Altes Modell. Originalteile.

Mercedes-Benz 500 SLC Rallye-Version von SLC RACING

Mercedes-Benz 500 SLC Rallye-Version von SLC RACING

Die Reise war lang gewesen. Am frühen Morgen hatte ich in Düsseldorf ein Flugzeug Richtung Prag bestiegen. Unmittelbar nach der Landung in der Tschechischen Republik ging es dann mit einer kleinen Propellermaschine weiter ins polnische Krakau, von wo aus eine zweistündige Autofahrt durch Schnee und Eis nach Námestovo im Norden der Slowakei führte. Ich folgte einer Einladung des Unternehmens SLC RACING, welches sich auf den Aufbau von Rallye- und Rundstreckenrennwagen auf Mercedes-Benz SLC C107-Basis spezialisiert hat und der Mercedes Tuner-Redaktion nicht nur Einblicke in die Konstruktion der Rennfahrzeuge gewähren sondern auch ausführliche Testfahrten mit der Rallye-Version des 500 SLC ermöglichen wollte.

Internationale Historie

Zeit also hatte ich unterwegs genug gehabt, mich noch einmal in die Rallye-Historie des Hauses Mercedes-Benz einzulesen. Nachdem das Motorsport-Engagement der Marke beinahe 20 Jahre lang geruht hatte, stiegen die Schwaben 1978 mit dem ein Jahr zuvor auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main präsentierten C107-Topmodell, dem 450 SLC 5.0, offiziell in die Rallye-Weltmeisterschaft ein. Bereits zuvor hatte der für einen Rennwagen eigentlich recht große und schwere SLC einige Male für Aufsehen gesorgt. So unterbot beispielsweise Dieter Glemser im Herbst 1973 mit einem 450 SLC-Rundstrecken-Prototypen beinahe beiläufig den seinerzeit gültigen Rundenrekord für Tourenwagen auf der legendären Nürburgring-Nordschleife und auch die damals noch junge Firma AMG aus Affalterbach konnte mit ihren ohne Werksunterstützung aufgebauten 450 SLC-Rennwagen der Gruppe 5 beachtliche Erfolge bei Langstrecken-Rennen einfahren.

Das Werk jedoch konzentrierte sich auf den internationalen Rallye-Sport. Unter der Leitung des Sportchefs Erich „Wax’l“ Waxenberger konnten die Werks-450 SLC 5.0 neben der mehr als 28.000 Kilometer langen Südamerika-Rallye Vuelta á la America Sud auch die durch die Elfenbeinküste führende Bandana Rallye gewinnen und bei der East Africa Safari einen zweiten Platz erkämpfen. Auch bei der Akropolis-Rallye, der Rallye-Codasur und der Neuseelandrallye waren Werks-Coupés am Start. Gelenkt wurden die Rennwagen von so klangvollen Namen wie Timo Mäkinen, Jean Todt, Björn Waldegaard sowie Hannu Mikkola.

Reviving the history of SLC Racing

Und ein solches Auto – jedenfalls den originalgetreuen Nachbau davon – sollte ich nun bewegen. Hier. Im Schnee. Nachdem ich nämlich am Nachmittag meinen Bestimmungsort erreicht hatte und durch das Schneegestöber das Firmengelände von SLC RACING erblickte, frage ich mich zunächst, ob ich zwar am richtigen Ort, möglicherweise aber zur völlig falschen Zeit angekommen war. Bereits zu Fuß tat man sich auf dem rutschigen Untergrund schwer. Und weder Fuß- noch Reifenspuren störten die „perfekte“ Schneedecke. Dazu eine vollkommene Lautlosigkeit, in der man fast die Flocken fallen hören konnte. Doch dann zerriss das Aufbrüllen eines hubraumstarken V8-Motors die Stille. Also doch! Von einer Sekunde auf die nächste ließ ein Adrenalinschub meine respektvolle Zurückhaltung in erregte Anspannung umschlagen. Doch zunächst zu den Fakten.

SLC RACING hat es sich zur Kernaufgabe gemacht, die Geschichte des Mercedes-Benz SLC-Rennsports neu aufleben zu lassen. Dazu bietet das Unternehmen unter der Leitung von Lieven Demets den Aufbau von Rallye-Fahrzeugen an, die wahlweise käuflich erworben oder auch für Einsätze gechartert werden können. Optional offeriert SLC Racing darüber hinaus technische Unterstützung bis hin zur Full-Service-Betreuung bei nationalen und internationalen Asphalt-, Schotter- und Wüstenrallyes. Von SLC RACING eingesetzte Fahrzeuge haben dabei bereits mehrfach beachtliche Ergebnisse erzielen können. Drittes Standbein ist der Aufbau von Rundstrecken-Rennwagen – selbstverständlich ebenfalls auf SLC-Basis.

Pure Renntechnik

Die Basisfahrzeuge beschafft SLR Racing aus ganz Europa – um sie gleich danach in alle Einzelteile zu zerlegen. Keine Schraubverbindung bleibt ungelöst, denn schließlich handelt es sich hier nicht nur um eine „Optimierung“ der Coupés, sondern um den Neuaufbau reinrassiger Rennwagen. Dazu hat SLC RACING ein einmaliges Ass im Ärmel: Das Unternehmen erwarb eine große Menge übrig gebliebener Ersatzteile des ehemaligen Werksteams und nutzt diese nun für den Aufbau neuer Fahrzeuge, so dass das Prädikat „originalgetreu“ für die in der Slowakei aufgebauten Rennwagen wirklich zutreffend ist. Nicht mehr vorhandene Bauteile werden entsprechend den Originalteilen nachgebaut.

Angetrieben werden die 500 SLC-Rallye-Fahrzeuge von M117 E 50-V8-Motoren, die aus 4.973 Kubikzentimetern gut 300 PS und rund 430 Nm Drehmoment schöpfen. An die Hinterachse gelangt die Kraft – wie damals – mittels einer 3-Gang-Wandlerautomatik (Übersetzungsstufen 2.31, 1.46, 1.0). Ein 75-Prozent-Sperrdifferenzial (Übersetzung 4.08) soll die Traktion verbessern. Die hochbelastbaren Stoßdämpfer stammen von Bilstein. Die Bremsscheiben durchmessen rundum 300 Millimeter, werden vorn von Alcon-4-Kolben-Sätteln, hinten von Alcon-2-Kolben-Sätteln in die Zange genommen. Bei der Einleitung kontrollierter Drifts hilft die hydraulische Handbremse. Die Wahl der Rad/Reifen-Kombination ist natürlich von der Art des Einsatzes abhängig. Für Asphalt-Rallyes montiert SLC RACING Michelin TB5-Bereifung auf 9×15-zöllige BBS-Monoblock-Rallye-Felgen, auf Schotter erzeugen schmalere Spezial-Pneus (ebenfalls von Michelin) auf 7×15-Zoll-BBS-Felgen mehr Grip. Für die Sicherheit sind ein moderner 80-Liter-Renntank und ein verschweißter Multipoint-Überrollkäfig an Bord. Der Kaufpreis einer neu aufgebauten SLC 500 Rallye-Version beträgt 135.000 Euro.

Rallye Experience

Eine Zahl, die ich sehr genau im Hinterkopf habe, als ich mich am Vormittag des nächsten Tages – der Schneefall hatte glücklicherweise aufgehört und war durch Tauwetter abgelöst worden – vorbei am Überrollkäfig in den Schalensitz des Rallye-Coupés fädele und den letzten Instruktionen des Technikers lausche, während der mich in meinem Sitz festzurrt: „Benutze die Handbremse! Nicht ins Lenkrad greifen, sonst brechen die Speichen dir bei harten Schlägen die Daumen! Nutze das Drehmoment aus, lass die Drehzahl nicht zu stark abfallen! Aber Vorsicht wenn die Räder durchdrehen: Wir fahren ohne Drehzahlbegrenzer!“ Ich leugne nicht, etwas aufgeregt gewesen zu sein als ich in den nassen „Aufwärm-Parcours“ rollte. Die Kurvenradien sind teilweise so eng, dass der 4,75 Meter lange Mercedes eigentlich nur driftend hindurchgezirkelt werden kann. Ich verstehe. Hier ist das sensible Spiel mit Lenkad, Gaspedal und Handbremse gefragt. Das ist gar nicht so einfach, denn der Drehmomentwandler der 3-Gang-Automatik erzeugt eine erhebliche Verzögerung in Sachen Gasannahme. So sollte man schon rund eine gefühlte Sekunde bevor man den Vortrieb wirklich benötigt aufs Pedal steigen – und hoffen, dass das Timing stimmt. Die Steuerung des Boliden dagegen arbeitet erstaunlich präzise. Die Steifigkeit der Karosserie ist phänomenal, erzeugt ein äußerst verbindliches Fahrverhalten. Und: Das Auto verwöhnt seine Insassen mit etwas, dass mal regelrecht „Fahrkomfort“ nennen könnte; so manches Tuning-Sportfahrwerk rollt ungelenker ab. Das offenkundig ungedämmte V8-Gebrüll im Cockpit lässt Verständigung dafür nur mittels der bordeigenen Gegensprechanlage zu.

Am Nachmittag dann darf der 500 SLC auch noch in „freier Wildbahn“ zeigen was er kann, teils sogar auf abgetrockneten Abschnitten, und unterstreicht dabei, was für ein faszinierendes Renngerät doch unter den barocken Karosserielinien steckt.

So bin ich mir dann auch auf dem Rückweg nach Deutschland (über Krakau und Prag) sicher: Von SLC RACING werden wir sicherlich nicht zum letzten Mal gehört haben…

Noch mehr Fotos und Informationen gibt es auf www.slcracing.eu!