Ford ½ Ton Pick-up „Barrel Nose“
Die großen Pick-ups aus dem Hause Ford sind in den USA seit Jahrzehnten sehr beliebt und wurden millionenfach verkauft. Daher haben selbst von Baureihen, die schon längst Oldie-Status erreicht haben, zumeist recht viele Exemplare bis heute überlebt. Wenn man jedoch nur weit genug in der Historie zurückblickt, dann ändert sich das irgendwann dennoch. So können wir auf diesen Seiten eine regelrechte Rarität vorstellen: Es handelt sich um einen Halbtonner-Pick-up aus dem Baujahr 1939. Dieser ist sogar in Nordamerika selten, da Ford ihn seinerzeit in erster Linie als Militärfahrzeug für den Zweiten Weltkrieg baute und verkaufte und nicht an Privatpersonen. Somit sind die Fahrzeuge heutzutage bei Liebhabern begehrt, die laut Etienne Bleich für gut erhaltene Exemplare gerne einmal mehr als 50.000 Dollar hinlegen.
Und Etienne muss es wissen, schließlich ist er gemeinsam mit seiner Frau Jasmin aktuell noch Besitzer des abgebildeten Fahrzeugs. Ihre Herzen schlagen in erster Linie für VW-Oldies mit luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotoren – doch andererseits reizten die alten, amerikanischen V8-Pick-ups Etienne ebenfalls schon lange. Und stand vor etwa zwei Jahren der Beschluss fest, dass ein solcher die Fahrzeugsammlung bereichern sollte. Dass der 1939er sogenannte „Barrel Nose“-Ford gerade in diesem Moment zum Verkauf stand und der Braunschweiger auf ihn stieß, war reiner Zufall und pures Glück – schließlich kann man sich denken, dass das Modell, wenn man es schon in den USA selten findet, diesseits des Atlantiks umso rarer ist. Schon während der Besichtigung des Pick-ups, der damals noch komplett anders aussah, entstand in Etiennes Kopf ein erstes Bild dessen, was man aus ihm würde machen können. Und so war der Kauf schnell besiegelt. Vier Wochen später fiel mit der Abholung der Startschuss für die Restaurierung und den Umbau.
Neues Karosserie-Outfit im Patina-Look
Zunächst wurden beispielsweise die montierten Holzbeplankungen entfernt, das Chassis – insbesondere der Trägerrahmen – komplett überholt und versiegelt. Statt des vorherigen, bunteren Outfits bekam der Ford eine neue Lackierung in Braun – nur um auf dieser dann mithilfe von Originalfotos aus den USA und im Rahmen eines langen „Trial and Error“-Prozesses durch Abschleifen künstlich einen realitätsgetreuen Used Look im Patina-Stil zu erzeugen. Das Ergebnis ist so realistisch, dass die Patina 2018 bei einem US-Car-Treffen, bei dem der Truck den „Best of Oldstyle“-Preis erringen konnte, viele Betrachter sie sogar für echt hielten. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die in Handarbeit mit Pinseln zusätzlich aufgetragenen Werbeschriften und weiteren Verzierungen der Karosserie gleichfalls eine perfekte Vintage-Optik aufweisen.
Individualisierter Hot Rod-Style
Über die beeindruckende Oldschool-Optik hinaus erhielt die Karosserie diverse zusätzliche Verfeinerungen. Das Dach ist um ganze Vier Zoll gechoppt und auf den vorderen Kotflügeln sitzen die seltenen Scheinwerfer eines GMC-Militärfahrzeugs aus dem Krieg – in Kombination mit obenauf installierten Custom-Blinkern. Die rückwärtigen Pendants stammen von einem Studebaker und sind in die hinteren Kotflügel integriert. Ferner ist die mit Luftauslässen versehene Motorhaube vorne verlängert und der große, aufrechte Kühlergrill entsprechend gekürzt. Die seitlichen Wände des Maschinenraums entfielen zu Showzwecken. Auf der Beifahrerseite sitzt vor der Frontscheibe ein zusätzlicher Suchscheinwerfer, der von einem DDR-LKW stammt. Zudem sind die Custom-Stoßstangen neu. Dabei ist hinter jener am Heck, unterhalb der von innen verriegelten Ladeflächenklappe, eine zusätzliche Blende montiert: Sie verdeckt die Abgasanlage, sodass nur die Endrohre aus ihr herausragen. Auf dem Trittbrett hinter der Fahrertür steht der originale Reservekanister von einem Willy’s aus dem Zweiten Weltkrieg samt des zugehörigen Haltegurts. Ein weiteres Highlight ist zu guter Letzt die Ladefläche: Auf ihrem Boden wurde eine moderne MDF-Platte verklebt, welche wiederum mit alten Holzplanken, original aus Kanada stammend, verschönert ist. Darauf montierte Etienne ein in den 1960ern aus Differenzialen sonderangefertigten Seilwinden-Kran, sodass der Ford zum Abschleppwagen mutierte. Umgeben ist er von Vintage-Accessoires wie einem Pepsi Cooler, Werkzeug und einem alten Staubsauger. Ebenso absolut zeitgenössisch sind die 15-Zoll-Stahlfelgen mit Weißwandbereifungen in 5.60-15 und 8.20-15.
Zapfhahn als Schaltknauf
Gleichfalls aufgewertet zeigt sich das Interieur. Während das originale Lenkrad mit integriertem Lichtschalter erhalten blieb, sind die Türverkleidungen und der Dachhimmel neu mit grauem Kunstleder bezogen. Das passend grau lackierte Armaturenbrett trägt Pinstripe-Zierde. Davor befindet sich der weit aufragende Schalthebel des Handschaltgetriebes, als dessen Schaltknauf ein alter Bud Light-Zapfhahn fungiert. Unterhalb des mit überholten respektive moderneren Rundinstrumenten ausgerüsteten Armaturenbretts sind einige Zusatzschalter verbaut. Zu guter Letzt erhielt die Sitzbank neue Bezüge, dieser sind jedoch nicht sichtbar, da zusätzlich eine mexikanische Satteldecke übergelegt ist.
Neuer V8 und Tieferlegung
Schon ab Werk saß unter der Haube des Pick-ups ein V8. Während es sich zunächst jedoch um ein Aggregat mit 3,9 Litern Hubraum handelte, sorgt mittlerweile ein 4,2-Liter-French-Flathead-Achtzylinder für Vortrieb. Dieser ist unter anderem mit einem Hochleistungslüfter ausgerüstet und die Abgasanlage mit Cherrybombs schließt sich über einen Performance-Krümmer an. Der Output des Triebwerks beläuft sich auf etwa 125 PS und lädt eher zum gemütlichen Cruisen, denn zum dynamischen Heizen ein – zumal ungefähr 2,3 Tonnen Fahrzeuggewicht bewegt werden müssen. Dennoch sorgt eine modernisierte Bremsanlage, vorne mit Scheiben, hinten mit Trommeln, zuverlässig für gute Verzögerung. Last but not least durfte dem Pick-up zur perfekten Abrundung eine Tieferlegung – basierend auf dem originalen Fahrwerk – nicht fehlen. Sie wurde ohne Rahmenschnitte oder sonstige irreversible Eingriffe bewerkstelligt: Die Vorderachse ist um vier Zoll gedroppt, hinten sind die Blattfedern inklusive der Blöcke umgedreht. Um das zusätzliche Gewicht durch den Kran tragen zu können, ist darüber hinaus die Aufhängung verstärkt.
Technical Facts
Ford ½ Ton Pick-up „Barrel Nose“
Baujahr: 1939
Motor: 4,2-Liter-French-Flathead-V8-Ottomotor, 24 Schrauben pro Zylinderabdeckung, elektrischer Hochleistungslüfter, Performance-Krümmer, zweiflutige Abgasanlage mit Cherrybombs, ca. 125 PS
Kraftübertragung: manuelles Getriebe
Fahrwerk: originale Vorderachse im vier Zoll gedroppt, HA umgedrehte Blattfedern inkl. Blöcken zur Tieferlegung, Aufhängung verstärkt, alles auf originalem Fahrwerk aufgebaut ohne Rahmenschnitte o.ä.
Rad/Reifen: Stahlräder in 15 Zoll mit Firestone-Weißwandbereifung in 5.60-15 und 8.20-15
Bremsen: VA Scheibenbremsanlage, HA Trommelbremsen, Steuerung durch Bremskraftverteiler, kein Bremskraftverstärker
Karosserie: Dach um vier Zoll gechoppt, Custom-Stoßstangen, Motorhaube verlängert und Grill gekürzt, Luftauslässe (Louvres) in der Motorhaube, keine seitlichen Wände am Motorraum, Scheinwerfer vom 1942-1945er GMC-Militärwagen mit obenauf sitzenden Custom-Blinkern, Suchscheinwerfer vom DDR-LKW vor der Frontscheibe auf der Beifahrerseite, Rückleuchten und hintere Blinker vom 1941er Studebaker in hintere Kotflügel eingearbeitet, originaler Willy’s Reservekanister aus dem Zweiten Weltkrieg samt Haltegurt, Abgasanlage mit Blende versehen, Heckklappe innen verriegelt, Ladefläche mit MDF-Platte sowie alten kanadischen Holzplanken versehen, Seilwinden-Abschleppkran auf der Ladefläche, Neulackierung in Braun mit bewusst erzeugtem Used Look im Patina-Stil, Unternehmens-Werbebeschriftungen und weitere Details im Vintage-Look per Hand aufgepinselt (Used Look Company), Karosserie anschließend versiegelt
Innenraum: originales Lenkrad mit integriertem Lichtschalter, originale Sitzbank neu bezogen und mit mexikanischer Satteldecke versehen, Türverkleidungen und Dachhimmel neu bezogen mit grauem Kunstleder im Vintage-Look, graues Armaturenbrett mit Pinstripes, diverse Zusatzschalter unter dem Armaturenbrett, Innenbeleuchtung neu, Schalthebel mit Bud Light-Zapfhahn als Griff
Sonstiges: Bodengruppe komplett restauriert, u.a. Trägerrahmen überholt und versiegelt, Lichtmaschine komplett von innen erneuert, komplett neuer Custom-Kabelbaum mit zusätzlichen Relais sowie Sicherungen und neuen Schaltern, Ladefläche mit Vintage-Beladung wie Pepsi Cooler sowie altem Staubsauger und Werkzeug versehen