Jubiläum: 50 Jahre C 111-II

Ein halbes Jahrhundert C 111-II: Das Wankel-Experimentalfahrzeug und Diesel-Rekordauto wird 50!

Die Umstände sind hinlänglich bekannt: In diesem Jahr konnte der Genfer Automobilsalon aufgrund der Corona-Epidemie, welche die Welt gerade in ihrem Würgegriff hält, nicht stattfinden. Vor einem halben Jahrhundert jedoch, genauer gesagt auf der 40. Ausgabe der traditionsreichen Messe im März 1970, da feierte am Lac Léman ein ganz besonderes Experimentalfahrzeug seine Weltpremiere: der bis heute faszinierende Mercedes-Benz C 111-II. Damit zeigte Mercedes-Benz – nach dem ein halbes Jahr zuvor auf der IAA in Frankfurt am Main vorgestellten Ur-C 111 – die zweite Entwicklungsstufe dieser im späteren Verlauf insgesamt vier Modelle umfassenden Sportwagen-Baureihe.

Futuristische GFK-Karosserie

Optisch präsentierte sich der von Bruno Sacco und Josef Gallitzendörfer designte Flügeltürer noch dynamischer gezeichnet als sein Vorgänger – und das ist keine pure Show: Gegenüber dem C 111-I ergaben Windkanalmessungen seiner aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) gefertigten Karosserie einen um acht Prozent verminderten Luftwiderstand. Darüber hinaus verbessert sich gegenüber dem Vorgänger die Sicht des Fahrers durch Veränderungen an Kotflügeln, Dach und Heckdeckel. In diesem Zusammenhang: Das Experimentalfahrzeug brachte sogar eine erstaunliche „Alltagstauglichkeit“ mit. So bot es beispielsweise Platz für einen großen und zwei kleine Koffer des passenden Mercedes-Benz-Koffersatzes.

Vierscheiben-Wankel mit 350 PS

Technisch diente der C 111 in der Hauptsache als Entwicklungsträger des Rotationskolbenmotors, besser bekannt als Wankelmotor. Wurde der C 111-I noch von einem Dreischeiben-Wankel angetrieben, kreisten im M 950 F-Aggregat des C 111-II schon vier Rotoren mit jeweils 602 Kubikzentimetern Kammervolumen. Unterm Strich stehen 350 PS, die für bis zu 300 km/h ausreichen.  Eine Anekdote, welche die Praxisnähe der damaligen Fahrzeugentwicklung unterstreicht, ist die sogenannte „Butterprobe“, welcher Rudolf Uhlenhaut, der damalige Leiter der Mercedes-Benz-Personenwagen-Entwicklung, den C 111-II unterzog. Dabei ließ er prüfen, ob ein Päckchen Butter im Kofferraum – trotz dessen Isolierung gegen die Wärme des Verbrennungsantriebs – schmelzen würde. Das Ergebnis dieses Testes ist uns nicht überliefert, wir vermuten aber: Es schmolz nicht.

V8- und Diesel-Umrüstungen

Im späteren Verlauf, nachdem man die Wankel-Technik – Berichten nach aufgrund Problemen mit ihrer Standfestigkeit und Lebensdauer – zu den Akten gelegt hatte, wurde eines der fünf geplanten C 111-II-Exemplare, deren Verkauf Mercedes-Benz trotz des Empfangs von Blankoschecks stets ablehnte, mit einem 3,5-Liter-V8-Motor ausgerüstet. Ein anderes Einzelstück der Mercedes-Benz-Versuchsfahrzeugsammlung ist ein C 111-II, dessen Bodengruppe – im Unterschied zu seinen Brüdern mit Stahlblech-Rahmenbodenanlage – aus einem Sandwich aus zwei nur wenige Millimeter dicken, glasfaserverstärkten Kunstharzschalen, die mit einer Polyurethan-Ausschäumung zu einem Kernverbund verschweißt sind, besteht.

Weltrekord über 10.000 km

Vor dem Hintergrund der Ölkrise rüstete man einen C 111-II später sogar mit einem Dieselmotor aus. Der 3,0 Liter große OM 617-Fünfzylinder-Turbodiesel erreichte im Selbstzünder-C 111-II zwar „nur“ 190 PS, das reicht aber, um am 12. Juni 1976 auf der italienischen Hochgeschwindigkeitsteststrecke Pista di Nardò alle bis dahin geltenden Geschwindigkeits- und Beschleunigungsrekorde für Dieselmotoren zu brechen. Unter den 16 aufgestellten Rekorden war unter anderem auch der Weltrekord über die 10.000-Kilometer-Distanz mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 252,25 km/h!

Ausgestellt im Mercedes-Benz-Museum

Live zu sehen ist ein C 111-II in der charakteristischen Lackierung „Weißherbst“ heutzutage übrigens im Mercedes-Benz-Museum im Ausstellungsbereich „Faszination Technik“. Wir empfehlen, der Museum einmal einen Besuch abzustatten, sobald die „Corona-Lage“ dies wieder zulässt!