Alles anderes als Standard: der Okrasa-Ovali

California Look, German Style, Rat Look, Originalzustand, Baja Bugs, Military Style, Hot Rod Bugs … die Bandbreite der Käfer-Stilistik ist schier unendlich. Und trotzdem findet man immer wieder Fahrzeuge, welche sich einfach nicht in eine Schublade pressen lassen. Vor dem hier abgebildeten Ovali von Nicola Danza beispielsweise verweilte selbst ich als langjähriger – und entsprechend „abgebrühter“ – WOB Klassik-Chefredakteur eine Weile im Bemühen, die Stilistik des Autos ganzheitlich zu erfassen und einzuordnen. So richtig geklappt hat das nicht, denn der 52-jährige gebürtige Italiener aus Hofheim am Taunus, welcher als Automobildesigner in Diensten eines asiatischen Herstellers steht, hat seinem 1953er Standard-Käfer einen wirklich einzigartigen Charakter verliehen.

So wurde die Ovali-Karosse zwar grundsätzlich „seriennah“ belassen, dafür allerdings trägt sie doch hier und da Custom-Akzente, die Rad/Reifen-Kombinationen weckt sanfte Hot Rod-Assoziationen und das innen wie außen konsequent umgesetzte Grau/Schwarz-Farbschema lässt einen Hauch Military um den Käfer wehen. Dabei war Nicola, der vor dem Standard bereits ein halbes Dutzend Luftis – mit sowohl dem VW-Emblem, als auch dem Porsche-Wappen auf dem Bug – besaß, im Herbst 2013 eigentlich nur auf der Suche nach einer Karosserie für ein ganz anderes Projekt gewesen. Zufällig aber stolperte er dabei über den Standard, als der friedlich in einer Hallenecke vor sich hinschlief. Das Auto war in zwar traurigem Zustand, aber doch recht komplett. Nicola entschied sich also, diese Herausforderung anzunehmen – wohl wissend, dass da eine Mammutaufgabe an Restaurierung auf ihn zukommen würde. Bis dato sind nach Nicolas Schätzung schon mehr als 2.000 Arbeitsstunden in das Projekt geflossen: zum großen Teile eigenhändige, aber auch von Spezialisten ihres Fachs erbrachte.

 

Mehr als 500 Stunden stecken so alleine in der Vollrestaurierung der Karosserie, welche größtenteils bei und durch Kasper Customs in Bad Camberg erfolgte. Zuvor hatte sich schon bei der Trennung von Häuschen und Bodengruppe herausgestellt, dass der Käfer im Laufe seines vorherigen Lebens einmal einen schweren, aber gut versteckten Unfallschaden erlitten hatte, welcher beinahe die gesamte Beifahrerseite samt B-Säule und Dach in Mitleidenschaft gezogen hatte. Beim Neuaufbau kamen ausschließlich hochwertige Repro-Parts, beispielsweise von Wolfparts und Virtanen sowie NOS-Teile zum Einsatz, diverse Blechteile wurden darüber hinaus ebenso in Custom-Arbeit angefertigt wie verschiedene Accessoires. So handelt es sich etwa bei den Außenspiegeln um vier miteinander verbundene Hella-Suchscheinwerfergehäuse, hinten gibt es Hella-Herzchen-Rückleuchten mit getönten Eier-Rückleuchten-Gläsern. Gehüllt wurde das Ganze in neutral-kühles Jupitergrau, zu welchem Akzente in Satinschwarz kontrastieren. Und wir meinen: das Ganze! Denn Chromteile oder ähnliches trägt der Standard nicht mehr.

Satinschwarz sind so auch die Fuchs-Style-Felgen von Maxilite, welche in Handarbeit mit feinem Pinsel colorierte Nabendeckel tragen. Sie messen 4,5×15 Zoll mit Firestone F560-Reifen in 135/80R15 an der Lenk- und 6×15 Zoll mit fetten Firestone Wide Oval FR70-Gummis an der Hinterachse, sodass sich eingangs besagter Hot Rod-Look ergibt. Die satte Tieferlegung geht auf das Konto einer modifizierten, gekürzten EMPI-Vorderachse, welche mit Tieferlegungsachsschenkel und Rasterplatten kombiniert ist. Hinten sorgen verstellbare Federschwerter für Tiefgang. Rundum kommen zudem rote Koni-Stoßdämpfer zum Einsatz.
Eine aufwändige Bastelei war die Anpassung der 5×130-Bremstrommeln von CSP auf die im 1953er-Standard-Käfer angestammte Seilzugbremse, welche Nicola in dieser Form allerdings erhalten wollte.


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Ein Kapital haben wir bis hierher konsequent ausgeklammert. Genau: den Motor! Und was steckt nun im Heck des Standard-Käfers? Ein dicker Typ 4? Ein Turbo vielleicht gar? Keineswegs. Denn Nicola wollte sich einerseits das historische Fahrgefühl erhalten, andererseits aber natürlich trotzdem ein wirklich „interessantes“ und lebendiges Aggregat unter der Haube wissen. Das ist ihm zweifellos gelungen: Vor Vortrieb sorgt ein auf Basis des werksseitig installierten 25-PS-1.100ers aufgebauter Okrasa-Typ 1!

Nachdem er mit dessen Leistungsentwicklung zunächst nicht zufrieden war, wandte sich Nicola hinsichtlich der Antriebstechnik an die Jungs von Kummetat Tuning. In Gelsenkirchen drehten diese den bereits auf das Wolfsburg West-Okrasa-Style „Dual-Port“ Kit umgebauten Boxer nochmal komplett auf links: Das Motorgehäuse wurde bearbeitet, um unter anderem Platz für die 81-mm-Kolben und -Zylinder zu schaffen. Die 69,5-Millimeter-Wolfsburg West-Kurbelwelle mit passenden H-Schaft-Pleueln macht aus der Auf- und Abbewegung des gesamten Hubraums von 1.433 Kubikzentimetern eine saubere Kreisbewegung. Eine leicht schärfere Nockenwelle von Kummetat Tuning mit gerade verzahnten Antriebsrad bittet die neuen Ventile in den modifizierten Okrasa-Köpfen zum Tanz. Fahrbar ist der Motor noch mit 95 Oktan, dank des Hubraums und der Modifikationen kommt er nämlich auf eine Verdichtung von 8,99:1. Die Ventildeckel kamen von Speedwell. Für die Gemischaufbereitung kam bei Kummetat die Zweivergaseranlage von Wolfsburg West zum Einsatz, jedoch mit geänderten „Repro“-Solex 32 PBIC. Ein CSP Pacemaker verteilt die Zündfunken gleichmäßig und „termingerecht“. Einen zuverlässigen und effizienten Schmierfilm stellen das Fram-Nebenstrom-Ölsystem mit HD-Ölpumpe, ein zusätzlicher Ölsumpf und ein Aluminium-HD-Ölkühler sicher. Der von Luxclassica aus Italien hergestellte Schalldämpfer erlaubt die individuelle Montage von einem bis zu vier Endrohren.
Zwischen dem Okrasa-Motor und dem teilsynchronisierten 4-Gang-Schaltgetriebe eines späteren Ovali-Baujahrs sitzen ein stark erleichtertes Schwungrad und eine baujahrgerechte Fichtel & Sachs-Kupplung. Warum der gesamte Kurbeltrieb nochmals von Kummetat Tuning feingewuchtet wurde, darüber informiert unser Technik-Special auf den Seiten 44-47 in dieser Ausgabe. Bei Prüfstandsmessungen kamen rund 55 PS Motorleistung heraus. Allerdings dürften das alte Getriebe und die großen Hinterräder eine erhebliche Verlustleistung hervorrufen. „Rechnet man diese beiden „Störfaktoren“ heraus, sollte der Motor zwischen 60 und 65 PS schaffen“, schätzt Oliver Knuf von Kummetat Tuning.

Analog zum Exterieur wurde auch der Fahrgastraum des Standard-Käfers gestaltet: Auf den ersten Blick weitgehend original, auf den zweiten aber mit zahlreichen OEM- und Custom-Details veredelt. So ist das Armaturenbrett in Jupitergrau lackiert – mit Akzenten in Satinschwarz. So wurden beispielsweise Schalter und Knöpfe, das Lautsprecher-Gitter und sogar die Christophorus-Plakette lackiert. Experten identifizieren die zusätzlichen Schalter für die Warnblinkanlage und die so manuell in Marsch gesetzte Wischwasserpumpe. Die Sitze und Türverkleidungen wurden on den Experten der Wagenmanufaktur mit grauem Standard-Stoff meisterlich aufgearbeitet. Ebenfalls neu und grau: der Dachhimmel und die Teppiche. Dazu gibt es im Erdgeschoss neue Ovali-Gummimatten und Kokos-Fußmatten. Der Kranz des urtümlichen Käfer-Lenkrads erhielt eine neue Lackkülle in Hochglanz-Schwarz, die spindeldürren Speichen wurden aufpoliert. Vor der Kamei-Netzablage unter dem Armaturenbrett ragt der Schalthebel samt Okrasa-Schaltknauf auf. Highlight im Heck: Ein originales Käfer-Kofferst aus dem zeitgenössischen VW-Zubehör, wunderbar!

Technical Facts

VW Standard-Käfer

Baujahr: 1953

Karosserie: Häuschen vollständig restauriert von Kasper Customs (u.a. Repro-Parts von Wolfparts und Virtanen, NOS-Türen, Brezel-Fronthaube, diverse in Handarbeit angefertigte Teile, neue Heizkanäle, Hella-Suchscheinwerfer als Außenspiegel (Plexiglas 3D-Druck), Herzchen-Rückleuchten mit Eier-Rückleuchten-Gläsern (getönt), Lackierung in Jupitergrau (inkl. Tür- und Haubengriffe, Wischerarme) mit Keramikversiegelung, diverse Anbauteile und Akzente in Satinschwarz (Stoßstangen mit Flat4-Gummis, Außenspiegel, Lampenringe, Tank, Auspuffendrohre etc.

Motor: 1,4-Liter-Typ 1-Boxermotor von Kummetat Tuning, Motorgehäuse überholt und bearbeitet, modifizierte WW Okrasa-Style Zylinderköpfe, WW 69,5-mm-Kurbelwelle mit Gegengewichten, 81-mm-WW-Kolben und -Zylinder, 5,110“ H-Schaft-Pleuel, Kummetat Tuning-Spezial-Nockenwelle, gerade verzahnte Nockenwellenräder, Speedwell-Ventildeckel, Zweivergaseranlage von WW mit geänderten „Repro“-Solex 32 PBIC Vergasern und größeren Venturis, CSP Pacemaker-Zündung, Fram-Nebenstrom-Ölfiltersystem, Aluminium-HD-Ölkühler im Gebläsekasten, Luxclassica-Schalldämpfer, ca. 55 PS.

Kraftübertragung: erleichtertes Schwungrad, 180-mm-Kupplung, kompletter Kurbeltrieb feingewuchtet mit Riemenscheibe und Druckplatte, teilsynchronisiertes 4-Gang-Schaltgetriebe (ein zukünftiges Projekt für Kummetat Tuning)

Fahrwerk: VA modifizierte gekürzte EMPI-Vorderachse (2 Zoll), Tieferlegungsachsschenkel, Rasterplatten, HA verstellbare Federschwerter, VA/HA rote Koni-Stoßdämpfern

Bremsen: angepasste CSP 5×130-Bremstrommeln auf den originalen, mechanischen Seilzug-Trommelbremsen rundum

Rad/Reifen: Maxilite-Felgen im Fuchs-Style, 4,5×15 und 6×15 Zoll, lackierung in Satinschwarz, Porsche-Logos in Handarbeit coloriert, VA Firestone F560-Reifen in 135/80R15, HA Firestone Wide Oval FR70/R15-Reifen

Innenraum: Sitze und Türverkleidungen aufgearbeitet von Wagen Manufaktur mit Standard-Stoff, neue Sitzkonsolen, grauer Dachhimmel, grauer Teppich, neue Ovali-Gummimatten, Kokos-Fußmatten, Lenkrad neu lackiert und Speichen poliert, Armaturenbrett in Wagenfarbe mit Akzenten in Satinschwarz (Knöpfe, Lautsprecher-Gitter, Christophorus-Plakette), zusätzliche Schalter für Warnblinkanlage und Wischwasser, Okrasa-Schaltknauf, Kamei-Ablage, Kompass, original VW-Zubehör-Kofferset