Im extremen F-150 durch Island
Wart ihr schon einmal auf einer arktischen Expedition? Höchstwahrscheinlich nicht, wir zugegebenermaßen natürlich ebensowenig. Eines ist aber klar: An den Polkappen herrschen ganz besonders außergewöhnliche und harte Bedingungen, die Mensch und Maschine herausfordern- Und hier stoßen auch die Geländegänger die eigentlich zumiest als unaufhaltsam und unzerstörbar gelten (G-Klasse, Wrangler, Defender und Co.) im Serienzustand schnell an ihre Grenzen. Daher müssen hier größere Kaliber her, wie sie beispielsweise von Arctic Trucks gebaut werden.
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Bereits seit Jahrzehnten hat sich das Unternehmen auf den Aufbau von wirklich quasi unaufhaltsamen Expeditionsfahrzeugen spezialisiert. Aktuell sind mehr als 25 zwei- und dreiachsige Fahrzeuge aus diesem Hause in der Antarktis im Einsatz – sie basieren zumeist auf dem Toyota Hilux. Doch nun hat ein weiteres Modell die verstärkte Aufmerksamkeit von Arctic Trucks erregt: der Ford F-150. Da es lange Zeit an einem Dieselmotor mangelte und die Einfuhrzölle nach beispielsweise Island sehr hoch sind, war dieser Pick-up bisher eher wenig beachtet, obwohl der größere Bruder F-350 mit Arctic Trucks-Umbauten in Island tatsächlich als Nutz- und Rettungsfahrzeug sehr beliebt ist. Nun jedoch ist auch der F-150 mit Diesel erhältlich und zudem sorgte das durch den Einsatz von Leichtbaumaterialien wie Aluminium verringerten Gewicht des US-Trucks für eine erhöhte Aufmerksamkeit bei den Jungs von Arctic Trucks: So befindet sich aktuell ein Umbaukit für den Ford zum beeindruckenden Expeditions-Offroader mit Beinamen AT44 in Entwicklung. Die Ziffer bezieht sich auf die riesigen, ballonartigen Reifen – sie haben einen Durchmesser von 44 Zoll respektive die Dimensionen 475/70 R17 und sind auf Felgen der Größen 14×17 Zoll (!) aufgezogen. Um diese Kombination am F-150 nutzen zu können, bedarf es diverser Anpassungen, beispielsweise in Form von Karosseriebearbeitungen wie dem Anbau der extremen Kotflügelverbreiterungen, die selbst einen Raptors in den Schatten stellen, aber ebenso am Rahmen. Auch eine Höherlegung ist obligatorisch – wobei diese relativ gering ausfällt und nur an der Front stattfindet: Ein Zugeständnis zur Beibehaltung eines möglichst niedrigen Schwerpunkts, was stets eine der essentielle Aufgabe und die größte Herausforderung bei den AT-Umbauten ist. Weitere Modifikationen sind etwa Bilstein-Dämpfer, extrahelle Beleuchtungen, robuste Unterfahrschütze und eine riesige Kraftstoffkapazität: Gleich zwei Tanks mit einem Gesamtvolumen von 260 Litern sind an Bord.
Natürlich sind gerade bei solchen Autos umfangreiche Test- und Erprobungsfahrten unabdingbar. Wir haben von Arctic Trucks exklusive Einblicke in diese bekommen können: Als erstes Entwicklungsfahrzeug fungiert der gezeigte F-150 4×4 SuperCrew Lariat mit – jetzt müssen V8-Fans ganz stark sein – dem 3,5-Liter-EcoBoost-V6-Benziner. Ort des Geschehens für die ausgiebigen Testfahrten war Island, da die Insel am nördlichen Polarkreis Bedingungen bietet, die jenen in der Antarktis relativ ähnlich sind – wenngleich die an den Polkappen herrschenden Temperaturen von nicht selten -40 Grad Celsius hier wohl kaum erreicht werden. Erste Fahrten zum Test verschiedener Abstimmungen für Fahrwerk und Federung fanden im Februar noch in der Umgebung von Reykjavik statt. Richtig ernst wurde es dann mit dem Start der eigentlichen Felderprobungen ab 12. März. Seitdem war der F-150 in den isländischen Highlands in Schnee und Eis unterwegs.
Der Wagen legte schon früh eine überzeugende Performance an den Tag und benötigte an vielen Stellen nur noch Feintuning. Auch die mehr als einen Meter großen, in Kooperation mit Nokian entwickelten Reifen, der kraftvolle Motor sowie die 10-Stufen-Automatik konnten unter den schweren Bedingungen überzeugen und der lange Radstand von knapp 3,70 Metern wirkte sich positiv aus. Im tiefen Schnee, insbesondere dann, wenn man fast schon feststeckt, ist es im Ford zwar herausfordernder als im Hilux, den richtigen Grip fürs weitere Vorankommen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, dennoch konnte der F-150 AT44 in dieser Hinsicht zufriedenstellen. Während der Wagen auf zivilerem Geläuf sogar mit recht geringem Verbrauch überraschte, wird er im Einsatz auf Schnee schnell durstig. Von großer Bedeutung können in der eis- und schneebedeckten Wildnis auch die Achsverschränkung und der Böschungswinkel sein – schließlich sind beispielsweise Fahrten durch (oder vielmehr über zugefrorene) Wasserläufe keine Seltenheit. Auch diese Aufgabe meistert der AT44-Ford weitgehend – sowohl das Auffahren auf Böschungen (mit einem Vorderad voran) als auch das „Hinterherholen“ des Hecks. Probleme in Form von beispielsweise Bodenkontakt können höchstens zwischen den Achsen auftreten – hier sind der große Radstand und die recht geringe Fahrwerks-Höherlegung eher Nachteile. Unter anderem aus diesem Grund plant Arctic Trucks nun noch stärkere und umfassendere Unterbodenschütze.
Übrigens: Nicht nur offroad jenseits jeglicher Zivilisation, sondern ebenso auf besfestigten Straßen und Autobahnen kann der Pick-up durchaus überzeugen – die Reifen- und Abrollgeräusche sind sogar geringer als mit der Seirenbereifung.
Bis der Umbaukit für den Ford F-150 fertig entwickelt ist und den Kunden angeboten wird, vergeht noch einige Zeit. Schon jetzt zeichnet sich aber eine große Nachfrage in Island ab. Und auch der Einsatz in der Antarktis wird nach den bisher guten Testergebnissen immer wahrscheinlicher. Weiteres Absatzpotenzial sieht Arctic Trucks zudem durchaus in der der noramerikanischen Heimat des F-150, vor allem den abgelegeneren, kälteren Gebieten, wo es ebenfalls gerne einmal schneit.