BMW E24-Heimkehrer aus den USA
BMW M6. Eigentlich scheint an dieser Bezeichnung nichts ungewöhnlich oder verkehrt zu sein. Schließlich zierte sie (mit zweijähriger Unterbrechung aufgrund des Modellwechsels) zwischen Mitte 2005 und Frühling 2018 über die Generationen E63 und F13 hinweg die Topmodelle des großen Münchener Luxuscoupés. Merkwürdig wird es dann aber doch, wenn man das Label M6 im Zusammenhang mit der ersten 6er-Baureihe E24 aus den 1970er und 1980er Jahren sieht. Denn diese gab es doch wirklich nicht als M6, oder? Nun denn, diese Prämisse ist zugleich richtig und falsch …
Um die Sachlage hier zu klären und den scheinbaren Widerspruch aufzulösen, benötigt es einmal mehr einen detaillierten Blick und eine Erweiterung des Blickfelds auf die internationalen Unterschiede von Verkaufsbezeichnungen. Denn korrekt ist: Auf dem deutschen und den meisten anderen Märkten gab es tatsächlich keinen E24 M6. Hier trug die damalige, bis zu 286 PS und 340 Nm starke Topversion des großen Zweitürers zwar durchaus das M im Namen, hieß aber M635 CSi. Doch: Die Ausnahme bildete die in den USA und Japan verkaufte Variante, die tatsächlich bereits damals in den 80ern den Namen M6 trug. Und so sind auch die entsprechenden Labels an Bug und Heck des hier vorgestellten Exemplars keineswegs ein unberechtigter Etikettenschwindel.
Aus den USA über Deutschland nach Österreich
Zwar kaufte der Besitzer des Fahrzeugs, Michael Königshofer aus Birkfeld, in der Steiermark gut 60 Kilometer von Graz entfernt gelegen, den BMW im April 2017 etwa 1.000 Kilometer von seiner Heimat entfernt in Deutschland. Ursprünglich handelt es sich aber um ein in den Vereinigten Staaten von Amerika erstzugelassenes Auto, also ein US-Modell, das seine Rückkehr „nach Hause“ über den großen Teich schon einige Zeit zuvor angetreten haben muss. Leicht als amerikanisches Modell zu identifizieren ist der E24 dabei anhand der seitlichen Markierungs-Reflektoren an den Schürzen. Kenner von US-BMWs aus dieser Zeit mögen nun verwundert fragen, warum der Wagen denn dann nicht die bei diesen üblichen, längeren und unschöneren Stoßstangen trägt. Die einfache Antwort: Alle ab Juni 1987 gebauten M6 bekamen die von uns aus Europa bekannten, kürzeren Stoßstangen – und Michaels Exemplar stammt aus 1987, womit es wohl eines der ersten in dieser geänderten Konfiguration war. Im übrigen präsentiert sich das Fahrzeug des Österreichers weitgehend serienmäßig – und das ganz bewusst: Michael ist es wichtig, dass er bei Bedarf alles schnell und problemlos wieder auf den Serienzustand rückbauen kann. So kommen etwa Ziehen der Radläufe oder ähnliche Anpassungen der Kotflügel für ihn nicht in Frage. Selbst eine Lackierung oder Folierung in einer neuen Farbe ist ausgeschlossen: Bisher trägt der M6 die Originallackierung in Zinnoberrot mit feinen seitlichen Pinstripes auf Höhe der Gürtellinie. 2021 soll sie erneuert werden – unter Beibehaltung des gehabten Farbtons.
Neue Felgen und Airride
Ganz verzichten auf individualisierende Anpassungen, die dem Coupé einen gewissen Custom-Look verleihen, wollte Michael aber doch nicht. So steht der BMW aktuell auf einem Satz sonderangefertigter Räder, die ursprünglich 16-zöllige Compomotive TFN601 mit Felgenfuchs-Trichterbetten kombinieren und so auf das ungewöhntliche Maß 9,25×18 Zoll kommen: Sie erregen nicht zuletzt mit ihren Deckeln in Zentralverschluss-Optik großes Aufsehen. Die aufgezogenen Reifen messen 215/35R18. Ergänzend ging der M6 einige Zentimeter in die Knie, was auf sein Airride zurückzuführen ist: Michael verbaute mit Unterstützung der Spezialisten von Lowrider.at ein eigentlich für den BMW E39 gedachtes Air Lift Performance-Luftfahrwerk samt 3P-Einzelradsteuerung, das mit Hilfe von Eigenbau-Dämpferaufnahmen und -Domlagern an den E24 angepasst ist.
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Unauffällig sauschnell
Mit Katalysator und weniger Leistung
Tatsächlich ist die Modellbezeichnung nicht das einzige Merkmal, mit dem der M6 vom ab April 1984 angebotenen, europäischen Pendant M635 CSi abwich. Letzterer schöpfte seine eingangs angesprochenen 286 PS aus dem M88/3-Motor, einem eng verwandten Derivat des Aggregats aus dem unvergessenen M1. Da in den USA damals aber strengere Abgasvorschriften herrschten, bekam der amerikanische M6 zu seiner Markteinführung Ende 1986 eine nochmals überarbeitete Version des M88/3. Diese trägt die interne Bezeichnung S38B35 und unterscheidet sich vom Basistriebwerk etwa durch ein niedrigeres Verdichtungsverhältnis, eine andere Steuerkette, einen vereinfachten Abgaskrümmer und insbesondere einen Katalysator, womit nicht zuletzt eine reduzierte Power von 260 PS und 330 Nm resultierte. Als Alternative zur weiterhin angebotenen Ur-Version ohne Kat führte BMW den S38 übrigens auch in manchen europäischen Märkten im M635i ein, von dieser Ausführung entstanden aber kaum mehr als 100 Exemplare. 1988 löste das Aggregat den M88 komplett ab und kam (in neuen Ausbaustufen) weltweit im E34 M5 zum Einsatz. Michael beließ den Motor, ebenso wie das stets an diesen gekoppelte Fünfgang-Handschaltgetriebe in seinem Coupé quasi unverändert, nur die Abgasanlage erhielt verschiedene Anpassungen.
Last but not least bringt in Blick ins Cockpit Gewissheit, dass sich hier ebenfalls kaum etwas getan hat. Schon ab Werk besaß der US-M6 eine bessere Ausstattung als der M635 CSi mit unter anderem elektrischen Sitzen, Tempomat, Zwei-Zonen-Klimaanlage und elektrischem Schiebedach. Zudem zeichnet sich Michaels Fahrzeug durch eine extravagante Innenausstattung in Lotusweiß aus. Einzige echte Anpassung ist eine Neuerung aus dem OEM-Regal: ein M Technik 1-Sportlenkrad aus dem E30. Trotz der recht wenigen Modifikationen an seinem E24 muss Michael übrigens nicht befürchten, allzu schnell ein vergleichbares Fahrzeug anzutreffen: Es entstanden nur 1.767 M6 für den nordamerikanischen Markt, darunter lediglich gut 1.000 Stück des am Sommer 1987 gebauten 1988er Modelljahrs mit den kurzen Stoßstangen. Wirklich eine echte Rarität also, die sich der Österreicher da gesichert hat!
Technical Facts
Fahrzeugtyp: BMW E24 M6
Baujahr: 1987
Karosserie: Original-Lackierung in Zinnoberrot, Pinstripe-Zierstreifen in Weiß
Motor: 3,5-Liter-S38B35-Reihensechszylinder-Ottomotor, Verdichtungsverhältnis 9.8:1, Katalysator, zweireihige Steuerkette, vereinfachter Abgaskrümmer (im Vergleich zum M88/3), zwei obenliegende Nockenwellen, Aluminium-Ansaugung, Einzeldrossel-Anlage, bearbeitete Serien-Abgasanlage, 191 kW / 260 PS, 330 Nm
Kraftübertragung: 5-Gang-Handschaltgetriebe (Getrag 280)
Fahrwerk: Air Lift Performance-Luftfahrwerk für BMW E39 mit Gewindeverstellung, umgebaut auf E24 mit Eigenbau-Dämpferaufnahmen und -Domlagern, Air Lift 3P-Einzelradsteuerung
Rad/Reifen: Compomotive TFN601-Leichtmetallfelgen mit Felgenfuchs-Trichterbetten in 9,25×18 Zoll mit Bereifung in 215/35R18
Bremsen: Scheibenbremsanlagen mit VA 300-mm- und HA 284-mm-Scheiben, ABS
Innenraum: M Technik 1-Lenkrad vom BMW E30
Multimedia: OEM-Soundanlage