Open-Air-Klassiker aus Zuffenhausen
Denn obwohl inzwischen auch diverse andere Automobilhersteller zwangsbeatmete Fahrzeuge mit der Typenbezeichnung „Turbo“ führen, unter dem Label „Carrera“ auch Rasierapparate sowie Modellauto-Rennstrecken verkauft werden und auch Opel zwischenzeitlich einen „Speedster“ im Modellprogramm hatte, bleiben diese Kultbegriffe für Automobilenthusiasten doch fest und unverwässert mit der Marke Porsche verbunden. Und die Schwaben wissen um dieses Kapital, pflegen ihre Historie mit behutsamer Hand und sorgen dafür, dass sie nicht in Vergessenheit gerät. Während dies bei Carrera und Turbo leicht fällt, fällt den Speedster-Modellen der verschiedenen Sportwagen-Generationen schon seit der Nachkriegsgeschichte stets eine Sonderrolle zu. Der Beginn der Speedster-Geschichte datiert auf das Jahr 1953, in dem Porsche als puristische Version des 356 Cabriolets eine Version mit gekürzter Windschutzscheibe, einem niedrigeren Verdeck, Schalensitzen sowie Steckscheiben an Stelle von Kurbelfenstern präsentierte: den 356 Speedster. Bereits in den Nachkriegsjahren setzten die Namensgeber des Fahrzeugs damit auf einen anglizistischen Neologismus, ist Speedster doch eine künstliche Verbindung der englischen Begriffe „Speed“ und „Roadster“. Rund 4.850 Speedster verschiedener Porsche 356-Versionen wurden gebaut, bevor der Speedster mit der Einführung des neuen Modells „Convertible D“ zunächst aus dem Porsche-Portfolio verschwand.
Die Renaissance
Knapp drei Jahrzehnte später jedoch besannen sich die Stuttgarter auf alte Traditionen: Nachdem man im Jahr zuvor bereits mit verschiedenen Prototypen experimentiert hatte – darunter der nach dem damaligen technischen Direktor Helmuth Bott benannte „Bott-Speedster“ mit umlaufender Plexiglasscheibe – präsentierte Porsche auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main im Spätsommer 1987 den 911 Speedster auf Basis des G-Modells. Optisch unterschied sich der Speedster vom normalen Carrera Cabriolet auf den ersten Blick durch seinen in Wagenfarbe lackierten Kunststoff-„Höcker“, unter dem sich ein ungefüttertes Notverdeck befand, sowie eine gekürzte Windschutzscheibe, deren Höhe gerade eben noch den gesetzlichen vorgeschriebenen Mindestmaßen so manchen Exportslands genügte.
Gleich nebenan stand auf der IAA darüber hinaus eine Clubsport-Version des neuen Open Air-Elfers: Statt einer Windschutzscheibe verfügte diese Studie über eine große „Kunststoff-Käseglocke“ über dem kompletten Fahrgastraum, aus der nur der Fahrer herausragte und die den Elfer praktisch zum Monoposto machte. Das Konzept des Clubsport-Speedsters aber erschien den Porsche-Entscheidern wohl selbst für eine Rennstreckenvariante zu radikal, so das diese Version nie in Serie ging – ganz im Gegensatz zum „normalen“ Speedster.
Die „schmale“ Version ist besonders selten
Von diesen nämlich wurden von Januar bis Juli 1989 insgesamt 2.104 Exemplare gebaut, der größte Teil davon (1.943 Stk.) im breiten Werks-Turbo-Look mit den charakteristischen „Backen“ des stärkeren Turbos und gerade einmal 161 Fahrzeuge mit der deutlich schmaleren Carrera-Karosserie. 230 Exemplare des breiten Speedsters sollen darüber hinaus mit dem Frontspoiler und dem charakteristischen Heckflügel des Turbos ausgeliefert worden sein. Während die breiten Turbolook-Speedster zudem mit der großen Bremsanlage (VA 282,5 mm / HA 290 mm, Vierkolben-Alu-Festsättel) des aufgeladenen Modells ausgerüstet wurden, müssen die schmalen Speedster mit der normalen Carrera-Bremse auskommen, deren Scheiben 235 Millimeter an der Vorder- und 244 Millimeter an der Hinterachse durchmessen.
Einheitlich ist hingegen die Motorisierung: Im Heck aller Speedster röhrt das luftgekühlte Boxertriebwerk des 911 Carrera, das seine 3,2 Liter Hubraum selbstverständlich auf sechs Brennkammern verteilt. In der Version ohne Katalysator schickte das Aggregat (wie im Carrera) lebendige 231 PS an die angetriebenen Hinterräder. Mit dem optionalen 3-Wege-Kat gingen dem Motor nicht nur 14 PS sondern – viel schlimmer – auch seine Spritzigkeit verloren. Im Unterschied zum 2+2-sitzigen 911 Cabriolet verzichtet der Speedster auf die Notsitze und ist somit ein echter 2-Sitzer.
Italien-Heimkehrer
Speedster-Brüder
Die unpopulärste Speedster-Variante ist dagegen wohl jene auf 964-Basis, von der Porsche zwischen Oktober 1992 und September 1994 nur 936 Stück fertigte. Die Baureihen 993 und 996 spielen für die Speedster-Historie hingegen fast keine Rolle. Warum nur fast? Vom 993 wurden von der Exclusiv Abteilung der Porsche AG immerhin zwei Speedster-Sonderanfertigungen gebaut, von denen eine Ferdinand Alexander Porsche zum 60. Geburtstag erhielt. Vom 996 gibt es keine offizielle Speedster-Version, jedoch versuchten sich einige Porsche-Tuner an der Umsetzung des Themas.
Die Speedster-Ahnenreihe
911 Speedster, 1989, 2.104 Stk.
964 Speedster, 1992-1994, 936 Stk.
997 Speedster, 2010, 356 Stk.
991 Speedster, 2019, 1.948 Stk.