Sport quattro-Replika mit 1.081 PS!

Audi Sport quattro Replika von LCE Performance

Sport quattro – Rallye-Fans laufen allein bei Erwähnung dieser Modellbezeichnung kalte Schauer über den Rücken und das Wasser im Munde zusammen. Obwohl „der Kurze“, wie Insider den gegenüber dem Standard-Urquattro sichtbar gedrungener auftretenden Sport quattro gerne nennen, während seiner aktiven Zeit in der wilden Gruppe B der Rallye-WM praktisch keine großen Erfolge einfahren konnte, gehört der muskulöse Audi doch zu den legendärsten Rallye-Boliden aller Zeiten. Im Straßenverkehr ist der Sport quattro freilich extrem selten zu sehen.

Nur 220 für den öffentlichen Verkehr zugelassene „Kurze“ wurden jemals gebaut und ab Dezember 1984 zum damals exorbitanten Stückpreis von mindestens 195.000 Mark verkauft. Heute kosten gut erhaltene Exemplare – sofern denn überhaupt einmal eines den Weg aus der warmen Sammlergarage auf den Markt findet – bis zu 500.000 Euro. Und selbst wer eine solche Summe aufbringen kann, der wird sein neu erworbenes autmobiles Schätzchen anschließend wohl kaum „artgerecht“ bewegen. Die – nomen est omen – nahe des Bodensees in Markdorf beheimateten Performance-Spezialisten von Lake Constance Engineering, kurz LCE oder LCE Performance, erkannten das „Problem“ und entschieden sich für dessen pragmatische Lösung: Auf Basis von Urquattros fertigen sie individuell nach Kundenwunsch komplette Replika-Neuaufbauten des Sport quattros an – wahlweise als Rallye- oder Straßenversion frei konfigurierbar, mit TÜV-Zulassung sowie mindestens 600 PS. Auf unseren Bildern zu sehen ist LCEs Demonstrationsobjekt dessen, was im Rahmen des Sport quattro-Revivals möglich ist: Im Bug der nahezu komplett aus Carbon bestehenden Karosserie lauert ein mehr als 1.000 PS starker Turbo-Fünfzylinder!

320 Millimeter gekürzt

Die Basiskarosse sowie die Urquattro-Bodengruppe und damit den Radstand kürzt LCE zunächst um 320 Millimeter, um das klassische gedrungene Sport quattro-Erscheinungsbild sowie dessen agiles, beinahe schon nervöses Fahrverhalten zu generieren. Man kann sich vorstellen, wie viel Arbeit und Know-How das, was hier schnell in einem Satz geschrieben ist, in der Realität erfordert! Von der A- bis zur B-Säule entspricht die Silhouette jener der zweitürigen Audi 80 (Typ 85)-Limousine. Die Front erhielt originalgetreu das Sport quattro-typische Antlitz mitsamt der Scheinwerfer vom Passat 32B. Danach folgt bis zum schräg abfallenden Heck praktisch 100-prozentiger Carbon-Karosseriebau: Neben dem Dach, den Stoßstangen und der Motorhaube wurden auch die kompletten Seitenteile sowie die Kotflügel nach Maß aus dem leichten Verbundfaserwerkstoff angefertigt. Die Türen hingegen bestehen weiterhin aus Metall – wichtig für die Straßenzulassung.

Skurril aber extrem stark

Skurril mutet dem Laien vermutlich zunächst der Motoraufbau an. Ein Turbo-geladener Reihenfünfzylinder ist hier angestammt. Klar soweit. Dass LCE Performance allerdings als Basis auf einen Block vom Audi A6 2.5 TDI setzt, diesen stark modifiziert und dann die 92,8-Millimeter-Kurbelwelle einer so nur in Südafrika vermarkteten VW T4-Bus-Version mit sonderangefertigten Schmiedekolben und H-Schaft-Pleueln sowie Dreistofflagern kombiniert; das erschließt sich erst bei extrem tiefen Einblicken in die Materie. Sei’s drum: Die außergewöhnliche Kombination funktioniert – und wie! Der Zylinderkopf stammt vom Audi S2 und wurde mittels CNC-Technik bearbeitet. So verfügen die Brennräume für eine ideale Verbrennung nun über „Golfball“-Profilierungen. Statt der im 1990er-Jahre-Coupé arbeitenden Hydrostößel kommt heute zudem pure Mechanik zum Einsatz. Die mit verstellbaren Rädern vereinten 288/276-Grad-Nockenwellen aus der eigenen Schleiferei lassen Inconel-Ventile mit Schrick-Federn und -Tellern tanzen, während zwei Bosch 044-Motorsport-Benzinpumpen den hochoktanigen Treibstoff via eines Catch Tanks zu den 1.600er Injector Dynamics-Düsen fördern. Noch kein Wort haben wir bis hierher – denn das Beste kommt bekanntlich zum Schluss – über die Turboladung verloren: Mittels eines TTE-Stoßaufladungskrümmers wurde der TTE 1200-Lader angebunden, dessen Tun ein RS 2-Wastegate im Zaum zu halten bemüht ist. Der mit einer Polygonwelle ausgerüstete Lader kommt ohne Blow-Off-Ventil aus. Die 3,5 Zoll durchmessende Edelstahl-Abgasanlage ist komplett custom made. Die Regie über das Hardware-Ensemble führt ein VEMS-Steuergerät mit auf Basis langjähriger Erfahrung programmierten Mappings.

306 PS leistete der originale Sport quattro. Das war Mitte der 1980er viel. 530 PS brachte der reinrassige Rallye-Bolide Sport quattro S1 zu Stande. Das war in den 80ern geradezu irrwitzig. Und doch holt LCE aus dem Turbo-Fünfzylinder nochmals mehr als doppelt so viel Leistung heraus! Brutale 1.081 PS bei 6.890 U/min und ein maximales Drehmoment von 1.018 Nm bei 6.240 Touren weist das Leistungsdiagramm angesichts eines maximalen Ladedrucks von 3,4 bar aus. Das fahrfertige Gesamtgewicht der Sport quattro-Replika liegt auf der anderen Seite bei 1.060 Kilogramm, sodass das Leistungsgewicht die sagenumwobene Schallmauer von 1 kg/PS sogar leicht unterbietet – blanker Wahnsinn!

Vom Audi RS 2 stammt das mittels eines CAE-Shifters bediente 6-Gang-Schaltgetriebe des LCE-Sport quattros. Während die Gänge eins bis fünf die Standard-Übersetzung behielten und somit eine enge Abstufung ohne erheblichen Ladedruck-Abfall bieten, wurde der sechste Gang verlängert. Die theoretische Höchstgeschwindigkeit beträgt mehr als 330 km/h. Ausprobiert hat das aber nie jemand – für solche Highspeed-Aktionen ist der LCE-Sport quattro einfach nicht gemacht. Vielmehr dient die lange Welle als „Reisegang“ für ein niedrigeres Drehzahlniveau während Autobahnetappen. An das Turbo-Monster unter der Motorhaube angebunden wurde das Getriebe mittels einer belastbaren 2-Scheiben-Sintermetall-Kupplung aus dem Hause Sachs. Während es sich bei der Kardanwelle um ein originales (!) Sport quattro-S1-Teil handelt, stammen die mit verstärkten Gelenken für ihren Einsatz vorbereiteten Antriebswellen ebenso vom S2 Coupé wie die kompletten Achsen.

BBS-Magnesium-Felgen mit Semislicks

An deren Enden verschraubten die LCE-Techniker rundum 10×18-zöllige BBS E28-Rennsportfelgen. Kenner wissen: Deren goldenen Y-Speichen-Sterne bestehen aus einer leichten Magnesium-Legierung. Bezogen wurden die dank ihrer Einpresstiefe von -07 weit nach außen gerückten Räder mit ein Maximum an mechanischem Grip aufbauenden Toyo Proxes R888R-Semislicks der Dimension 255/35R18.

Ihre Aufgabe erfüllen können die Semis allerdings nur solange, wie sie auch Bodenkontakt haben. Um diesen Zustand möglichst dauerhaft herzustellen – auch im harten Rallye-Betrieb – konstrierte man für den Allradler ein auf KW-Technik basierendes Gewindefahrwerk mit in Zug- und Druckstufe justierbarer Dämpfung. Die Stabilisatoren entsprechen der damaligen Gruppe B-Technik und die Dreieckslenker fertigte LCE nach Sport quattro S1-Vorbild an.

Um das rote Geschoss auch aus hohen Geschwindigkeiten jederzeit sicher wieder abfangen zu können, setzt LCE auf Porsche-Bremstechnik: Die VA-Bremsanlagen stammen vom 996 GT3 RS und setzen sich aus roten 6-Kolben-Sätteln und gelochten 365×34-Millimeter-Scheiben zusammen. Hinten genügen die 1-Kolben-Sättel des Audi S2 in Verbindung mit gelochten 310er Scheiben.

Carbon-Cockpit

Sportlich, aber nicht spartanisch präsentiert sich das Cockpit des kurzen Quattros. Inmitten einer in Wagenfarbe lackierten Einschweißzelle platzierte LCE zwei Recaro SPG-Vollschalensitze mit roten Sandtler-Gurten. Durch das tief geschüsselte Sportlenkrad blickt der Pilot auf die stilvolle Kombination analoger und digitaler Stack-Instrumente, welche in ein komplett aus Carbon gefertigtes, klarlackiertes Carbon-Armaturenbrett integriert wurden. Ebenso aus Carbon bestehen die Türverkleidungen. Auf der Beifahrerseits signierte übrigens jemand den LCE-Sport quattro, dessen Unterschrift dem Fahrzeug geradezu einen Adelstitel verleiht: Walter Röhrl, seinerzeit Chef-Dompteur aller Quattros.

Weitere Informationen gibt es bei:

Lake Constance Engineering GmbH
Zeppelinstraße 6
88677 Markdorf

Telefon: 07544 / 9626921
E-Mail: info@lce-performance.de

www.lce-performance.de

 

Technical Facts

Audi Sport quattro

Baujahr: 1985 (Basisfahrzeug)

Motor: Fünfzylinder-Reihenmotor, Motorblock vom Audi A6 2.5 TDI (modifiziert), 92,8-mm-Kurbelwelle von südafrikanischem VW T4 Diesel-Bus, beschichtete Schmiedekolben (Sonderanfertigung), H-Schaft-Pleuel (Sonderanfertigung), 22-mm-Kolbenbolzen, Dreistofflager, Ölpumpe optimiert, geändertes Schwallsystem, modifizierter Audi S2-Zylinderkopf (mechanisch), 288/276-Grad-Nockenwellen (Eigenbau), verstellbare Nockenwellenräder, Inconel-Ventile, Schrick-Ventilfedern und -Federteller, 2 Bosch 044-Benzinpumpen, Benzin-Catch Tank, Injector Dynamics-1600cc-Einspritzdüsen, TTE-Fächerkrümmer, TTE-Stoßaufladungskrümmer, TTE 1200-Turbolader, Audi RS 2-Wastegate, 3,5-Zoll-Abgasanlage (Sonderanfertigung) ab Turbolader, frei programmierbares VEMS-Steuergerät

Hubraum: 2,5 Liter

Leistung: 795 kW / 1081 PS bei 6.890 U/min

max. Drehmoment: 1.018 Nm bei 6.240 U/min

Kraftübertragung: 6-Gang-Schaltgetriebe vom Audi RS 2 mit CAE-Shifter, 6. Gang verlängert, Sachs-2-Scheiben-Sintermetall-Kupplung, originale Sport quattro-S1-Kardanwelle, Audi S2-Antriebswellen mit verstärkten Gelenken, Audi S2-Achsen

Fahrwerk: modifiziertes KW-Fahrwerk (Zug- und Druckstufendämpfung einstellbar), Gruppe B-Stabilisatoren, Sport quattro S1-Dreieckslenker (Nachbauten), geänderte Achsgeometrie

Rad/Reifen: BBS E28-Rennsportfelgen in 10×18 Zoll ET-07, Toyo Proxes R888R-Semislicks in 255/35R18

Karosserie: Basis Audi Typ 85 (320 mm gekürzt), Vollcarbon (Dach, Stoßstangen, Motorhaube, Seitenteile, Kotflügel etc.)

Bremsen: VA Porsche 996 GT3 RS-Bremsanlagen mit 6-Kolben-Sätten und 365×34-mm-Scheiben, HA 1-Kolben-Sättel mit gelochten 310-mm-Scheiben

Innenraum: Sicherzeitszelle, Recaro SPG-Vollschalensitze, Carbon-Türverkleidungen, Carbon-Armaturenbrett, Stack-Armaturen, geschüsseltes Sportlenkrad

Gewicht: 1.060 kg

Fotos: LCE / K. Moll