Sport quattro S1-Replik mit 796 PS

Sport quattro S1-Replik mit 796 PS

Sport quattro S1-Replik mit 796 PS

„Im Prinzip bist du bei dem Auto mit dem Denken schon zu langsam“ so sagte einst einer über den Audi Sport quattro S1, der es wirklich wissen muss: Walter Röhrl. Der lange Regensburger gilt im Motorsport-Zirkus auch rund 30 Jahre nach seinem offiziellen Karriereende immer noch als Benchmark unter den Rallye-Piloten und steht als Synonym für unerreichte Fahrzeugbeherrschung.

1985 und 1986 war Walter Röhrl mit dem 450 PS starken Audi Sport quattro S1 und dessen Evolutionsstufe E2 in der wilden Gruppe B der Rallye-WM unterwegs. Obwohl „der Kurze“, wie man den gegenüber dem Standard-Audi quattro deutlich gedrungener auftretenden Sport quattro schnell taufte, bis zum einer Serie von schweren Unfällen geschuldeten Ende der Gruppe B in der FIA Rallye-WM kaum nennenswerte Erfolge einfahren konnte, ist der Allrad-Rennwagen doch bis heute eines der populärsten Rallye-Fahrzeuge aller Zeiten. Und das nicht nur in Deutschland, wie das hier abgebildete Fahrzeug unterstreicht.

Dieses nämlich stellte Marcus „Bruzze“ Bruzelius, ein 33-jähriger Autolackierer aus der schwedischen Hauptstadt Stockholm, als Reminiszenz an den legendären Gruppe B-Sport quattro S1 auf die Räder. Als Basis diente ihm dabei allerdings keines der 220 für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassenen Sport quattro-Modelle, welche Audi ab Dezember 1984 zu Stückpreisen ab 195.000 DM verkaufte, um die FIA-Homologation für die Gruppe B zu erhalten. Diese Fahrzeuge sind heute extrem rar und werden im Originalzustand zu Preisen von mehr als 400.000 Euro gehandelt.

Aus lang mach kurz

Einen solchen Kurz-quattro konnte Marcus aus damit offensichtlichen Gründen nicht auftreiben und so „bruzzelte“ er sich seinen eigenen zusammen. Das klingt an dieser Stelle zweifellos sehr viel einfacher, als es wirklich war. Denn immerhin waren Karosserie und Bodengruppe des „Kurzen“ tatsächlich 320 Millimeter kürzer als das Standard-Audi Coupé B2, welches der Schwede als Basis für seine Sport quattro-Replika hernahm.

Mit der Hilfe von Freunden und spezialisierten Karosseriebauern baute Bruzze – weitgehend aus glasfaserverstärktem Kunststoff – eine originalgetreue Replika-Karosserie mitsamt der „dicken Backen“ sowie der Spoiler, Flügel und Vergitterungen auf. Auch die vorderen Leichtbau-Türen mit Schiebefenstern sowie die Scheiben rundum (mit Ausnahme der Windschutzscheibe) bestehen aus Kunststoff. Kenner des Rallye-Sport quattros wird auch die optische Nähe des von Lackierer Bruzze ersonnenen und aufgebrachten Designs bekannt vorkommen: Der Schwede orientierte sich am klassischen „HB“-Look der Rallye-Rennwagen, ersetzte aber deren warmes Gelb durch grelles Grün. Optisch kann die Replik also mit dem Original mithalten. Aber kann sie das auch fahrdynamisch? Mehr als das!

796 PS & 883 Nm

Um die Zahlen gleich vorweg zu nehmen: Bruzzes Audi drückte 796 PS bei 6.450 U/min und ein maximales Drehmoment von 883 Nm bei 6.100 Touren in die Rollen des Leistungsprüfstands. Das beinahe doppelt soviel wie seinerzeit der originale Sport quattro S1 unter der Haube hatte. Und über dessen Katapultstart sagte Altmeister Röhrl einst: „Das ist so, als ob dir an einer roten Ampel einer mit dreißig Sachen ins Heck kracht.“

Als Quell der Kraft steckt unter der Motorhaube – und alles andere wäre im Sport quattro-Kleid auch Frevel – natürlich ein per Turbo aufgeladener Reihenfünfzylinder. Als dessen Basis wählte Bruzze den AAN-Motorblock, wie er im ab 1991 produzierten Audi S4 Turbo quattro zum Einsatz kam. Die Bohrungen des Blocks wurden um 0,5 mm auf nun 81,5 mm vergrößert, sodass die auf geschmiedete H-Schaft-Pleuel gesteckten JE-Schmiedekolben nun exakt passen. Ebenfalls um ein modifiziertes OEM-Bauteil handelt es sich beim CNC-bearbeiteten 7A-Zylinderkopf eines Audi 90 2.3 20V. Catcams-Nockenwellen mit einstellbarem Trieb zogen ebenso in das vollkommen neu aufgebaute Triebwerk ein wie Ventilfedern und Retainer aus gleichem Hause sowie neue Ventile samt -führungen und -dichtungen. Maßgeblich für den extremen Power-Output aber zeichnet natürlich der große Comp CT4X 6267-Turbolader (A/R 86) verantwortlich, der via eines Custom-Krümmers angebunden wurde. Ebenfalls sonderangefertigt wurde der im Bug platzierte Ladeluftkühler. Ein 46-mm-Wastegate bewahrt den Turbo vor zu heftigem Abgassturm, während gleich zwei Dahlbäck-Blow-Offs allzu heftigen Stauungen vor der 80-mm-Drosselklappe aus dem Hause Accufab unterbinden. Tankzelle, Benzinpumpe und Benzindruckregler stammen aus dem Hause Aeromotive, während eine Nuke Performance-Kraftstoffleiste den E85-Treibstoff auf die 1680er Racetronix-Injektoren verteilt. Wie beim historischen Original übrigens ist der gesamte Wasserkühler mitsamt zweier elektrischer Lüfter und des Ausgleichsbehälters im Fahrzeugheck unter dem riesigen Heckflügel untergebracht. Während die gesamte Elektrik neu konstruiert und der Kabelbaum nach Maß angefertigt wurde, handelt es sich bei den Zündspulen um Großserientechnik: Sie stammen von Audis weit verbreitetem 1.8T-Motor. Aus Edelstahl speziell angefertigt wurde vom Projektpartner Cemotor hingegen die 3,5 Zoll durchmessende Abgasanlage. Das Diktat über die Fünfzylinder-Hardware führt ein frei programmierbares MaxxECU-Steuergerät mit Launch Control und zwei Schnellwahl-Mappings für Track- und Straßenbetrieb. Moment … Straßenbetrieb? Richtig. Denn wer an dieser Stelle glaubt, es handele sich hier um ein rein für den Motorsport-Einsatz aufgebautes Rallye-Tool, der irrt: Bruzze benutzt seinen quattro auch im alltäglichen, öffentlichen Straßenverkehr und holt nach eigenem Bekunden auch den Nachwuchs mit dem Sport quattro aus dem Kindergarten ab – die schwedische Zulassungsbehörde hat offenbar ein Herz für Petrolheads.

Nicht in die Nähe seiner Grenzen kommen dürfte im Straßenverkehr der neu komponierte Antriebsstrang: Das manuelle 6-Gang-Schaltgetriebe vom Audi RS2 wurde mit einem Short Shift-Kit von Wisefab kombiniert und mittels einer Tilton-2-Scheiben-Keramik-Kupplung sowie eines erleichterten Schwungrad aus einem Audi Coupé S2 an den Turbomotor angebunden. Die Momentenübertragung des in einem Sport quattro selbstverständlichen Allradantriebs managt ein Torsen-Zentraldifferenzial von Quaife.

Pikes Peak-Felgen

Die 16-zölligen Leichtmetallfelgen im Look des legendären Audi Sport quattro E2 Pikes Peak, mit welchem Walter Röhrl 1987 beim „Race To The Clouds“ einen bis heute gültigen Streckenrekord für Fahrzeuge mit Frontmotor aufstellte, bezog Bruzze als Kompromiss an die Straßentauglichkeit seines quattros nicht mit Slicks, sondern mit Kumho Ecsta-Sportbereifung in 265/45R16. Hinter den Rädern warten rundum jeweils 4-Kolben-Bremssättel an 330er Bremsscheiben auf ihren Einsatz. An der Vorderachse tragen die Sättel den Porsche-Schriftzug und stammen aus einem Audi RS2. Richtig gelesen, denn der RS2 war Mitte der 1990er Jahre ein Kooperationsprojekt von Audi und Porsche und als solches werksseitig mit Porsche-Bremsen ausgerüstet.

Aufgehängt sind die Räder an einem KW Competition-Gewindefahrwerk mit Uniball-Domlagern. Dazu kommen an allen signifikanten Stellen PU-Buchsen von Powerflex oder Alu-Buchsen zum Einsatz.

Spartanisches Rallye-Cockpit

Nicht minder originalgetreu als die äußere Hülle wurde auch der Fahrgastraum gestaltet: In ihren Sparco Pro2000-Schalensitze mit 6-Punkt-Gurten verzurrt und von einer FIA-zugelassenen Einschweißzelle sicher umschlossen blicken Marcus und sein Copilot auf ein Gruppe B-Armaturenbrett mit einem ganzen Arsenal klassischer VDO-Instrumente. Verkleidungen und Dämmstoffe sucht man hier vergebens. Dafür gibt es reichlich in Wagenfarbe lackiertes Blech und Türverkleidungen aus nacktem Aluminium. Absolute Must-have sind in einer solchen Rallye-Replik natürlich der hoch aufragende Hebel der hydraulischen Flyoff-Handbremse und das tief geschüsselte Motorsport-Lenkrad. Für den Fall der Fälle sind ein Not-Aus- und ein Feuerlösch-System an Bord. Man weiß ja nie, was so passiert auf der Fahrt zum Kindergarten.

 

Specs

Audi Sport quattro S1 (Replika)

Karosserie: originalgetreu neu aufgebaute Replika-Karosserie eines Sport quattro S1 auf Basis Audi Coupé GT, Leichtbau-Türen mit Schiebefenstern, Kunststoff-Scheiben, komplette Neulackierung in Weiß mit Sponsor-Dekor im Original-Look, schwarze Vergitterungen rundum im Original-Design, schwarze Blinker vorne, Abschleppöse

Motor: Reihenfünfzylinder-Turbomotor, AAN-Motorblock (aus Audi S4 Turbo Quattro) mit Bohrungen auf 81,5 mm, H-Schaft-Pleuel, JE-Schmiedekolben, CNC-bearbeiteter 7A-Zylinderkopf (aus Audi 90 2.3 20V), Catcams-Nockenwellen sowie -Federn und -Retainer, neue Ventile, Ventilführungen und -dichtungen, einstellbarer Nockenwellenantrieb, Custom-Einlasskrümmer, Comp CT4X 6267-Turbolader (A/R 86), Custom-Ladeluftkühler, 46-mm-Wastegate, zwei Dahlbäck-Blow-Off-Ventile, Accufab-80-mm-Drosselklappe, Trockensumpfschmierung mit Alu-Behälter, Setrab-Ölkühler, großer Wasserkühler mit zwei elektrischen Lüftern im Fahrzeugheck mit Custom-Ausgleichsbehälter, Aeromotive-Tankzelle, Aeromotive Eliminator-Benzinpumpe, Nuke Performance-Kraftstoffleiste, Aeromotive A1000-Benzindruckregler, Racetronix-1680cc-Einspritzdüsen, Zündspulen vom Audi A3 1.8T, 3,5-Zoll-Edelstahl-Abgasanlage von Cemotor, komplett neue Elektrik und Kabelbaum, frei programmierbares MaxxECU-Steuergerät mit zwei Mappings (Rennstrecke / Straße, vom Cockpit aus wählbar) und Launch Control

Hubraum: 2,3 Liter

Leistung: 796 PS bei 6.450 U/min

max. Drehmoment: 883 Nm bei 6.100 U/min

Kraftübertragung: 6-Gang-Schaltgetriebe vom Audi RS2 mit Wisefab-Short Shift, erleichtertes 3B-Schwungrad (aus Audi Coupé S2), Tilton-2-Scheiben-Keramik-Kupplung mit modifiziertem Ausrücklager, Quaife-Torsen-Zentraldifferenzial, hochbelastbare Stahl-Antriebswellen

Fahrwerk: KW Competition-Gewindefahrwerk, Uniball-Domlager, diverse Verstärkungen, diverse Powerflex-PU-Buchsen und Alu-Buchsen

Rad/Reifen: 16-zöllige Audi S1 Pikes Peak-Felgen (Replik) mit Kumho Ecsta-Bereifung in 265/45R16

Bremsen: 4-Kolben-Porsche-Bremsanlage mit 330-mm-Scheiben vorne (aus Audi RS2), XYZ-4-Kolben-Bremsanlage mit 330-mm-Scheiben hinten, hydraulische Flyoff-Handbremse

Innenraum: Audi Sport Quattro Gruppe B-Armaturenbrett mit VDO-Instrumenten (Tachometer, Drehzahlmesser, Ladedruck, Öldruck, Öltemperatur, Wassertemperatur, Voltmeter, Tankanzeige), FIA-zugelassene Sicherheitszelle, Sparco Pro2000-Schalensitze mit 6-Punkt-Gurten, stehende Pedalerie, geschüsseltes Motorsport-Lenkrad

Sonstiges: Feuerlöschsystem

 

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