Gordon Murray T.50

Gordon Murray T.50

Analoges Hypercar als Erbe des McLaren F1

Während der Name Gordon Murray in der jüngeren Motorsport-Geschichte kaum eine Rolle spielte, dürften die älteren Rennsport-Fans unter uns sowie Insider der Formel 1-Historie bei seiner Erwähnung aufhorchen. Der heute 74-jährige Ingenieur war in den 1970er und 1980er Jahren ein gefragter Rennwagen-Konstrukteur in der Königsklasse des Motorsports und zeichnete insbesondere für erfolgreiche Brabham-Monoposto mit teilweise innovativen Technologien verantwortlich, welche mehrfach den Formel 1-Titel gewannen: Mit dem von Cosworth-Motoren angetriebenen BT49 siegte Neslon Piquet bei der WM 1981 und zwei Jahre später sicherte sich der Brasilianer im BT52 mit BMW-Turbomotor abermals den WM-Titel. 1986 ging Gordon Murray zu McLaren und entwickelte im Anschluss seiner Arbeit für die dortige Formel 1-Abteilung ab 1989 als Design-Chef von McLaren Automotive den legendären F1, den mit 370 km/h und 627 PS deutlich schnellsten und stärksten Supersportwagen seiner Zeit. Bis heute gilt der von 1993 bis 1997 genau 106-mal gebaute F1, welcher sich durch sein einzigartiges Dreisitzer-Konzept und seine bis dato ungekannte Karosseriefertigung in Monocoque-Bauweise aus Carbon auszeichnete, als schnellstes Serienauto weltweit, das durch einen Saugmotor angetrieben wird.

Bis hierher sprachen wir vom Ruhm lange vergangener Zeiten. Doch: Der alte Haudegen kann es nicht lassen! Vor wenigen Tagen enthüllte Gordon Murray – mittlerweile unter seinem eigenen Label Gordon Murray Automotive als Fahrzeugkonstrukteur und -hersteller aktiv – als Weltpremiere seinen T.50, den nach eigenem Bekunden puristischsten, leichtesten und „Fahrer-fokussiertesten“ Supersportwagen der Welt.

30 years later

Wer den T.50 sowie dessen technischen Spezifikationen betrachtet, der fühlt sich unweigerlich an den McLaren F1 erinnert. Und tatsächlich versteht Gordon Murray den T.50 nach eigenem Bekunden als Evolution seiner McLaren F1-Konstruktion: „Nur 100 Kunden werden meine Vision dieses Autos teilen, das entwickelt wurde, um das McLaren F1-Konzept auf jede erdenkliche Weise zu verbessern. Nach 30 Jahren technologischer (…) Weiterentwicklung ist es jetzt an der Zeit, die größtmögliche, analoge Fahrmaschine zu entwerfen. Ich glaube, kein anderes Unternehmen könnte das liefern, was wir 2022 auf den Markt bringen werden. Die Produktion dieses britischen Supersportwagens wird mein stolzester Moment sein.“

400-Millimeter-Lüfter für herausragende Aerodynamik

Auch das neue Hypercar weist – wie sein Vorfahr im Geiste vor drei Jahrzehnten – ein dreisitziges Sitzkonzept mit prominent nach vorne in die Fahrzeugmitte versetztem Piloten, einen bärenstarken V12-Saugmotor sowie ein von seinen innovativen Aerodynamik-Features dominiertes Design auf. Wer nun allerdings an große Flügel, Schürzen und ähnliche Luftleitelemente denkt, der liegt falsch: Das optische Design des T.50, welcher über die fortschrittlichste und effektivste Aerodynamik verfügen soll, die ein Straßenauto jemals aufwies, fällt vielmehr puristisch und ziemlich „glatt“ aus. Und dennoch: Der T.50 verfügt über sechs Aero-Modi (Auto / High Downforce / Streamline / Braking / Test / V-Max Boost), welche durch aktive und interaktive, lüftergestützte Aerodynamik generiert werden und das „natürliche“ Fahrerlebnis noch weiter unterstreichen sollen. Kernelement der aktiven Aerodynamik ist ein leistungsstarker 400-Millimeter-Lüfter im Heck des Sportwagens, welcher dessen Ground-Effekt – eine Feature welches bereits Murrays 1970er/1980er-Jahre-Rennwagen zum Erfolg verhalf – signifikant verstärkt: Im Zusammenspiel mit den aktiven Heckspoilern und Diffusoren trägt der Lüfter dazu bei, den Abtrieb um bis zu 50 Prozent zu erhöhen, im Bremsmodus sogar um bis zu 100 Prozent. Gleichzeitig soll der Lüfter den Luftwiderstand des T.50 um bis zu 12,5 Prozent reduzieren, nach dem Prinzip der Stauluftinduktion die Leistung des Fahrzeugs um ca. 50 PS steigern und den Bremsweg aus 240 km/h bis zum Stillstand um rund 10 Meter verkürzen können – das klingt geradezu unglaublich.

Sauger-V12 dreht bis zu 12.100 U/min

Apropos unglaublich: Während die avisierten 663 PS des 3,9-Liter-V12-Motors, bei welchem es sich um eine 100-prozentige Cosworth/GMA-Maßangefertigung handelt, zwar üppig sind, aber heutzutage niemanden mehr wirklich aus dem Sessel hauen, sieht das beim Blick auf das Drehzahlband anders aus: Bis zu 12.100 U/min soll der nur 178 kg leichte Zwölfzylinder erreichen, welcher damit gleichzeitig der höchstdrehende Motor aller bisher dagewesenen Straßenautos und der leichteste Straßen-V12 der Welt sein wird. Die höchste Leistung wird bei 11.000 U/min erreicht, das maximale Drehmoment von 467 Nm liegt bei 9.000 Touren an. Ebenfalls superleicht: Das 6-Gang-Schaltgetriebe von Xtrac mit klassischer H-Kulisse (80,5 kg).
Insgesamt soll der T.50, dessen Monocoque und Hülle natürlich weitestgehend aus Carbon bestehen, fahrbereit unter einer Tonne wiegen: 986 Kilogramm sind versprochen, womit der T.50 beispielweise rund 40 Prozent (!) leichter wäre als das brandneue Ferrari-Hypercar SF90 Stradale. Damit schlägt der T.50 sogar den mit einer Systemleistung von 1.000 PS angegebenen Hybrid-Ferrari in puncto Leistungsgewicht: 1,49 kg/PS gegenüber 1,57 kg/PS.

Ultimatives Fahrerlebnis

Doch Spitzenleistungen oder -geschwindigkeiten sind gar nicht die Ziele des T.50-Projekts. Dieses setzt vielmehr das ultimative Fahrerlebnis in den Fokus. Herausragendes Merkmal des T.50 soll demgemäß das ungestörte Band zwischen Fahrer und Fahrzeug, die analoge Vereinigung von Mensch und Maschine sein. In in dieser Hinsicht legt Murray die Latte gleich ganz nach oben: „Von der ersten Berührung des Titan-Gaspedals bis hin zum V12, der mit 12.100 U/min schreit, wird das Fahrerlebnis jeden jemals gebauten Supersportwagen übertreffen. Kein anderes Straßenauto kann das Paket aus Kraft, unverzüglicher Reaktion (auf Fahrerbefehle) und Fahrerfeedback so direkt und zielgerichtet liefern und dabei trotzdem komfortabel und alltagstauglich bleiben.“

 

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Alltagstauglicher Kampfjet

Um letzterem Aspekt Rechnung zu tragen, gibt es einen nutzbaren Gepäckraum von immerhin 288 Litern und die drei Sitzplätze sollen Erwachsenen bequem Platz bieten. Das kanzelartige Cockpit-Design mit analogen Instrumenten erinnert unweigerlich an einen Kampfjet: Die Bedienelemente sind um den in seinem Pilotensitz verzurrten Fahrer herum arrangiert.
Übrigens: Gordon Murray legte bereits bei der Planung und Konstruktion des T.50 Wert darauf, bei allen wichtigen Komponenten – vom rekordverdächtigen V12 über das Leichtbau-Getriebe bis hin zum Titan-Gaspedal – ausschließlich mit britischen Zulieferern zusammenzuarbeiten. Schließlich soll der bahnbrechende T.50 mit Fug und Recht als (rein) britischer Sportwagen bezeichnet werden dürfen.

Der Preis: 2,6 Millionen Euro – inklusive Audienz beim Meister

Die Fertigung des auf 100 Exemplare limitierten T.50 soll im Januar 2022 beginnen, das Preisschild beziffert Gordon Murray Automotive mit gut 2,6 Millionen Euro – zuzüglich Mehrwertsteuer. In dieser stolzen Summe enthalten ist nicht nur eine auf den späteren Fahrer personalisierte Sitz-, Lenkrad- und Gaspedalanpassung, sondern auch eine ausführliche Einführung in die Technik des T.50 – vorgenommen durch Gordon Murray himself.

Wir finden: ein würdiger Erbe des McLaren F1!