Mehr als 1.000 PS im wilden Kampfstier

Lamborghini Huracán LP610-4 Coupé von Sheepey Built

Lamborghini Huracán LP610-4 Coupé von Sheepey Built

Lange Zeit galt die Markte als schier unüberwindbar, doch im Jahr 2005 wurde sie mit dem Bugatti Veyron mit seinem beeindruckenden, vierfach aufgeladenen W16-Kraftwerk erstmals öffentlichkeitswirksam überboten: die 1.000-PS-Hürde. Seitdem sind etwa 13 Jahre vergangen und mittlerweile haben die 1.000 PS in manchen Kreisen längst ihre Einzigartigkeit verloren: Nicht nur im Bereich der Serienfahrzeuge bewegten sich zuletzt einige (Kleinserien-)Hersteller teilweise im Bereich bis an die 2.000 PS, sondern vor allem in der Performance-Tuning-Szene. Ein hervorragendes Beispiel dafür stellt etwa der hier vorgestellte Lamborghini Huracán dar.

Dabei unterscheidet sich das italienische Mittelmotor-Sportcoupé aus den meisten Blickwinkeln gesehen optisch kaum vom Serienmodell. Demzufolge präsentiert es sich, auch dank der unschuldig weißen Lackierung, fast schon harmlos – zumindest soweit man dies überhaupt von einem Huracán behaupten kann. Wer das Heck des Lamborghinis erblickt, erahnt jedoch, dass das Team von Sheepey Built aus dem südkalifornischen Murrieta, gelegen zwischen LA und San Diego, hier anlässlich der letztjährigen Ausgabe der SEMA Show ein wahres Monster auf die Räder gestellt haben.

Biturbo-Aufladung für den V10

Selbst beim besten Willen nicht zu übersehen ist nämlich, dass die komplette Heckschürze kurzerhand entfernt wurde. Somit hat der Betrachter freien Blick auf die eigentlich dahinter befindliche Technik. Dabei wird zweifellos klar, dass der 5,2 Liter große V10 im Heck ein mächtiges Upgrade erhalten hat. Unterhalb der Rückleuchten sitze zwei große Luftfilter, an die sich dicke Rohre anschließen. Sie dienen der Versorgung der beiden üppig dimensionierten Xona Rotor-Turbolader mit Ladeluft. Diese Lader stellen offensichtlich die Herzstücke der Leistungssteigerung dar und arbeiten im Zusammenspiel mit zwei Wastegate- und zwei Blow-off-Ventilen, die allesamt von Turbosmart stammen und helfen den Ladedruck zu regulieren. Zur Abgas-Entsorgung besitzt der Huracán vier mittig im Heck endenden Rohre: zwei dicke, durch die Verbrennungsüberreste auf herkömmlichem Weg freigesetzt werden und zwei dünnere, die dem Ablassen der über die Wastegates an den Turboladern vorbeigeleiteten Abgase dienen. Damit die Ladeluft jederzeit richtig temperiert bleibt, besitzt der Lamborghini zwei Luft-Wasser-Ladeluftkühler der Spezialisten von CSF Radiators, die hinter der vorderen Schürze montiert sind. Selbiges gilt für den zugehörigen Wassertank, der unter der Fronthaube sitzt, und die beiden Motorkühler aus selbigem Hause. Gemanagt wird das System durch ein Syvecs-Steuergerät, das eine spezielle Abstimmung erhielt. Das Ergebnis des umfassenden Motor-Tunings sind 844 PS bei Nutzung von 91-oktanigem Benzin. sowie sogar mehr als 1.000 PS bei Verwendung von hochoktanigem Rennkraftstoff – gemessen wohlgemerkt jeweils am Rad! Die bei uns übliche, am Motor gemessene Power liegt demzufolge nochmals um etwa 15 Prozent darüber.

Optimiertes Fahrwerk

Weitaus geringer als die Anpassungen des Triebwerks fallen die Änderungen der übrigen technischen Komponenten aus. Sheepey Built installierte lediglich ein bei KW gefertigtes Novitec-Gewindefahrwerk, das nicht nur der Fahrdynamik zugute kommt, sondern den flachen Lambo noch näher an den Asphalt bringt. Hinsichtlich der Bremsen, war bereits ab Werk die äußerst standfeste, optionale Carbon-Keramik-Anlage mit Sechs-Kolben-Sätteln auf 380-Millimeter-Scheiben an der Vorder- und Vier-Kolben-Sätteln auf 356-Millimeter-Scheiben an Bord. Daher erachteten die Kalifornier es nicht für nötig, hier eine Modifikation vorzunehmen.

Carbonparts und 20-Zöller

Wie bereits eingangs angedeutet, tritt das Sportcoupé optisch ausgesprochen zurückhaltend auf. Einzige Neuerungen sind einige Carbon-Anbauteile, die von RSC Tuning stammen: eine Frontlippe, Ansätze für die Seitenschweller sowie eine dezente Spoilerlippe am Heck. Hinzu kommt ein Rotiform SFO-Radsatz: Die dreiteiligen Schmiedefelgen besitzen ein graues Finish sowie die riesigen Dimensionen 10×20 Zoll am Bug sowie sogar 12,5×20 Zoll an der hinteren Achse. Die aufgezogenen Hochleistungsreifen messen 255/30 ZR20 und 335/25 ZR20. Beim Blick in den Innenraum sieht man zu guter Letzt schnell, dass es nichts zu sehen gibt – er verbleib im Serienzustand. Dies ist jedoch nicht weiter schlimm, liegt der Fokus hier doch zweifellos auf der Performance und dem Spaß und nicht auf der Optik. Und so haben die Jungs von Sheepey Built tatsächlich eine beeindrucken Fahrmaschine auf die Räder gestellt – und das, obwohl sie eigentlich im Bereich des Tunings von asiatischen Sportwagen von beispielsweise Mitsubishi, Honda oder Toyota unterwegs sind. Demzufolge stellen das Tagesgeschäft etwa Civics und Evos dar, sodass der Start des ersten Huracán-Projekts zunächst einiges an Überwindung gekostet hat: „Die größte mentale Hürde war der Preis des Fahrzeugs und, was ich mit ihm machen würde“, sagte Alex Soto, der Gründer und Inhaber von Sheepey. Doch ganz offensichtlich wurden diese Skrupel erfolgreich überwunden – und der Umbau ist noch nicht beendet: Für die vergangenen Monaten seit der SEMA Show planten die Kalifornier einen weiteren Umbau des Triebwerks und der Kraftübertragung um auf schier unglaubliche 1.500 PS am Rad zu kommen. Und ganz nebenbei dürfte es auch zur Montage einer passenden Heckschürze gekommen sein.

Fazit: Mit diesem beeindruckenden Huracán beweist Sheepey Built, dass ein aufsehenerregendes Fahrzeug auf der SEMA Show nicht zwangsläufig eine auffällige Optik braucht. Während der Lamborghini in dieser Hinsicht – mit Ausnahme des Fehlens seiner Heckschürze und der 20-Zoll-Rotiform-Felgen – beinahe serienmäßig auftritt begeistert er mit dem doppelt turboaufgeladenen V10-Triebwerk umso mehr. Bei weit über 1.000 PS bleiben selbst beim anspruchsvollsten Performance- und Speed-Junkie keine Wünsche mehr offen.

Voting: *****

Lamborghini Huracán LP610-4 Coupé

Motor: V10-Ottomotor, zwei Xona Rotor-Turbolader mit TiAL V-band-Einlass- und Abgas-Gehäusen (1.03A/R), zwei 45-mm-Turbosmart Hyper-Gate45-Wastegate-Ventile, zwei 50-mm-Turbosmart-Race-Port-Blow-off-Ventile, zwei CSF Ultimate-Boost-Luft-Wasser-Ladeluftkühlernetze, zwei Custom-CSF-Kühler hinter der Frontschürze, Syvecs-Motorsteuergerät

Hubraum: 5.204 ccm

Leistung: 844 PS am Rad mit 91-oktanigen Kraftstoff, über 1.000 PS am Rad mit VP Racing Motorsport 109-Rennkraftstoff (MS109)

Kraftübertragung: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe

Fahrwerk: Novitec-Gewindefahrwerk von KW

Rad/Reifen: dreiteilige Rotiform SFO-Schmiederäder in 10×20 und 12,5×20 Zoll mit Bereifung in 255/30 ZR20 und 335/25 ZR20

Bremsen: werkseitige Bremsanlage mit VA 6-Kolben-Sätteln auf 380-mm-Carbon-Keramik-Scheiben und HA 4-Kolben-Sätteln auf 356-mm-Carbon-Keramik-Scheiben

Karosserie: Frontspoilerlippe sowie Seitenschweller-Ansätze und Heckspoilerlippe aus Carbon von RSC Tuning, Heckschürze entfernt

Fotos: Larry Chen