Wiederinbetriebnahme eines Porsche 959 Paris-Dakar!
Regelmäßige WOB Klassik-Leser werden sich erinnern: In der vergangenen Ausgabe 2/23 berichteten wir ausführlich über die zivile „Komfort“-Variante des Porsche 959 und warfen in diesem Rahmen auch kurz eine Rückschau auf die Motorsport-Historie des 1980er-Jahre-Supersportwagens. Gleichzeitig kündigten wir an, in dieser Ausgabe nun die kürzliche Porsche Heritage und Museum gemeinsam mit den Kollegen von Porsche Classic vorgenommene Restaurierung und Wiederinbetriebnahme des 959 Paris-Dakar zu dokumentieren, mit dem
Jacky Ickx und Claude Brasseur bei der 1986er Ausgabe der berühmt-berüchtigten Wüsten-Rallye auf den zweiten Platz im Gesamtklassement fuhr. Los geht’s!
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Rückblick: Wir schreiben den 1. Januar 1986, in Versailles startet am Neujahrstag die 8. Ausgabe der Rallye Paris-Dakar, welche über 15.000 km durch Frankreich, Algerien, Niger, Mali, Mauretanien, Obervolta und den Senegal führen wird. An diesem Wüsten-Marathon nehmen 282 Autos, 131 Motorräder und 73 LKW teil. Aus dem Starterfeld der Autos, welches naturgemäß weitgehend von Geländewagen bestimmt wird, ragen drei Sportwagen heraus: Zwei Jahre brauchte das Team in den 1980ern, um auf Basis des Straßensportlers Porsche 959 ein wettbewerbsfähiges Rallye-Fahrzeug zu bauen. Hierzu verstärkten sie unter anderem das Fahrwerk mit doppelten Stoßdämpfern an der Vorderachse und zogen offroad-taugliche Reifen auf.
Wie das Serienauto wird auch das Rallyefahrzeug von einem luft-/wassergekühlten Boxermotor mit Register-Turboaufladung angetrieben. Dessen Leistung wurde unter Berücksichtigung der geringeren Kraftstoffqualität des im Rahmen der Rallye verfügbaren Sprits von 450 auf 400 PS reduziert. Das elektrohydraulisch gesteuerte Mitteldifferenzial verteilt die Antriebskraft variabel auf Vorder- und Hinterachse. So ist der Rallye-959 bis zu 210 km/h schnell – das ist zwar über 100 km/h weniger als das Serienauto, aber mehr als genug für die Wüstenhatz. Um die auf der Route anstehenden Fluss-Durchquerungen schadlos absolvieren zu können, verlegten die Porsche-Ingenieure die Motorsteuergeräte weit nach oben. Dazu wurden die Ölkühler und -leitungen unter den hinteren Kotflügeln wurden speziell geschützt. Um Gewicht zu sparen, bestehen diverse Karosserieteile, die Türen und die Hauben des 959 Paris-Dakar aus Kevlar, dazu wurden die Bremsscheiben gelocht. So konnte das Trockengewicht des Rennwagens auf 1.260 kg gedrückt werden (Serie 959 Komfort: 1.450 kg).
Doppelsieg im Jahr 1986
Bereits in den beiden Vorjahren war Porsche bei der Rallye Paris-Dakar angetreten: 1984 gewannen René Metge und Dominique Lemoyne mit dem 953, einem Technik-Zwitter aus 911 und 959, die Automobil-Wertung, 1985 fielen alle drei eingesetzten 959 aus. 1986 sollte es also nun besser laufen – und es lief besser: René Metge und Dominique Lemoyne siegte abermals, diesmal im 959! Jacky Ickx und Claude Brasseur fuhren auf Platz zwei und der dritte 959 Paris-Dakar, ein eigentlich als Servicewagen eingesetztes Auto mit Projektleiter Roland Kussmaul und Wolf-Hendrik Unger im Cockpit belegt den sechsten Rang. Das komplette Trio befindet sich heute in der Sammlung von Porsche Heritage und Museum.
Während das Siegerfahrzeug dort unangetastet in seiner Zeitkapsel konserviert ist, wurde das anno 1986 zweitplatzierte Auto nun von fachkundiger Hand wieder in Betrieb genommen.
Kooperation von Porsche Museumswerkstatt und Porsche Classic
Hierzu arbeiteten die Teams der Porsche Museumswerkstatt und der Porsche Classic Werksrestaurierung Hand in Hand: Porsche Classic demontierte, revidierte und montierte beim Projekt „959-Wiederinbetriebnahme“ vorwiegend Motor, Getriebe und Achsantrieb, während die Museumswerkstatt sich um das komplette „Drumherum“ kümmerte: „Der Zustand des Fahrzeugs ist sehr gut, es gibt keine starken Deformierungen oder Korrosion. Wie bei jeder Restaurierung mit dem besonderen Auftrag, möglichst viel Substanz zu erhalten, prüft das Team jedes einzelne Bauteil und repariert oder ersetzt, wo es unumgänglich ist. Viele Teile von damals sind im seriennahen Prototypenstatus“, fasst Kuno Werner, Leiter der Museumswerkstatt zusammen.
Wie „original“ der Fahrzeugzustand vor der Restaurierung war, verdeutlicht die Tatsache, dass den Technikern bei der Demontage reichlich Sand und Dreck aus der Wüste Afrikas entgegenkamen: „Das ist auch für uns nicht alltäglich, sondern sehr faszinierend. Wir sehen heute anhand schlammähnlicher Verschmutzungen, dass der 959 Paris-Dakar Flüsse durchquert hat und dass Wasser im Innenraum stand“, verrät Kuno Werner und unterstreicht, dass der Fokus der Restaurateure eher auf der Konservierung, denn auf der Erneuerung lag: „Wir belassen selbst die Kabelbinder nach der Überprüfung und Instandsetzung sämtlicher Bauteile genau dort, wo sie einmal waren. Schließlich ist das Erscheinungsbild unwiederbringlich. Nur wenn wir die Blessuren von damals erhalten, können wir die Geschichte authentisch erzählen und sie bewahren.“
Steinbruch-Rollout mit Jacky Ickx
Um die Geschichte von 1986 möglichst lebendig werden zu lassen, luden das Team Porsche Heritage und Museum Jacky Ickx zum Rollout des „wiederbelebten“ 959 Paris-Dakar ein. Der damalige Pilot des Autos durfte das Fahrzeug in einem Steinbruch als Erster bewegen und zeigte sich nach der „Spritztour“ begeistert: „Im Auto kommen sofort Erinnerungen hoch, ich denke an die Leute, die mir das damals ermöglicht haben.“
Übrigens: Weitere interessante Einblicke in den Prozess der Wiederinbetriebnahme des Porsche 959 Paris-Dakar bietet die mehrteilige, gleichnamige Dokumentation auf dem Porsche YouTube Kanal.
Teil 1 gibt es hier zu sehen: