Technik-Feature: Abstimmung auf der Radlastwaage mit Spurtreu Classics

Radlast-Abstimmung für mehr Spurtreue

Im modernen Rennsport sind Abstimmungen der Fahrzeuge auf sogenannten Radlastwaagen eine Selbstverständlichkeit. Doch machen solche Justagen auch für historische Sportwagen Sinn, welche im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden? Was steckt dahinter und welche Vorteile bringt eine Radlast-Abstimmung mit sich? Wir haben Sebastian Plümers zum Thema befragt, dessen Unternehmen „Spurtreu Classics“ sich – nomen est omen – neben dem Neuaufbau und der Restaurierung von klassischen Porsche- und VW-Modellen insbesondere deren Fahrwerksoptimierung auf die Fahnen geschrieben hat.

 

WOB Klassik: Woher kommt der Name „Spurtreu Classics“?

Sebastian Plümers: Wir sind der Auffassung, dass nur ein spurtreues Auto ein gutes Auto ist. Natürlich muss ein Auto auch Leistung bringen, klaro. Aber für mich ist es wirklich essenziell, dass ein Auto so fährt, wie es fahren soll, also der ihm vorgegebenen Spur folgt – und zwar bestmöglich. Und danach haben wir auch unseren Namen gewählt.

 

WOB Klassik: Einer der Wege, die Spurtreue eines Autos zu optimieren, ist die Einstellung auf einer Radlastwaage. Im modernen Rennsport gehört diese zum Standardprogramm. Macht es denn auch Sinn, klassische Straßenfahrzeuge auf die Radlastwaage zu stellen.

S.P.: Richtig, im modernen Motorsport geht heute praktisch kein Auto mehr ohne Radlast-Abstimmung auf die Piste. Aber auch historischen Sportwagen tut diese gut. Bei uns bekommt JEDES Auto, welches wir mit einem neuen Fahrwerk ausrüsten auch eine Einstellung auf der Radlastwaage.

 

WOB Klassik: Fangen wir doch einmal ganz vorne an: Was ist eine Radlast-Waage?

S.P.: Eine Radlast-Waage ist ein Wiegesystem, welches die durch jedes einzelne Rad eines Fahrezeugs auf den Untergrund wirkende Masse misst und dies auf einem Bildschirm, in unserem Fall ein Tablet, ausgibt.

 

WOB Klassik: Ok, aber alleine davon ändert sich ja das Fahrverhalten nicht…

S.P.: Lacht. Nein, natürlich nicht. Aufgrund dieses Eingangsbilds, welches die Basis aller folgenden Arbeiten ist, stellen wir dann unter stetiger Kontrolle die Radlasten ein, sodass wir eine möglichst geringe Unterschiede zwischen den beiden Rädern einer Achse erhalten. Ideal ist eine 50/50-Verteilung der Radlasten „im Kreuz“. Sprich: Das Verhältnis der Radlasten vorne links zu hinten rechts ist identisch zum Verhältnis vorne rechts zu hinten links. Klingt kompliziert, ist aber bei einem zweiten Blick drauf sinnvoll. Denn dreht man das Auto beispielsweise vorne links schwerer, wird es automatisch auch hinten rechts schwerer – wie bei einem Stuhl mit vier Beinen, der – sofern nicht richtig ausbalanciert – immer über die Diagonale kippelt. Das ist ganz simple Physik – und doch so wichtig.

 

WOB Klassik: Wie erfolgt diese Verstellung der Radlasten?

S.P.: Die Beschwerung oder Erleichterung von Rädern geschieht via einer Höhenverstellung der Räder. Wenn man ein Auto beispielsweise vorne links höher dreht, wird es an diesem Rad „schwerer“, denn das Rad trägt einen größeren Anteil des Fahrzeuggewichts – und andersherum. Möglich ist diese Justage folglich bei allen Fahrzeugen, die eine Höhenverstellung erlauben. Das kann über Gewindefederbeine erfolgen, oder – bei klassischen Porsche-Modellen üblich – über Drehstäbe und Exzenter, die serienmäßig vorhanden sind. Ohne die Möglichkeit zur Höhenverstellung funktioniert es nicht. Erst nach der Radlast-Abstimmung erfolgt dann die Justage der Spur-, Sturz- und Nachlaufwerte etc., bevor am Ende des Prozesses die Radlast nochmals kontrolliert und ggf. geringfügig nachjustiert wird. Sobald hier jedoch nachjustiert wird, ändern sich auch die Achseinstellwerte erneut und müssen anschließend nochmals kontrolliert und ggf. nachgestellt werden. So nähern wir uns Schritt für Schritt der perfekten Einstellung.

 

WOB Klassik: Von welchen Masse-Dimensionen der Radlasten sprechen wir denn hier eigentlich?

S.P.: Der Idealfall ist ein Gewichtsunterschied zwischen den Rädern einer Achse von 0 infolge der Radlast-Justage. Aber das ist meistens Theorie. Zufrieden sein kann man in der praktischen Arbeit mit Porsche-Klassikern mit Gewichtsunterschieden von 15 bis 20 Kilogramm zwischen den Rädern einer Achse – Fahrergewicht mit eingerechnet. Wenn die Fahrzeuge bei uns ankommen sind bei den Eingangsmessungen Unterschiede von 70 oder 80 Kilogramm an einer Achse keine Seltenheit.

 

WOB Klassik: Lohnt sich eine Abstimmung auf der Radlastwaage nur bei Fahrzeugen, welche nachträglich mit einem Aftermarket-Sportfahrwerk ausgerüstet wurden oder sollten auch serienmäßige Autos so abgestimmt werden?

S.P.: Grundsätzlich lohnt sich das erstmal bei JEDEM Auto. Denn nur ein gut eingestelltes Auto ist ein fahrstabiles Auto – und damit auch ein sicheres Auto. Durch die korrekte Einstellung werden die Fahrzeuge deutlich präziser und einfacher positionierbar auf der Bremse, laufen besser geradeaus und bringen die Leistung besser auf den Asphalt. Sprich: Im Grenzbereich, beispielsweise auch durch unvorhergesehene Ereignisse im Straßenverkehr, kann ein auf der Radlastwaage abgestimmtes Auto noch auf der Straße gehalten werden, wo ein schlecht abgestimmtes bereits die Bodenhaftung verloren hat. Deswegen ist es auch aus Sicherheitsgründen sinnvoll, die Radlast einzustellen: Nehmen wir an, ein perfekt eingestelltes Fahrzeug kann 100 Prozent der konstruktiv begründeten Lenk- und Bremsbefehle liefern, während ein schlecht eingestelltes Auto je nach Abweichung vom Optimum beispielsweise nur 70 Prozent des Grips umsetzen kann. Entsteht dann eine Situation, welche das Fahrzeug in eine Stresssituation versetzt – beispielsweise ein schnelles Ausweichmanöver vor einem Hindernis, gepaart mit dem Einsatz der Bremse und das im schlimmsten Fall auch noch auf schlechter Straße oder bei Nässe, welche dem Auto vielleicht 80 bis 90 Prozent seines des konstruktiven „Könnens“ abverlangt, dann hat man das Auto in diesem Moment verloren – ein Unfall ist die denkbare Folge. Ein Auto, welches jedoch zu 100 Prozent funktioniert, lacht über ein Abverlangen von 80 bis 90 Prozent und meistert die schwierige Situation mit Sicherheit und Bravour: Das Fahrzeug bleibt auf der Straße und ist damit deutlich sicherer. Hinzu kommt, dass selbst Laien den Unterschied zwischen einem sauber eingestellten Radlast-Verhältnis und einem nicht justierten Fahrwerk mit stark abweichenden Radlasten während der Fahrt bemerken. Das Auto „läuft“ mit abgestimmten Radlasten einfach besser. Rund 50 Prozent unserer Kunden spüren den Unterschied nach einer Radlast-Abstimmung sofort und sind begeistert, wie sich ihr „neues“ Auto anfühlt. Besonders bei Bremsmanövern, bei welchen die Räder teilweise entlastet werden, ist der Unterschied oftmals eklatant. Übrigens ist es auch so, dass sich – gerade bei klassischen Automobilen – die Radlasten im Laufe des Fahrzeuglebens von alleine verstellen, beispielsweise durch die Alterung von Lagern und Aufhängungen. Auch deshalb ist eine Prüfung und ggf. Abstimmung der Radlasten bei diesen Fahrzeugen besonders sinnvoll. Bei Fahrzeugen mit nachgerüsteten Gewindefahrwerken ist sie geradezu ein Muss. Denn: Bei einem optisch „gerade“ stehenden Fahrwerk, wie es häufig allein durch Zollstock-Messungen einjustiert wird, passen die Radlasten im Regelfall nicht – denke man beispielsweise an das Fahrergewicht. Wer sich einmal auf der Radlastwaage justierte Rennwagen ansieht, wird nicht selten einen deutlichen „Schiefstand“ bemerken.

 

WOB Klassik: Welche Vorarbeiten sollten vor eine Abstimmung auf der Radlastwaage erfolgen?

S.P.: Wichtig ist in der Hauptsache, dass alle Verstellmöglichkeiten gut gängig sind. Denn Verstellungen an einer Stelle ziehen im Regelfall auch Arbeiten an allen anderen Punkten nach sich. Dann wird es extrem lästig, wenn die Justagemöglichkeiten nicht gängig sind.

 

WOB Klassik: Was kostet denn eine Radlast-Abstimmung eigentlich?

S.P.: Die reine Radlast-Einstellung inklusive der anschließenden Achseinstellung liegt bei rund 400 bis 500 Euro. Das ist gut investiertes Geld.

WOB Klassik: Vielen Dank für das Interview die Einblicke in ihre Vorgehensweise.

Alle weiteren Informationen gibt’s direkt bei:

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Sebastian Plümers
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