Käfer-Showstar!

Käfer-Showstar

Mit dem Tuning von historischen Luftis ist das bekanntlich so eine Sache: Während die Custom-Fraktion sich mit Verve in mehr oder weniger zeitgenössische Optik- und Technik-Modifikationen ihrer Klassiker stürzt, sind Abweichungen vom Originalzustand jedweder Art den Liebhabern und Sammlern möglichst originalgetreu erhaltener Oldtimer ein Graus. Und so dürften die beiden Fraktionen angesichts des hier präsentierten Käfers auch höchst unterschiedlich reagieren, der in praktisch jeder Hinsicht vom 1968er 1300er abweicht, als der er einst vom Wolfsburger Band lief: die einen mit Verzückung, die anderen mit Abscheu. Auch letztere Auffassung trägt Uwe Fabritius, der Besitzer und Erbauer des VWs mit Fassung, ist er sich der polarisierenden Wirkung seines Vehikels doch gänzlich bewusst.

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Uwe, der seit einem Verkehrsunfall in früher Kindheit mit einer Unterschenkelprothese lebt und sein Geld – ganz pragmatisch – als Orthopädiemechaniker verdient, investierte unzählige Schrauberstunden in sein Fahrzeug. Und getreu dem viel zitierten Volkswagen-Motto „Er läuft und läuft und läuft…“ legte er über die Jahre auch mehr als 110.000 km mit dem Käfer zurück – auf eigener Achse, versteht sich. In seinem aktivsten Jahr steuerte Uwe rekordverdächtige 37 Treffen an. Auch Langstreckenfahrten ist der Käfer gewohnt: Uwes Treffen-Trips führten unter anderem zur Tuningshow Cap`d Agde und zur Amnesia Tuningshow nach Frankreich sowie zur AMTS nach Budapest.

15-jährige Umbau-Evolution

Der außergewöhnliche Look des Käfers entstand nicht „auf einen Schlag“, sondern ist – wie so oft in solchen Geschichten – das Ergebnis einer langjährigen Evolution: Seit 2004 ist der VW im Besitz des 38-Jährige aus dem baden-württembergischen Brackenheim und hat seit jeher umfangreiche Optik- und Technik-Modifikationen erfahren, mit einem kompletten Neuaufbau im Winter 2010/2011 als Höhepunkt. Letzterer geschah nicht nur aus Lust und Laune, sondern auch weil Schweller-Rost infolge verstopfter und beschädigter Schiebedachabläufe ganze Arbeit geleistet hatte. Bei den fälligen Restaurierungen stand Uwe, der zu diesem Zeitpunkt von Blecharbeiten wenig Schimmer hatte, sein Kumpel Chris hilfreich zur Seite. Die Kotflügel wurde vorne innen um 2,5 Zentimeter verbreitert, hinten sind es sogar satte 11 Zentimeter pro Seite. Passend dazu wurden selbstverständlich auch die Stoßstangen und die Trittbretter entsprechend verbreitert. In den Bug wurden Scheinwerfer vom 911er eingesetzt und vor der Lackierung in eine „zackige“ Kombination aus Beige und Schwarz mit roten Airbrushes auf den Flanken wurden die Zierleisten säuberlich gecleant. Die roten Akzente setzte Uwe mit Hilfe seines Freundes Moh übrigens persönlich, bevor der Lackierer den klaren Decklack auftrug.

Keilform dank Buggy-Rädern

In den voluminösen Kotflügeln drehen sich „Buggyfelgen“ von Lemmerz in den für den Volkswagen eigentlich untypischen Formaten 5,5×15 Zoll ET26 und 8×15 Zoll ET-25! Ebenso unterschiedlich fallen naturgemäß die Dimensionen der Bereifung aus: 195/60R15 an der Lenk- und 275/60R15 an der Antriebsachse. Apropos Achsen: Vorne rotiert eine um fünf Zentimeter gekürzte Achse, welche in Kombination mit Tieferlegungsachsschenkeln, Luftfederbälgen und einem gekürzten Stabi ein tiefes Eintauchen der Vorderräder hinter die Radlaufkanten erlaubt. Die fetten Walzen hinten bauen trotz Schräglenker-Hinterachse mit Koni-Dämpfern deutlich höher, sodass unter dem Strich eine deutliche Keilform resultiert.

Außergewöhnlicher Motor-Look

Wirklich beeindruckend ist auch der Blick in den Maschinenraum: Öffnet Uwe den Heckdeckel fällt der Blick zunächst auf ein geradezu skulpturales Carbon-Gehäuse zwischen den Vergasern, welches das liegender Riechert-Lüfterrad beherbergt. Aus 94 Millimeter Bohrung und einem 82er Hub resultieren 2,3 Liter Hubraum, zudem ist eine scharfe Nockenwelle an Bord. Den Schmiermittel-Kreislauf rüstete Uwe mit einer großen Ölpumpe sowie einem G60-Kühler auf. Die Abgase des rund 140 PS starken Boxers strömen durch eine CSP Competition-Abgasanlage mit J-Rohren ins Freie. Auf Anforderung rennt der Käfer so aufgerüstet bis zu 215 km/h schnell. Spaß macht das im Custom-Käfer allerdings nicht wirklich, sodass Uwe sich zumeist auf souverän motorisiertes Cruisen verlegt.

Automatik-Umbau

Entgegen kommt Uwe aufgrund seines körperlichen Handicaps – von welchem man übrigens praktisch nichts bemerkt, solange der sportliche Mittdreißiger lange Hosen trägt – natürlich, dass der einstige 1300er mit einer vom 1500er stammenden Fichtel & Sachs-Halbautomatik ausgerüstet ist. Diese wurde angesichts der erheblichen Leistungssteigerung um rund 300 Prozent via einer belastbaren Sintermetall-Kupplung angebunden. Zudem kam eine verstärkte ATF-Pumpe an Bord.

Custom-Interieur mit HiFi-Schwerpunkt

Reichlich tat sich auch im Käfer-Fahrgastraum: Passend zu den Cobra-Schalensitzen ohne Kopfstützen bezog Uwe die Rücksitzbank mit schwarzem Leder. Auch den Dachhimmel und die Teppiche nähte er im Sanitätshaus eines ehemaligen Arbeitgebers höchstpersönlich. Über die Sitze spannt sich ein Überrollbügel mit Querstrebe.

Eigenanfertigungen sind auch die Lautsprecheraufnahmen in den Fußräumen sowie die Hutablage, welche Uwe jeweils in Heimarbeit aus GFK laminierte. Gemeinsam beherbergen sie ein ganzes Arsenal von Gladen-Lautsprechern, während sich die Gehäuse der beiden JL 12W3V3-Subwoofer unter der Sitzfläche der Rücksitzbank befinden. Die Front- und Hecksysteme werden von einer ESX4210-Endstufe befeuert, während eine ESX200D die Bässe antreibt. Beide Endstufen befinden sich hinter der Eigenbau-Rücklehne der Rücksitzbank. Die Batterie und die Halbautomatik-Module (Unterdruckspeicher, ATF-Tank & Schaltventil) sitzen unter der Hutablage.

Während im sichtbaren Armaturenbrett ein klassisches, aber funktionsloses Radio sitzt, versteckte Uwe die aktive Alpine-Headunit samt einer schmucken Carbon-Blende im Handschuhfach. Große Teile der HiFi-Verkabelung wurden übrigens im dafür umfassend modifizierten Saba Lindau-Radio unter der Fronthaube versteckt.

Übrigens: Hier in WOB Klassik gibt Uwes Käfer seine Abschiedsvorstellung. Jedenfalls in seiner hier abgebildeten Form, denn zur Saison 2020 plant Uwe eine tiefgreifende Neuerung. Über diese allerdings haben wir strenges Stillschweigen vereinbart, sodass das Geheimnis erst in einigen Wochen gelüftet werden wird…

 

Technische Daten

VW 1300 / 1500

Baujahr: 1968

Karosserie: Kotflügel vorne innen um 2,5 cm verbreitert, Kotflügel hinten innen um 11 cm verbreitert, Stoßstange hinten und Trittbretter entsprechend verbreitert, Scheinwerfer vom Porsch 911, Zierleisten gecleant, Lackierung in Beige mit kleinen Airbrushes auf den Seiten

Motor: luftgekühlter 2,3-Liter-Boxermotor, 94 mm Bohrung, 82 mm Hub, scharfe Nockenwelle, liegendes Lüfterrad von Riechert in Carbon-Gehäuse, große Ölpumpe, G60-Ölkühler, CSP Competition-Abgasanlage mit J-Rohren, ca. 140 PS

Kraftübertragung: Fichtel & Sachs-Halbautomatik, Sintermetall-Kupplung, verstärkte ATF-Pumpe

Fahrwerk: VA 5 cm gekürzt mit Tieferlegungsachsschenkeln, Luftfederbälgen und gekürztem Stabi, Schräglenker-HA mit Koni-Dämpfern

Rad/Reifen: Lemmerz-Buggyfelgen in 5,5×15 Zoll ET26 und 8×15 Zoll ET-25, Bereifung in 195/60R15 und 275/60R15

Innenraum: Cobra-Schalensitze, Überrollbügel, Stoppuhren am Beifahrer-Armaturenbrett, modifizierte Pedalerie

Multimedia: Alpine-Radio im Handschuhfach, ESX-Endstufen, GFK-Lautsprecheraufnahmen im Fußraum, Gladen-Lautsprecher, GFK-Hutablage, JL Audio-Subwoofer in der Rücksitzbank, verbreitertes Saba Lindau-Radio unter der Fronthaube