Speedster-Besitzerwechsel nach 34 Jahren
Man muss es wohl kaum einem Oldtimer-, Lufti-, oder Porsche-Fan ernstlich erklären. Der 356 markierte seinerzeit endgültig den Start der längst regelrecht legendären Marke Porsche. Schließlich war er war ab Ende der 40er Jahre das erste Modell, das unter diesem Namen verkauft wurde. Die Zeiten waren damals natürlich nicht einfach. Kurz nach dem Krieg war Porsche sogar vorübergehend aus ihrer Heimat in Stuttgart-Zuffenhausen nach Gmünd in Österreich umgezogen, wo auch die ersten 356 entstanden. In den ersten Jahren nach der Rückkehr war der Hersteller für die Serienfertigung des Sportwagens auf die Kooperation mit anderen Unternehmen angewiesen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Reutter.
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Karosserie von Reutter
Das schon 1906 gegründete Karosseriebau-Unternehmen hatte über die Jahre hinweg im Auftrag Karossen für diverse namhafte Hersteller gefertigt – sowohl deutsche aus auch internationale. Nicht zuletzt, da man für die Auto Union Wanderer-Karosserien in Großserien herstellte, wurde 1937 ein Zweitwerk eröffnet und dies Just auch in Zuffenhausen. So war es regelrecht vorherbestimmt, dass sich – nachdem es zuvor schon Zusammenarbeiten mit VW gab – eine Partnerschaft mit den Nachbarn von Porsche entwickelte. Bis diese immer intensiver werdende Verbindung schließlich 1963 in die Übernahme durch Porsche mündete, fertigte Reutter einen weit überwiegenden Teil der 356-Karosserie. So auch die des Speedsters, um ein Exemplar dessen es sich bei dem auf diesen Seiten gezeigten Fahrzeug handelt.
Zunächst nur für die USA
Der Speedster war ab 1954 die wohl puristischste und spaßigste Karosserievariante des 356. Ins Leben gerufen wurde er auf Anregung von Max Hoffman. In New York beheimatet war er der offizielle Porsche-Importeur in den USA. Er wünschte sich für seine Kunden eine günstige und im Ausstattungsumfang reduzierte Version des Zuffenhausener Sportwagen. Und die bekam er: Der Speedster war quasi eine weitestmöglich abgespeckte Version des bestehenden Cabriolets mit flacherer Frontscheibe und gesteckten statt versenkbar in die Türen integrierten Seitenscheiben.
Damit konnte Hoffman den Wagen ausgesprochen preiswert mit einem Basispreis von unter 3.000 Dollar verkaufen. So wurde der Speedster in den USA ein wahrer Erfolg, spätestens nachdem James Dean einen der offenen 356 gefahren ist. Auch im Motorsport konnte der Wagen dabei dank seines geringen Gewichts überzeugen, etablierte sich schnell als kaum zu schlagender Maßstab beim amerikanischen Amateur-Racing in der Klasse bis zwei Liter Hubraum. Insgesamt wurden von 1954 bis 1958 4.144 Speedster in den USA abgesetzt.
Komplett restauriert
Der abgebildete Speedster mit der Chassis-Nummer 82942 ist mit Baujahr 1957 eines der eher späten Exemplare und ein Vertreter der Serien 356 A. Das Auto wurde dieser Tage Mitte August durch das renommierte Auktionshaus RM Sotheby’s bei einer Auktion im kalifornischen Monterey versteigert. Damit wechselte er das erste Mal nach 34 Jahren den Besitzer. Da der Auktionstermin nach Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe lag, können wir an dieser Stelle noch keinen endgültigen Verkaufspreis nennen. Der In Vorfeld erwartete Erlös beziffert sich jedoch mit 350.000 bis 450.000 Dollar. Dass diese Erwartungen keineswegs zu hoch gegriffen waren, zeigte der letztendliche Verkaufspreis von sogar 472.500 Dollar.
Auch diese Summe war absolut nicht zu hoch gegriffen, schließlich erhielt der Wagen zwischen 2015 und 2017 eine umfänglichen Komplettrestaurierung bis hin zur letzten Schraube. Daran waren ausschließlich Top-356-Spezialisten aus Michigan beteiligt. Karosserie und Lack waren die Aufgabe von Autometric, den Neuaufbau der Technik und Mechanik übernahm Vic Skirmants, das Interieur erneuerte Hof Designs. Der Wiederzusammenbau erfolgte bei Neil’s 356 Restoration, Gilson Motorsports und Automotive Techniques. Im Zuge der Restauration kamen auch einige modernisierende Details an Bord. Dazu gehören etwa die LED-Beleuchtungen, die aus Magnesium gefertigten, 5×15-zölligen Tecnomagnesio-Felgen mit 185/70er Bereifung, ein elektronischer Notaus-Schalter und eine Straight-Pipe-Abgasanlage.
1,6-Liter-Motor mit 75 PS
Da es sich bei dem Speedster um einen 356 1600 Super handelt, schließt letztere an den 1,6-Liter-Vierzylinder-Boxermotor in der stärkeren Ausführung mit 75 PS und 117 Nm an. Optisch präsentierte sich der Wagen bei seiner Erstauslieferung durch Max Hofman noch deutlich anders als heutzutage. Die Karosserie war damals nämlich noch in Aquamarinblau lackiert. Das Interieur wies eine beigefarbene Kunstleder-Ausstattung auf. Auch von letzterer ist in ihrer Ursprungsform natürlich nichts mehr über.
Außer vielleicht der Farbe, denn der Innenraum zeigt sich nach der Neuausstattung in verschiedenen hellen Braun- und Beigetönen. Dies schließt natürlich die Einfassung der Steckscheiben sowie das ebenfalls vorhandene Stoffverdeck mit ein. Ein Teil des Armaturenbretts sowie das große Lenkrad sind unterdessen in der neuen elfenbeinfarbenen Farbe der Karosserielackierung ausgeführt. Die Insassen verzurren sich mit breiten Zwei-Punkt-Gurten in zwei Schalensitzen. Zum Lieferumfang des 356 A 1600 Super Speedster gehören neben – bereits angesprochen – den Seitenscheinen und dem Verdeck auch weitere Teile und Unterlagen wie eine Werkzeugtasche, eine Dokumentation der Restaurierung und das originale Porsche-Produktionsdatenblatt.
Fotos: Andrew Trahan / Courtesy of RM Sotheby’s
Technical Facts
Porsche 356 A 1600 Super Speedster
Baujahr: 1957
Karosserie: Speedster-Karosserie von Reutter, flache Windschutzscheibe, seitliche Steckfenster, Stoffverdeck, LED-Beleuchtungen, teillackierte Stoßstangen ohne Hörner, diverse goldene Schriftzüge an Front sowie Kotflügeln und Heck, Lackierung in Elfenbeinweiß
Motor: 1,6-Liter-Vierzylinder-Boxermotor, Straight-Pipe-Abgasanlage, 75 PS / 117 Nm
Kraftübertragung: Viergang-Handschaltgetriebe
Fahrwerk: Federung mit querliegenden Drehstäben
Rad/Reifen: Tecnomagnesio-Magnesium-Felgen in 5×15 Zoll, Finish in Silber mit hochglanzpolierten Radkappen, BFGoodrich Silvertown-Bereifungen in 185/79R15
Innenraum: komplett restauriert mit Neuausstattung in Braun, Schalensitze, Zwei-Punkt-Gurte, VDO-Rundinstrumente, Lenkrad mit Hupring und teilweise Armaturenbrett in Wagenfarbe lackiert
Sonstiges: elektronischer Killswitch