Das Teufelchen: Rasanter Entwicklungshelfer

VW 1200 „Teufelchen“ von Tafel Tuning

Freitagnachmittag, die Autobahn ist relativ leer. Auf meiner Perspektive wirkt der BMW X5, den wir gerade überholen bedrohlich groß. Der Tacho zeigt knapp 230 km/h, die digitale Anzeige der Drosselklappenstellung entspannte 40 Prozent. Ich blicke von meinem Beifahrersitz aus nach rechts rüber und wundere mich kurz über den verdatterten Gesichtsausdruck des BMW-Fahrers. Was hat er denn? Kurz hatte ich regelrecht vergessen, dass ein VW Käfer üblicherweise nicht in solchen Geschwindigkeitsbereichen unterwegs ist. Denn ich sitze auf dem Beifahrersitz des „Teufelchens“, wie ein Journalisten-Kollege den Jubi-Käfer vor vielen Jahren taufte.

Das in der Lufti-Szene regelrecht legendäre Fahrzeug dient Gerd Tafel und seiner Mannschaft von Tafel Tuning seit nunmehr 35 Jahren als „Entwicklungshelfer“. So wurden praktisch alle Innovationen und Prototypen des Unternehmens an diesem ehemaligen 1200er getestet und bis zur Serienreife entwickelt: vom Typ 4 2.8i-Motor mit vollelektronischer Einspritzung mit Doppelzündung bis hin zur 4-Scheiben-Bremsanlange mit TÜV-Zulassung bis 200 PS.

 

Doch das Teufelchen ist für Gerd Tafel weit mehr als nur ein Werkzeug, wie uns der passionierte Lufti-Schrauber und gefragte Motorenbau-Experte verriet: „Das Auto ist auch eine Art Selbstverwirklichung, in der sich meine Philosophie widerspiegelt. Ich verfolge mit ihm seit 35 Jahren eine Evolution, wie die Natur sie macht: viel probieren, manches annehmen, anderes verwerfen. Nur das fortführen, was wirklich Vorteile bringt. Das Auto soll schnell sein, ohne an Alltagstauglichkeit zu verlieren.“
Und genau so fährt sich das Teufelchen auch. Selbst nach heutigen Maßstäben sauschnell – aber dabei erstaunlich „normal“ und komfortabel. Auf dem Stand katapultiert sich der Käfer in nur 4,1 Sekunden auf 100 km/h, nochmal gut vier Sekunden später sind 160 km/h erreicht. Da muss sich selbst ein aktueller Porsche 992 Carrera schon ganz schön strecken, um dranzubleiben. Dennoch wirkt hier nichts wie ein Rennwagen: Das Auto liegt selbst jenseits von 200 km/h ruhig auf der Straße, nichts klappert oder pfeift. Aus dem Heck bollert der Boxermotor lustvoll und unangestrengt. Ein „Monster mit Manieren“.

Gekauft hatte Gerd Tafel, damals selbst gerade erst 25 Jahre alt und noch in den Schrauber-Kinderschuhen steckend, den 1986er Jubi-Käfer als Quasi-Neuwagen mit Restgarantie – allerdings auch mit einem zerknautschen Bug. Der Blechschaden war schnell behoben und die instandgesetzte Karosserie wurde samt Antrieb ziemlich unverzüglich auf eine 1974er Automatik-Bodengruppe umgesetzt. Diese stand – aufgebaut von Gerd Kummetat – bereits fertig in der Werkstatt. Überhaupt war die leider kürzlich verstorbene Käfer-Legende für Gerd Tafel nach dessen eigenem Bekunden stets Inspirator und Mentor, welche mit Unterstützung und Know-how trotz manchmal schroffer Verpackung nie geizte. Bereits zuvor hatte Dieter Korps Buch „Jetzt mache ihn ich schneller!“ die Initialzündung geliefert: Gerd Tafel war von dem Gedanken erfüllt, seinen Käfer nach oben ausgeführter Philosophie zu modifizieren. Dass Gerd Tafel bei seiner Arbeit immer gerne nach rechts und links schaute, gibt er freimütig zu: „Ich habe immer geschaut: Was machen andere richtig? Was machen andere falsch? Und welche Schlüsse kann ich daraus für meine Entwicklungen ziehen?“

Mehrere Motoren und unzählige Entwicklungsschritte hat das Teufelchen im Zuge seiner Evolution gesehen. Sehr früh schon kam ein 2,0-Liter-Typ 4 mit immerhin 177 PS an Bord, ein darauffolgender 2,7-Liter-Boxer brachte schon 210 bis 220 PS. Anno 1991 folgte dann eine regelrechte Pionierleistung: Der 2,7er wurde seiner Doppelvergaseranlage beraubt und stattdessen mit einer Einspritzanlage ausgerüstet, deren Konstrukteur nach liebevoll „Klaustronic“ genannt. „Die Technik damals war gegenüber heute regelreich rudimentär“, erinnert sich Gerd Tafel. „Grafische Benutzeroberflächen gab es nicht, die Programmierung haben wir in DOS gemacht. Heute ist natürlich andere Technik an Bord: Die aktuelle EMU-Einspritzung unseres 2.8i-Motors mit Doppelzündung lässt sich erheblich feiner und komfortabler managen.“ Nach aktuellem Technik-Stand leistet das Triebwerk 270 PS bei 6.500 U/min und wuchtet bereits gut 1.000 Touren früher stattliche 320 Nm auf die Kurbelwelle. Das macht eine spezifische Leistung von 95 PS/Liter – imposant für einen Sauger.

 

Eine echte Besonderheit gibt es auch hinsichtlich der Kraftübertragung zu berichten: Via einer Fichtel & Sachs-Sportkupplung ist ein 5-Gang-Getriebe von Gene Berg mit verstärkendem Rummenholl-Umbau an den Einspritzmotor angebunden. Es war das erste seiner Art überhaupt in einem Käfer in Deutschland. „Der dritte Gang geht bis 180 km/h, der vierte bis 240 km/h“, schmunzelt Gerd Tafel und verrät mit der ihm typischen Zurückhaltung erst auf Nachfrage, dass angesichts einer 3,875er Achsübersetzung im fünften auch bis zu 270 km/h drin sind. Das Superdiff-Differenzial kommt dabei ohne Sperre aus: „Haben wir im Zuge unserer Drag Racing-Einsätze mit dem Auto sowie auf der Straße getestet. Hat keine Vorteile gebracht“, erklärt Gert Tafel diese Entscheidung pragmatisch.
Überhaupt ging er stets nach der Prämisse vor, Modifikationen nie um ihrer selbst willen vorzunehmen, sondern Umbauten nur dann und dort zu machen, wo sie signifikante Vorteile mit sich bringen. Aus diesem Grund ist beispielsweise kein Heckstabilisator an Bord. Und auch auf eine Zahnstangenlenkung verzichtet Tafel bewusst: „Ich sehe hierzu keine Veranlassung. Die Lenkung funktioniert in Kombination mit einer Alu-Vorderachsabstützung bestens. Und mit einer Zahnstangenlenkung ist man ohne natürliche Dämpfung unterwegs, das kann bei 200 km/h auch ganz schön nachteilig sein.“


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„Auch die Antriebswellen sind Serie“, sagt Gerd Tafel zu unserer Überraschung. „Ich nutze sie als Sollbruchstelle. Wenn die im Zweifel als erstes nachgeben, dann ist das besser, als wenn das Getriebe oder gar der Motor Schaden nehmen.“ Klingt logisch.
An anderer Stelle begründet Gerd Tafel den Einsatz von Tuning-Parts mit technischer Notwendigkeit, die von anderen zumeist nur aus optischen Gesichtspunkten installiert werden: „Der Kamei-Frontspoiler ist das A und O bei hohen Geschwindigkeiten“, sagt der erfahrene Schrauber und: „Die Fuchs-Felgen sind perfekt für den Käfer: stabil und ziemlich leicht. In Kombination mit der Goodyear Efficient Grip-Bereifung sparen wir rund 20 Kilogramm ungefederter und rotierender Masse gegenüber der Serie ein. Das sind Welten im Hinblick auf die Fahrdynamik!“

Beispiel einer mit Hilfe des Teufelchens zur Serienreife gebrachten Eigenentwicklung ist dessen Tafel-Bremsanlage: vorne 2-Kolben-Bremssättel auf 278-mm-Kerscher-Scheiben mit spezieller Tafel-Lochung, hinten Schwimmsättel auf 262-mm-Scheiben, dazu ein Bremskraftverstärker. Klingt unspektakulär, ist aber vom TÜV zugelassen für Käfer bis 200 PS! Zusätzlich ist ein Line Lock an Bord, mit welchem die Bremsen der Vorderachse separat blockiert werden können. „Man will ja auch etwas Spaß haben“, scherzt Gerd Tafel – und dabei entweicht dem sonst meist recht ernst und wortkarg erscheinenden Techniker ein Lächeln, welches viel mehr verrät als viele Worte.

Falls ihr also einen dicken BMW fahrt und im Ruhrgebiet bei jenseits von 200 km/h ein zunächst unscheinbarer, zinngrauer Käfer im Rückspiegel auftaucht: Wundert euch nicht! Es könnte das Teufelchen sein…

Weitere Informationen gibt es bei:

Tafel Tuning
Wittener Landstraße 34a
58313 Herdecke
Tel.: 02330 / 80260
E-Mail: info@tafel-tuning.de
www.tafel-tuning.de

Technical Facts

VW 1200 „Jubi-Käfer“

Baujahr: 1985

Karosserie: Kamei-Frontspiler, GFK-Trittbetter, LED-Scheinwerferlampen, schwarz/rot/weiße Rückleuchten

Motor: 2,8-Liter-Typ 4-Boxermotor, JE-Kolben 105 mm, Pauter-Pleuel, 82-mm-Kurbelwelle, Engine Plus-Zylinderköpfe, 6 Stehbolzen pro Zylinderkopf (eigenes Patent), Pauter-Nockenwelle (340 Grad, 10,4 mm Hub), Pauter-Kipphebel, 50,5/41-mm-Ventile von Mercedes, EMU-Einspritzanlage mit ESNU-Einspritzventilen, Doppelzündung mit 8 Iridium-Kerzen, wasserdichte NGK-Zündkerzenstecker aus dem Bootsbau, Bosch-Benzinpumpe, Klaus-Gebläse, Zentralluftfilter mit speziellen Glocken, 50-mm-Jenvey-Drosselklappe, selbstzentrierendes Klaus-Gasgestänge, Reinholz-Auspuff mit Tafel-Innenleben, Setrab-Ölkühler

Kraftübertragung: 5-Gang-Getriebe von Gene Berg mit Rummenholl-Umbau, 3,875er Achsübersetzung, Fichtel & Sachs-Sportkupplung (228 mm), Superdiff-Differenzial ohne Sperre, OEM-Antriebswellen

Fahrwerk: Rasterplatten-VA mit Aluminium-Abstützung, ca. 40-50 mm Tieferlegung, Bilstein-Stoßdämpfer (HA 40% härter als Serie, VA wie Serie), Bilstein-Lenkungsdämpfer

Rad/Reifen: Fuchs-Felgen in 6×16 und 7×16 Zoll, Goodyear Efficient Grip-Bereifung in 205/50R16 und 205/55 R16

Bremsen: Tafel-Bremsanlage, VA 2-Kolben-Bremssättel mit 278-mm-Scheiben, HA 1-Kolben-Sättel mit 262-mm-Scheiben, Kerscher-Bremsscheiben mit Tafel-Lochung, Stopfix-Bremsbeläge, VA mit Line Lock

Innenraum: Recaro-Sportsitze, Nardi-Sportlenkrad, Tablet für EMU mit Datalogging, Porsche-Velours-Teppich, Blaupunkt-Kassettenradio mit Lenkrad-Fernbedienung, Eberspächer-Standheizung