Klassik, Alpina B6 2.8
Im vergangenen Sommer ging ein Beben durch die Community, welches sich für weite Teile der BMW-Community zwar nur wie ein leichter Erdstoß, für die kleine aber feine Alpina-Fangemeinde hingegen wie eine desaströse 10 auf der Richterskala anfühlte: BMW und Alpina gaben bekannt, dass der in Buchloe beheimatete, exklusive Kleinserienhersteller seine Markenrechte zum Ablauf des Jahres 2025 an den Münchener Auto-Giganten verkauft habe. Was genau BMW mit der neu erworbenen Marke anstellen wird, ist noch unklar: Denkbar ist eine modellstrategische Platzierung in der Lücke zwischen BMW und Rolls-Royce.
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Das Familienunternehmen aus dem Allgäu indes möchte sich ab diesem Tag, dem Vernehmen nach unter dem Familien- und dann auch Markennamen „Bovensiepen“, auf klassische Fahrzeuge konzentrierten – sinnigerweise natürlich insbesondere auf historische Alpina-Modelle. Damit wird dann wohl die Ära von Alpina als eigenständigem Hersteller von Personenkraftwagen auf Basis von Produkten der BMW AG enden, zu welchem das am 1. Januar 1965 gegründete Unternehmen nach einigen Jahren als BMW-Tuner sowie Motorsport-Ausrüster in den späten 1970ern wurde. Der erste „echte“ Alpina-Typ war so der ab November 1978 gefertigte B6 2.8 auf BMW E21-Basis, der – in Ermangelung eines starken E21-Modells in der BMW-Palette – gewissermaßen das Erbe des wilden BMW 2002 turbo antrat. Dazu allerdings setzten die Alpina-Techniker nicht auf Turbo- oder Kompressor-Aufladung, sondern verpflanzten vielmehr das bärenstarke 2,8-Liter-Sechszylinder-Herz (M30B28) in den E21, welches beispielsweise auch im E23 728i oder im E24 628i für souveränen Vortrieb sorgte.
Stärker als ein E30 M3, schneller als ein Porsche 928
Nun war der kleine E21 allerdings nicht nur deutlich leichter als diese Schwergewichte, sondern der Motor wurde von Alpina darüber hinaus auch noch signifikant übearbeitet: Zylinderkopf und Block sind modifiziert, dazu hielten geschmiedete Mahle-Kolben Einzug. Der B6 2.8 war ferner das erste Serienautomobil mit einer vollelektronischen Zündanlage (kontaktlose Hartig-Computer-Zündanlage mit Hochspannungsverteilung) und verfügte anfangs darüber hinaus über eine elektronische Pierburg/Zenith-DL-Kraftstoffeinspritzung, sodass der frei saugende Reihensechser von 1978-1981 bereits 200 PS / 248 Nm entwickelte. Eine stärkere Ausbaustufe mit Bosch L-Jetronic und AFT-Zündung stemmte ab 1981 sogar 218 PS und 265 Nm in das für Alpina überarbeitete Getrag 245-5-Gang-Schongetriebe. Damit war der Alpina B6 2.8 seinerzeit bereits stärker motorisiert als die (deutlich jüngere) Tourenwagen-Legende E30 M3 und schon die „kleine“ 200-PS-Version fuhr auf dem Hockenheimring schnellere Zeiten als der 240 PS starke Porsche-Sportwagen 928. In puncto Fahrwerk spendierte Alpina dem B6 2.8 für eine satte Straßenlage Bilstein-Gasdruckstoßdämpfer, straffe Ahle-Federn sowie dicke Stabilisatoren. Die klassischen Alpina-20-Speichen-Felgen messen 6×15 sowie 7×15 Zoll und wurden mit 195/50er und 205/50er Bereifung kombiniert. Hinter den Vorderrädern warten belüftete 255-Millimeter-Bremsscheiben und Zweikolben-Festsättel auf ihren Einsatz.
Optisch verschafft sich der B6 mit einem mächtigen Frontspoiler Überholprestige, auf dem Heckdeckel sitzt eine weiche Kunststoff-Heckspoilerlippe. Zwischen 1978 und 1983 wurden in Buchloe insgesamt 533 Exemplare des B6 2.8 gefertigt, davon 209 Stück mit der 218-PS-Motorisierung.
Nr. 051/533
Die Plakette des hier abgebildeten B6 2.8-Exemplar trägt die Produktionsnummer 51. Das Fahrzeug wurde im vergangenen Dezember als Teil der „Youngtimer Collection“ von international renommierten Auktionshaus RM Sotheby’s in Miami Beach/Florida versteigert.
Erstauslieferung in Liechtenstein
Die kleine Seriennummer verrät, dass es sich um einen recht „frühen“ B6 2.8 handelt: Gefertigt wurde das Auto im Juni 1979. Ursprünglich wurde die Sportlimousine im Farbton Polaris (060), bevor die in Triesen/Liechtenstein beheimatete Max Heidegger AG – damals wie heute offizieller Alpina-Importeur für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein – es an ihren Kunden erstauslieferte. Auf der historischen Sonderausstattungsliste stehen Extras wie Servolenkung, elektrisch verstellbare Außenspiegel, ein mechanisch betätigtes Stahlkurbel-Hebedach sowie ein 25-Prozent-Sperrdifferenzial.
Von Polaris nach Zypressengrün
Seinen heutigen Farbton Zypressengrün metallic, welcher dem B6 2.8 wirklich ausgesprochen gut steht, erhielt der Alpina im Lauf seiner bewegten Geschichte: Augenscheinlich blieb das Auto bis 1995 in Liechtenstein, bevor es dann bis 1999 im schweizer Kanton Bern beheimatet war. Ein nächstes „Lebenszeichen“ findet sich in der Fahrzeughistorie im November 2011, wo „B6-051“ in den Niederlanden zugelassen wurde. Seit dem Jahr 2020 schließlich stand der Alpina warm und trocken in Dubai – gemeinsam mit vielen weiteren Klassikern einer gut sortieren Automobilsammlung.
Ob die charakteristische Alpina-Innenausstattung mit blau/grün gestreiften Recaro-Sportsitzen, vierspeichigem Momo-Sportlenkrad, hölzernem Schaltknauf und Zusatzinstrumenten am unteren Ende der Mittelkonsole originale erhalten ist oder zwischenzeitlich einmal restauriert wurde, ist uns nicht bekannt. Fest steht jedenfalls, dass beispielsweise die Velours-Sitze angesichts einer am bis 260 km/h reichenden Tachometer abgelesenen Kilometerleistung von gut 154.000 km ohne zwischenzeitliche Aufarbeitung in erstaunlich gutem Erhaltungszustand wären.
Den schönen Zustand des Versteigerungsobjekts würdigten die Kaufinteressenten mit hohen Geboten: : Der Hammer fiel erst bei 67.200 US-Dollar, nach derzeitigem Wechselkurs also rund 61.000 Euro.