Wahnsinn: 7,0-Liter-V12 im W124 T-Modell!

MKB 70TE

Wahnsinn: 7,0-Liter-V12 im W124 T-Modell!

Geburtstage sind bekanntlich eine feine Sache – und zwar sowohl für Menschen als auch für Unternehmen. Denn so unterstreicht beispielsweise ein 25-jähriges Firmenjubiläum doch auch die Erfahrung, die Zuverlässigkeit und die Verlässlichkeit, ohne die es ein Unternehmen wohl nie bis zu einem solchen Jubiläum schaffen würde.

In diesem August feierte der in Winnenden bei Stuttgart beheimatete Mercedes-Benz-Tuner MKB das vollendete „Vierteljahrhundert“ nach seiner Gründung. Anstatt allerdings – wie in der Branche gemeinhin üblich – anlässlich dieses Ehrentages ein Jubiläums-Sondermodell auf Basis einer aktuellen Mercedes-Benz-Typenreihe auf die Räder zu stellen, entschied sich MKB, die Uhr gewissermaßen zurückzudrehen, wobei den Schwaben der parallel eingehende Auftrag eines Kunden absolut in die Karten spielte. Dieser nämlich bat die Veredeler, sein Fahrzeug – eines der ersten die je bei MKB entstanden – aufzuarbeiten und wieder in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen.

Absolutes Unikat

Wir waren wirklich fasziniert, als wir hörten, dass es sich bei diesem Fahrzeug um ein S124 T-Modell mit V12-Motor handelte; ein absolutes Einzelstück, dessen Aufbau damals ganze fünf Monate in Anspruch genommen hatte. Als Basis wählte MKB seinerzeit einen harmlosen 1993er 300TE, in dessen Maschinenraum man ein auf 7,0 Liter Hubraum vergrößertes und auf 528 PS leistungsgesteigertes M120-V12-Triebwerk aus der S-Klasse W140 verpflanzte. Et voilà: Fertig war der MKB 70TE. Für das damals noch junge Unternehmen war dieser Auftrag enorm wichtig, konnte das Team rund um Panagiotis Avramidis mit dem 70TE doch sofort ein Referenzobjekt schaffen, an dem es sein Know-How und seine Fähigkeiten unter Beweis stellte.

Der MKB 70TE war jedoch nicht der erste Mercedes-Kombi mit 12-Zylinder-Motor: Mitte der 1990er Jahre fertigte AMG bereits zehn „S73 T“ genannte Kombi-Sonderfahrzeuge mit 7,3-Liter-V12-Motoren auf Basis der S-Klasse-Baureihe W140 für die Familie des Sultans von Brunei an. Darüber hinaus baute Brabus in dieser Zeit eine W124 500E-Limousine mit V12-Motor für einen niederländischen Kunden. Das Auto erhielt zunächst einen 6,9-Liter-Motor und später dann sogar den bombastischen 7,3-Liter-Dampfhammer „E V12 7.3S“ mit 582 PS. Der einzige bekannte V12-Umbau auf Basis eines S124-Kombis aber ist bis heute der MKB 70TE.

Technologisch waren AMG, Brabus und MKB damals etwa auf einer Ebene: Mittels Hubraumerweiterungen, schärferen Nockenwellen, stärkeren Einspritzanlagen und weiteren „Tricks“ aus dem Kompendium des klassischen Motorentunings holten sie unter Berücksichtigung der damaligen Abgasemissionsvorschriften mehr als 520 PS aus dem werksseitig 408 PS starken M120-V12 mit 6,0 Litern Hubraum und 48 Ventilen heraus.

Pure Power: 528 PS aus sieben Litern Hubraum

Das Triebwerk des MKB 70TE beispielsweise verfügt nach der MKB-Überarbeitung über 6.944 cm3, die aus einer Vergrößerung von Bohrung und Hub von 89,0 x 80,2 mm auf 90,0 x 91,0 mm resultieren.

„Es ist nie eine gute Idee, den Kolbendurchmesser zu vergrößern, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist. Denn dadurch erhöht sich nicht nur das Gewicht der Kolben, sondern man reduziert auch die Wandstärken des Motorblocks und nimmt sich so die Möglichkeiten für zukünftige Motor-Überarbeitungen“, weiß MKB-Inhaber Pano Avramidis und erklärt seine Vorgehensweise so: „In einem serienmäßigen M120-V12 ist ausreichend Platz für eine Hub-Erhöhung, mit der wir ein höheres Drehmoment erzielten, ohne die Drehfreudigkeit des Triebwerks zu opfern. Dazu steigerten wir das Verdichtungsverhältnis von 10,0:1 auf 11,0:1 und durch unsere schärferen Nockenwellen und speziellen Zylinderköpfe optimierten wir die Maximalleistung und die Gasannahme“.

Die im Durchmesser nur einen Millimeter größeren Kolben kamen von KS aus Österreich und wurden mittels geschmiedeter Standard-Pleuel von Mercedes-Benz mit der von der Firma Alfing nach Maß angefertigten Kurbelwelle verbunden, die ihnen größere Hübe aufzwingt.

Während der vordere Teil der Abgasanlage mit Free-Flow-Metallkatalysatoren umgerüstet wurde, erhöht der sehr nach „Standard“ aussehende Endschalldämpfer den ohnehin großen Understatement-Faktor des brachial motorisierten Kombis.

Denn nach einer Anpassung der Motorsoftware an die neue Hardware-Konfiguration weist das Leistungsprüfstand-Protokoll satte 528 PS bei 5.900 U/min sowie ein maximales Drehmoment von 730 Nm bei 3.800 Touren aus. Gegenüber den 408 PS und 530 Nm des 6,0-Liter-Serienmotors ist das ein absolut beeindruckender und natürlich auch im Fahrbetrieb schon auf den ersten Metern spürbarer Zuwachs!

Natürlich umfasst der MKB-Umbau noch deutlich mehr Parts als die genannten Bauteile: MKB bediente sich großzügig aus dem umfangreichen Mercedes-Benz-Teileregal und fertigte darüber hinaus diverse Teile selbst an. Den kleinen Dachspoiler oberhalb der Heckklappe steuerte AMG bei. Gerne leiden große Motoren in eigentlich zu engen Behausungen unter Temperaturproblemen. Um diese auszuschließen, installierte MBK zwei große elektrische Ventilatoren, die Luft durch den großen Wasserkühler pressen sowie einen zusätzlichen Ölkühler, der tief im Bug des Benz sitzt.

„Wir mussten neue Innenkotflügel herstellen und die Schottwand umbauen, weil der V12 im hinteren Bereich sehr breit baut“, erinnert sich Panagiotis Avramidis. „Darüber hinaus verlegten wir die Batterie in den Kofferraum, was nicht nur die Gewichtsverteilung verbesserte, sondern auch Platz für das Steuergerät des M120 schaffte. Ingesamt war der Mechanik-Umbau aber eigentlich nicht wirklich schwierig“. Vielmehr war es die Elektronik, die die wirklichen Probleme bereitete: Die recht rudimentäre Elektronik des vormals installierten Reihensechszylinders und das weitaus aufwändigere System des V12 wollten nicht so recht zusammenarbeiten und es erforderte sehr viel Erfahrung, sie zum „Handshake“ zu bewegen.

Baukasten-Puzzeleien

Auch die Aufgabe, das Chassis für die Power des schweren und leistungsstarken V12 zu wappnen, war keine Kleinigkeit und erforderte die Transplantation diverser Komponenten aus werksseitig mit dem V12 ausgerüsteten Mercedes-Modellen. Glücklicherweise verwendete Mercedes bereits in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren bei vielen Baureihen eine Art von Baukastenprinzip, so dass sich MKB aus einem solchen bedienen konnte. So wählten die MKB-Techniker die Aufhängung und den Antriebsstrang des SL60 AMG, die bestens in den MKB 70TE passten und diesem dank seines längeren Radstands auch eine – gemessen an den damaligen Benchmarks – sehr gute Straßenlage bescherten. Durch die größere Spurweite allerdings passten die 8,0×18 und 9,0×18 Zoll messenden AMG-Felgen nicht mehr in die serienmäßigen Radläufe. Die Lösung: Vorn verbaute MKB die ausgestellten Kotflügel der berühmten 500E-Limousine und an der Hinterachse wurden dessen komplette Radläufe fachmännisch in die T-Modell-Karosserie eingearbeitet. Nachdem er im Lauf der Jahre diverse Reifensätze verschlissen hat, rollt der MKB 70TE heute auf griffigen Dunlop Sport Maxx-Gummis der Dimensionen 235/40ZR18 und 265/35ZR18.

Bei der schwarzen Lederausstattung des Fahrzeugs handelt es sich um die Kombination aus den stärker konturierten Vordersitzen des 500E sowie einer im passenden Design neu bezogenen 300TE-Rückbank. Dazu verleiht das mit Leder bezogene Oberteil des Armaturenbretts dem Cockpit eine deutlich hochwertigere Anmutung.

Understatement-Dampfhammer

Um so ehrlich zu sein: Ein echter Eyecatcher ist der MKB 70TE nicht. Denn trotz seines – für Experten sofort augenfälligen – bulligeren Auftretens und der AMG-Räder fällt das silberne T-Modell einem Laien kaum auf. Wer achtet schon auf einen 20 Jahre alten Kombi?

Sobald jedoch der Motor gestartet wird, drehen sich die Köpfe dann doch in Richtung des optisch unauffälligen 70TE, der ungläubige Blick auf sich zieht, wenn zuerst seine Hochleistungsanlasser vernehmlich surren, bevor dann ein Dutzend Kolben sein lautstarkes Ballett startet.

Auf einer ausführlichen Probefahrt rund um das MKB-Headquarter in Winnenden fühlte sich der MKB 70TE komfortabel und giftig gleichermaßen an: Der leistungsstarke V12-Motor verleiht dem Wagen eine ganz neue Souveränität, die ein Sechszylinder natürlich nicht bieten kann. Mit 170 Kilogramm ist der Leichtmetall-V12 dazu nur rund 40 Kilogramm schwerer als der Reihensechszylinder mit Eisenblock, so dass nicht der Eindruck störender Kopflastigkeit aufkommt.

Drückt man das Gaspedal durch, richtet sich die Nase nur leicht auf, während der MKB 70TE seine Insassen in ihre Sitze presst. Ein mechanisches Sperrdifferenzial gibt dem Power-Kombi Hilfestellung bei seiner Suche nach Grip, was – zumindest auf trockener Straße – recht gut funktioniert. Obwohl die vergrößerte Spur und die neue Aufhängung die Straßenlage des 70TE gegenüber einem Standard-T-Modell verbesseren, ist der 1990er-Jahre-Kombi vom Fahrverhalten einer aktuellen E-Klasse mit Airmatic natürlich weit entfernt, legt sich beispielsweise bei flotten Richtungswechseln deutlich spürbar in die Kurve. In Kombination mit der wenig dynamischen Kugelumlauflenkung und dem hohen Gewicht prädestiniert dies den MKB 70TE eher als kraftvollen Autobahn-Stürmer als für enge Landstraßen, wo ihm jeder aktuelle Kompaktsportler problemlos um die Ohren fahren würde. Auch die alte 4-Gang-Automatik geht – obwohl sie vom SL600 stammt – eher gemütlich zu Werke, nach heutigen Standards könnte man auch sagen: langsam und schwerfällig. Das macht aber nichts, denn damit passt sie bestens zum souveränen und unaufgeregten Charakter des MKB 70TE.

Die Frage aller Fragen

Wir sind bekanntlich immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Fahrzeugumbauten. Und der MKB 70TE gehört in dieser Hinsicht zweifellos zu den Highlights seiner Art. Puristen könnten angesichts dieses „Frankenstein“-Umbaus die Frage nach dem „Warum?“ aufwerfen. Mit großer Freude würden wir diese Frage aber dann mit einer einfachen Gegenfrage beantworten: „Warum nicht?“

Weitere Informationen gibt es unter:

MKB Motorenbau GmbH

Otto-Hahn-Str. 2

71364 Winnenden

Tel.: 0 71 95 / 91 61-0

Fax: 0 71 95 / 91 61-15

E-Mail: info@mkb-power.de

www.mkb-power.de

Text: Ian Kuah, Sebastian Brühl, Fotos: Ian Kuah