Europe Africa Rodeo mit der Startnummer 473

Reise, The Blue Bug Project beim Europe Africa Rodeo 2022

Reise, The Blue Bug Project beim Europe Africa Rodeo 2022

Mal ehrlich: Wir alle lieben den Käfer. Der Volkswagen-Klassiker schlechthin ist absoluter Kult und weckt bei Jung und Alt praktisch ausschließlich positive Assoziationen. Aber Hand aufs Herz und bei aller Liebe: Möchte man mit einem solch archaischen Auto wirklich rund 5.300 Kilometer und 94.000 Höhenmeter, verteilt auf 18 Tagesetappen, über unbefestigte Flächen, die staubigen Pisten und löcherigen Gebirgsstraßen des nordafrikanischen Königreichs Marokko zurücklegen? Freiwillig? Ohne Klimaanlage? Marc Sommer wollte genau das! Der Ingenieur aus Duisburg-Rheinhausen ging im vergangenen Mai mit seinem eigens für diese wilde Fahrt in Kooperation mit Mike Lensiung aus Kevelear wieder aufgebauten „Blue Bug Project“-Baja Bug (Baujahr 1969) bei der durch den Back Road Club organisierten Low Budget-Rallye „Europe Africa Rodeo“ an den Start – und wir werfen einen Blick auf dieses große Abenteuer!

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Der Point of no return wurde am Mittag des 5. Mai überschritten: Der Blue Bug rollte nach Antransport per LKW auf die Autofähre Genua – Tanger, welche ihn vorbei an den Balearen und der spanischen Südküste bis zur Straße von Gibraltar bringen würde. Dort fiel drei Tage später im Jacht-Hafen von Tanger der offizielle Start des Europe Africa Rodeo: Für rund 90 Teilnehmerfahrzeuge, darunter noch ein weiterer Käfer, diverse Mercedes-Oldies, zwei historische Land Rover und ein Puch G-Modell – welche nicht selten als Berge- und Abschleppfahrzeugen für die weniger geländegängigen Rallye-Teilnehmer dienten – sowie auch etliche Motorräder, ging es nun in Ein- bis Dreitages-Etappen auf die von einem Roadbook nur locker vorgegebene Reise von Checkpoint zu Checkpoint.

Bis zu 400 km lange Tagesetappen!

Die Strecke führte durch Casablanca und die Königsstadt Marrakesch, über Agadir entlang des mächtigen Atlasgebirges bis hin zu den Blauen Felsen, hinein in Steinwüsten und schließlich herab in die legendäre Sahara, bevor es zunächst entlang der algerischen Grenze über das Rif-Gebirge zurück nach Tanger ging. Das klingt „einfach“. War es aber nicht, wie unsere Fotos der Rallye bezeugen. Die Tagesetappen waren bis zu 400 Kilometer lang – und führten dabei zu etwa zwei Dritteln über Stock und Stein. Meist ging es sehr früh morgens los, um der größten Tageshitze zu entgehen. Gefahren wurde entweder „solo“ oder in sich mehr oder weniger zufällig zusammenfindenden Kleingruppen.

Reise, The Blue Bug Project beim Europe Africa Rodeo 2022

Eine echte Wertung gab es beim Europe Africa Rodeo ebenso wenig, wie einen Sieger: Das definitive Ziel lautete „Ankommen!“ – und nach Möglichkeit auf dem Weg noch von der Rallye-Organisation gestellte Tagesprüfungen und -aufgaben unterschiedlicher Natur zu erfüllen.

Genächtigt wurde entweder in recht einfachen Herbergen und Camps oder gleich auf Feldbetten unter freiem Himmel – insbesondere letzteres war für Marc Sommer nach eigenem Bekunden eine herausragende Erfahrung: „Die Nacht, in welcher eine Kamelspinne, so groß wie ein Frühstücksteller, unser Lager unsicher machte, die werde ich so schnell nicht wieder vergessen…“

Begleitet wurde Marc Sommer auf dem Extrem-Roadtrip von drei sich abwechselnden Beifahrern (Daniel Hantschel, Michael Dören und Raimund Haubrich), allesamt auch Sponsoren der Charity-Fahrt. Charity? Genau! Denn die beim Europe Africa Rodeo startenden Teams warben mit ihrer Aktion gleichzeitig um Sponsoren- und Spendengelder, welche in Summe für den Aufbau einer Vorschule für 50 Kinder in Marokko (nördlich von Agadir) verwendet werden. Die nötige Finanzierungssumme beträgt 45.000 Euro, welche – um das vorwegzunehmen – im Rahmen des Europe Africa Rodeo auch erreicht wurden. Allein das Blue Bug Project konnte rund 8.700 Euro „einfahren“ – und sagt hierfür danke an alle Sponsoren!

  • Apropos „danke“: Die große Sympathie, welche dem Käfer auch in Nordafrika entgegenschlug, hatte wohl maßgeblichen Anteil an der Hilfsbereitschaft der Menschen, wenn der kleine Blaue dann doch einmal ein Problem hatte. Und dieser Moment kam natürlich gleich mehrfach: Als man sich beispielsweise in einer brüchigen „Straße“ festgefahren hatte, halfen aus dem Nichts herbeieilende Marokkaner ohne Aufforderung aus der Patsche. Größeren Trouble verursachte eine verbrannte Kupplung, doch auch hier machte sich der Erfindungsreichtum der nordafrikanischen Mechaniker bezahlt: Da ein passendes Ersatzteil nicht aufzutreiben war, „modifizierte“ ein örtlicher Schrauber kurzerhand über Nacht eine Renault Mégane-Kupplung, so dass der Baja Bug damit immerhin weiterfahren konnte, wenngleich auch etwas „lahmend“. Die zwei Tage später per Flieger aus Deutschland eintreffende Käfer-Kupplung baute das eifrige Team eines VW-Händlers in Agadir dann vollkommen kostenlos ein und spendierte dem Bug in diesem Zuge auch gleich noch eine schnelle Mini-Inspektion – eine Frage der Ehre, dass für diese Hilfestellung gegenüber dem blauen Käfer keine Rechnung aufgemacht wurde.

Ein größeres Problem aller war indes die Treibstoff-Qualität. Häufig gluckerte nur mit Wasser oder Gas „gepanschtes“ Benzin in den Tank, was sich dann in äußerst unsauberer Verbrennung, extremen Leistungsverlust und Verbauchswerten von bis zu 28 Litern pro 100 km bemerkbar machte. Aber: Der Käfer-Motor verkraftete auch dies. Dank eines zusätzlichen Ölkreislaufs samt Kühler stieg die Schmiermitteltemperatur selbst beim harten Wüsten-Einsatz nie über 85 Grad. Ebenso wie das Fahrwerk mit seinen langen Federwegen und robusten Reifen die auftretenden Belastungen ohne Schäden verdaute. „Bei einem Reifendruck von nur etwas mehr als einem bar war sogar der Fahrkomfort wirklich top,“ erinnert sich Marc Sommer.

Und würde der Ingenieur ein solches Abenteuer wieder eingehen? „Natürlich“, sagt Marc Sommer sofort: „Wir überlegen gerade, welcher Tour wir als nächstes angehen könnten.“

Vorher aber bekommt der Blug Bug etwas Liebe: „Die Front des Autos sieht aus wie sandgestrahlt, die Haube ist voller Steinschläge, der Lack ist einfach weg. Es ist ein Wunder, dass die Windschutzscheibe ganz geblieben ist. Dafür haben sich in dem Käfer sicher 20 Kilogramm Staub und Sand angesammelt“, beschreibt Marc Sommer. Und tatsächlich: Wie unsere Bilder zeigen, fand der Wüstenstaub den Weg in jeden Winkel, selbst in die mit doppelter Luftfilterung ausgestatteten Vergaser.

Übrigens: Wer noch mehr über das Blue Bug Project erfahren möchte, der sollte dem Channel „BlueBug_Project“ auf Instagram folgen. Hier gibt es nicht nur den Rückblick auf das Europe Africa Rodeo 2022, sondern dann auch neue Infos zu weiteren Touren. Auch eine eigene Internetseite gibt’s vom Blue Bug Project: www.bluebugproject.com

Fotos: The Blue Bug Project / privat