W124er mit Styling-Parts aus der Supercar-Schmiede
Petrolheads und Supersportwagen-Kenner werden bei der Erwähnung der Marke „Lotec“ wohl zuallererst an das 1990er-Jahre-Hypercar-Einzelstück C1000 und dessen nach der Jahrtausendewende präsentierten Nachfolger Sirius denken. Beide schickten sich an, die schnellsten Straßensportwagen ihrer Zeit zu werden, gingen aber nie in Serienfertigung. Dabei hatte Firmengründer und Konstrukteur Kurt Lotterschmid – heute 83 Jahre alt – zuvor bereits eindrucksvoll bewiesen, dass er sich auf Speed versteht: Mit diversen, teils selbst entwickelten Rennwagen trat er als Fahrer in unterschiedlichen Motorsport-Klassen an und fuhr bemerkenswerte Erfolge ein. Mercedes-Freunde wissen jedoch ferner, dass darüber hinaus in den 1980er-Jahren auch Styling-Parts und Performance-Upgrades für Mercedes-Modelle zum Lotec-Tagesgeschäft gehörten. Einen vollständigen Lotec-Karosserieumbau erhielt so der auf diesen Seiten gezeigten W124.
Besitzer des Fahrzeugs ist Ulf Ziesing aus Bochum, ein passionierter Mercedes-Fan. Dabei wurde dem 30-jährigen Maschinenbauingenieur die Leidenschaft für Fahrzeuge mit dem Stern regelrecht in die Wiege gelegt: Schon seine Großmutter besaß einst einen 190 E 2.3-16, der Großvater fuhr einen W124 300 D Turbo und Ulfs Mutter schließlich einen W124er 300er Saugdiesel. Häufig durfte der Ulf als Kind zudem mit Opas Unimog 411.110-Oldtimer mitfahren, den er nach dem Tod des alten Herren vor einigen Jahren erbte und stilistisch auf „zeitgenössischen Forstbetrieb“ restaurierte. Das Universal-Motor-Gerät aus dem Baujahr 1960 ist damit zwar sehr schick und historisch wertvoll – angesichts einer Höchstgeschwindigkeit von nur 53 km/h aber auch alles andere als alltagstauglich.
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Ulf machte sich also auf die Suche nach einem etwas alltagsgeeigneteren Oldie. Ein Mercedes aus den 80ern sollte es sein, soviel war klar. Am liebsten hätte Ulf als echtes „Kind des Ruhrgebiets“ und Fan von Kinofilmen wie „Manta Manta“ und „Bang Boom Bang“ einen „W201 mit D&W-Tuning“ gehabt. Fand er aber nicht im gewünschten Erhaltungszustand. Stattdessens stolperte er vor drei Jahren über den hier abgebildeten 124er, der in Poing bei München zum Verkauf stand. Und das gewissermaßen aus „erster Hand“, denn seit der Erstzulassung wurde das Fahrzeug nur innerhalb der Familie des Erstbesitzers weitergegeben.
Dieser gab den 1986er 300 E – seinerzeit das Topmodell der Baureihe – schon wenige Tage nach der Abholung des Neuwagens in die Hände von Kurt Lotterschmid: Im Lotec-Stammsitz in oberbayerischen Kolbermoor kleidete der Tuner die in markantem Petrol Metallic lackierte Limousine in einen umlaufenden Karosseriebausatz, der neben Spoilerstoßstangen vorne und hinten auch Seitenschweller umfasst. Mögen diese Anbauteile dem Laien erst auf den zweiten Blick auffallen, drängen sich die weiteren Modifikationen an Bug und Heck umso deutlicher ins Auge: Das Antlitz des W124 prägt eine optisch dem großen SEC-Coupé nachempfundene Lotec-Front samt komplett neuer Motorhaube. Die in die Scheinwerfer integrierten Nebelleuchten werden von dieser verdeckt und wurden dementsprechend abgeklebt und entleert. Achtern gab es einen komplett neuen Schacht-Heckdeckel mit integriertem Spoiler. Zwischen den Rücklichtern wurde zudem eine Lorinser-Heckblende installiert, welche deren Farben Orange und Rot aufgreift.
Im Zuge des Lotec-Umbaus zogen auch gleich die hauseigenen Tieferlegungsfedern ein, welche den werksseitig recht hochbeinigen W124 um rund 40 Millimeter absenken. Relativ satt stehen somit auch die Remotec-Kreuzspeichenfelgen in 8×16 Zoll samt Pirelli P7-Pneus in 205/55R16 und 225/50R16 in den Kotflügeln. Technisch unangetastet bliebt indes der M 103-Reihensechszylinder, welcher aus drei Litern Hubraum immerhin 180 PS schöpft und diese via einer 4-Stufen-Automatik an die Hinterräder schickt.
Absolut stilecht präsentiert sich der 300 E-Fahrgastraum: Die ihrerzeit mit umfangreichen elektrischen Verstellmöglichkeiten und Heizung absolut fortschrittlichen Recaro CSE-Sportsitze, welche einst von einer Mercedes-Benz-Niederlassung fachgerecht installiert wurde, sind mit flauschigen Lammfellbezügen umhüllt. Das edle Ambiete des Cockpits wurde mit zusätzlichen Zebrano-Holz-Leisten à la S-Klasse W126 nochmals unterstrichen.
Technical Facts
Mercedes-Benz W124 300 E
Baujahr: 1986
Karosserie: Lotec-Verspoilerung umlaufend (Frontspoilerstoßstange, Heckstoßstange mit integrierter Schürze, Seitenschweller), Lotec-SEC-Front inkl. Haube, Schacht-Spoiler-Heckdeckel, Lorinser-Heckblende in Orange/Rot, Lackierung in Petrol Metallic
Motor: 3,0-Liter-Reihensechszylinder (M 103), 180 PS
Kraftübertragung: 4-Gang-Automatik
Fahrwerk: Lotec-Tieferlegungsfedern (40 mm)
Rad/Reifen: Remotec-Kreuzspeichenfelgen in 8×16 Zoll, Pirelli P7-Bereifung in 205/55R16 und 225/50R16
Innenraum: Recaro CSE-Sitze in Werksvelours in Creme-Beige (mit Lammfell-Bezügen), zusätzliche Zebrano-Leisten (W126)