, Sport und Strecke sowie das für den Winterbetrieb optimierte Schnee/Eis. Straff federt der Cadillac übrigens schon im Tour-Modus – kein Gedanke mehr an die Schwammigkeit vergangener Tage. Allzu hart allerdings fällt selbst der Strecke-Modus nicht aus, auch er führt nicht zu Bandscheiben-Schäden.

Kritik an der Wandlerautomatik, tadellose Brembo-Stopper

Kritik hingegen muss sich das 8-Gang-Getriebe gefallen lassen. Im „normalen“ Straßenbetrieb weiß die klassische Wandlerautomatik ohne dedizierten Sportmodus zwar zu gefallen, bei forcierter Gangart aber geht agiert sie bisweilen zu unsportlich, sodass man lieber zu den manuellen Schaltpaddeln greift. Diese reagieren spürbar langsamer auf Schaltbefehle, als man es von der deutschen Konkurrenz gewohnt ist – mit etwas Eingewöhnungszeit allerdings gewöhnt man sich hieran und zieht entsprechend ein paar Zehntelsekunden vor dem geplanten Gangwechsel am Paddel.

Tadellos versah die Brembo-Bremsanlage unseres Testwagens ihren Dienst, die ihre schwimmend gelagerten 370-mm-Scheiben an der Vorderachse mit 6-Kolben-Sätteln in die Zange nimmt, während die 339er Scheiben der Hinterachse von 4-Kolben-Sätteln verzögert werden. Lediglich beim starken Bremsen aus hohen Geschwindigkeiten fiel die Bremse durch eine unüberhörbare Geräuschentwicklung / Rattern auf.

Vergleichsweise günstiges Angebot

Im Innenraum erwartet die Cadillac ATS-V-Passagiere ein durchaus feines, technisiertes Ambiente. Die optionalen, vielfach verstellbaren Recaro-Sportsitze unseres Testwagens verdienen uneingeschränktes Lob, bieten eine gelungene Mischung aus Komfort und Seitenführung. Die Cockpit-Ergonomie sowie die Material- und Verarbeitungsqualität sind gut – wenn auch noch nicht auf dem Niveau der deutschen Konkurrenz. Auf selbigem ist allerdings auch noch etwas anderes nicht: Der Preis des Cadillac ATS-V. Der nämlich steht mitsamt üppiger Serienausstattung bereits für 69.900 Euro in der Preisliste. Für C63 oder M3 sind gleich einige Tausender mehr fällig – bei deutlich weniger Basisausstattung.

Fazit: Mit dem Cadillac ATS-V haben die US-Boys eine wirklich imposante Alternative zu Mercedes-AMG C 63, BMW M3 und Audi RS 4 im Angebot, die zwar vielleicht nicht deren Perfektion bietet, sich dafür in Sachen Performance aber keineswegs verstecken muss und einen raubeinigen, markanten Charakter mitbringt – und das zum vergleichsweise günstigen Preis.

Wer den Cadillac ATS-V nach unserem Test nun interessant findet, sich aber mit einer Limousine nicht anfreunden kann: Der schnelle Ami ist – technisch identisch – auch als zweitüriges Coupé erhältlich. Und wenn ihr ein Exemplar sucht schaut doch mal auf www.geigercars.de vorbei!

die überschüssige Power hauchfein über die Zündung

Specs (Werksangaben)

Cadillac ATS-V

Motor: V6-Biturbo-Motor mit zwei Mitsubishi-Turboladern,

Hubraum: 3.564 ccm

Bohrung x Hub: 94 mm x 86 mm

Verdichtung: 10,2 : 1

Motorleistung: 346 kW / 470 PS bei 5.750 U/min

Max. Drehmoment: 603 Nm bei 3.500 U/min

Kraftübertragung: 8-Gang-Automatikgetriebe mit Schaltwippen, Heckantrieb

Lenkung: elektronische, variable ZF-Servolenkung

Fahrwerk: elektronisch geregeltes Magnetic Ride-Fahrwerk

Rad/Reifen: Aluminium-Schmiederäder in 9×18 und 9,5×18 Zoll, Michelin Pilot Sport-Bereifung in 255/35ZR18 und 275/35ZR18

Bremsen: Brembo-Bremsanlagen, VA 6-Kolben-Sättel / 370-mm-Scheiben, HA 4-Kolben-Sättel / 339-mm-Scheiben

Leergewicht: 1.700 kg

0-100 km/h: 3,9 s

Höchstgeschwindigkeit: 304 km/h

Verbrauch: 11,6 l / 100 km (Super)

Basispreis: ab 69.900 Euro