Schweden-Tuning par excellence
Wir schauen auf der Suche nach spektakulären, ungewöhnlichen Projektfahrzeugen immer wieder gerne Richtung Skandinavien. So zeigten wir hier bereits mehrere beeindruckende und außergewöhnliche Umbauten aus Schweden oder auch Finnland. Als nächstes folgt nun dieser Power-Oldie. Er basiert auf einem Saab 99 aus dem Jahr 1974. Angesichts dieses bei uns recht wenig populären und sehr seltenen Vorläufer des zuletzt 9-3 genannten Mittelklasse-Saabs würde hierzulande wohl niemand wirklich auf die Idee kommen, ihn als Grundlage für ein ambitioniertes Performance-Tuning-Projekt zu wählen. Doch in Schweden sieht das anders aus.
Heimische Marken beliebt
Komplett überraschend und unverständlich kommt dies freilich nicht. Schließlich hegt wohl jeder Petrolhead durchaus eine mehr oder weniger intensive Affinität zu den Modellen der Marken aus dem eigenen Land. Wo in Deutschland gerne ein VW, Audi, BMW oder Mercedes modifiziert wird, bauen die Schweden halt gerne ihren Volvo oder eben Saab um. So war es dem 99-Zweitürer von Jesper Schwartz aus dem knapp 35 Kilometer nördlich von Göteborg gelegenen Alvängen. Der Wagen lief einst vor etwa 48 Jahren als Vertreter der besonders simplen Ausstattungslinie X7 vom Band. Mittlerweilewar ihm jedoch ein Wandel zum kraftstrotzenden Eyecatcher vergönnt.
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Leistung en masse
Unter der Haube sitzt ein Aggregat, das sich aufgrund seiner Robustheit seinerzeit zu einer durchaus beliebten Basis in der Tuning-Szene, nicht zuletzt auch für Motorswaps, entwickelte – und das teils sogar außerhalb von Schweden: Saabs H-Motor, der 1981 zuerst im 900 eingeführt wurde. Die Wahl fiel in diesem Fall jedoch auf die noch modernere B234-Variante des Triebwerk. Sie debütierte 1990 und schöpfte aus 2,3 Litern Hubraum je nach Ausführung mindestens 152 PS, mit Turboaufladung sogar bis zu 228 PS.
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Apropos Turboaufladung: Selbige hat der Motor natürlich auch in Jaspers Saab 99. Ein Mitsubishi TD04-19T-7-Turbolader setzt den Reihenvierzylinder unter Druck und wird dabei durch einen Stoßaufladungskrümmer zu Höchstleistungen angetrieben. Unterstützung leistet ein großer Ladeluftkühler. Die Siemens-Einspritzdüsen werden mittels einer Bosch-Pumpe über AN6-Leitungen aus einer Tankzelle im Kofferraum mit Benzin versorgt. Zudem sind das Thermostat-Gehäuse und die Ölwanne modifiziert und es kommen einige OEM-Modernisierungen wie der Ölkühler und das Keilriemen-Layout vom Nachfolger Saab 900 zum Einsatz.
Dirigiert wird das Ensemble durch ein Trionic-Steuergerät und die Verbrennungsüberreste entweichen über eine 3-Zoll-Downpipe an die sich eine 2,5-Zoll-Edelstahl Abgasanlage mit Schalldämpfer anschließt. Summa summarum stehen so unter dem Strich etwa 400 PS und 530 Nm – beziehungsweise bei einem Prüfstandslauf wurden 2019 bei 1,6 bar Ladedruck 380 PS und 480 Nm gemessen, jeweils am Rad.
Sechsgang-Handschalter und standfeste Bremsen
Passend zu der deutlich gesteigerten Leistung rüstete Jasper, der übrigens als Ingenieur bei Volvo vom Fach ist, natürlich das Getriebe und die Fahrwerks- sowie Bremstechnik auf: Vorne sorgen Brembo-Vier-Kolben-Sättel auf 320-Millimeter-Scheiben für standfeste Verzögerung. Hinten sind innenbelüftete 250-Millimeter-Scheiben verbaut. Die Kraftübertragung übernimmt ein manuelles Sechsganggetriebe, das ZF eigentlich für den Einsatz in einem Diesel-BMW baute.
Den Kraftschluss zum Motor übernimmt eine Kupplung mit Druckplatte vom Saab 9000 Aero und Sintermetall-Scheibe. Ferner ist eine Quaife-Hinterachs-Differentialsperre an Bord. Die Kardanwelle entstand auf Basis von Volvo-Komponenten und hinten gibt es Cosworth-Antriebswellen. Letzteres wundert unter des Aspekt nicht wirklich, als dass die Hinterachs-Aufhängung eines Ford Scorpio verbaut ist – kombiniert mit verstellbaren GAZ-Gewindefederbeinen. Vorne sind die oberen Querlenker verstärkt und Radträger vom Saab 900 verbaut. Dank modifizierter Naben weist der Saab hier nun ebenso wie hinten einen Lochkreis von 5×112 auf.
Auffällige Breitbau-Optik
Dies ermöglichte die Montage einheitlicher Compomotive CXN-Leichtmetallfelgen. Sie weisen klassische Kreuzspeichen-Sterne mit goldenem Finish und hochglanzpolierte Betten auf und besitzen die Dimensionen 8,25×17 respektive 9×17 Zoll. Die aufgezogenen Reifen messen rundum 205/40R17. Für Aufsehen sorgen zudem die an der Vorderachse ergänzten Custom-Turbofans. Auch im Übrigen ist der Saab ein echter Hingucker: Das ist nicht nur der Lackierung in Orange zu verdanken, sondern ebenso den Rallye-Verbreiterungen, die ebenso schwarze Kontraste setzen wie der Frontspoiler vom Saab 99 EMS und der Custom-Ducktailspoiler.
Hinzu kommen eine Motorhaube mit Luftauslass und Schnellverschlüssen, JDM-Style-Spiegel auf den vorderen Kotflügeln und Kunststoffscheiben an den Seiten und am Heck. Die vorderen Blinker sind ebenso vom US-Modell wie die Scheinwerfer. Letztere unterscheiden sich von den europäischen Pendants durch zwei runde Leuchten pro Seite anstelle einer eckigen Einheit. Zwecks einer besseren Luftzufuhr in den Motorraum ließ Jasper jedoch das innere Leuchtenpaar entfallen.
Reduzierte Infozentrale
Während schon das Exterieur alles in allem durchaus unverkennbar Motorsport-Charme versprüht, gilt dies für das Interieur umso mehr. Das Heck ist ausgeräumt und es wurde ein Überrollkäfig verschraubt – so können die beiden Kinder des 31-Jährigen nicht mehr mitfahren. Jasper selbst nimmt in einem OMP WRC-Sportsitz Platz und greift in ein Momo Indy Heritage-Lenkrad mit Holzkranz. Durch dieses blickt er auf ein vor den originalen Rundinstrumenten verbautes digitales Armaturendisplay mit Android-Betriebssystem. Für den Beifahrer gibt es unterdessen einen Sparco-Sitz, beide Insassen verzurren sich in ihrem Gestühl mit XYZ-Hosenträger-Gurten.
Informationen zu verschiedenen weiteren Motorparametern liefern mehrere Autometer-Zusatzarmaturen und eine AEM-Lambdaanzeige. Der lange Hebel der hydraulischen Handbremse, ein Shortshifter, eine stehende Custom-Pedalerie und Aluminium-Türverkleidungen runden die Ausrüstung des abgespeckten Innenraums ab. Übrigens: Trotz des recht extremen Umbaus fährt Jasper seinen Saab 99 nach wie vor täglich – sehr vorbildlich!
Fotos: Mario Klemm
Tech Facts
Saab 99 X7
Baujahr: 1974
Motor: 2,3-Liter-Reihenvierzylinder-Ottomotor, komplett neu aufgebaut, Mitsubishi TD04-19T-7-Turbolader, Stoßaufladungskrümmer, Ladeluftkühler mit 400x300x76-mm-Kern, modifizierte Ansaugung vom Saab 9000, Siemens Deka-875cc-Einspritzdüsen, DO88-Kühler vom Saab 900 (1. Gen.), modifiziertes Thermostat-Gehäuse, modifizierte Ölwanne, Ölkühler und Keilriemen-Layout vom Saab 9-3 (1. Gen.), Trionic 5.5-Motorsteuergerät, 60-Liter-Kraftstoffzelle, Bosch 044-Benzinpumpe, AN6-Kraftstoffleitungen, 3-Zoll-Downpipes, 2,5-Zoll-Edelstahl-Abgasanlage mit Endschalldämpfer, 400 PS / 530 Nm
Kraftübertragung: Sechsgang-Handschaltgetriebe von BMW (ZF GS6-37DZ), Kupplung mit Druckplatte vom Saab 9000 Aero und Sintermetall-Kupplungsscheibe, Kardanwelle auf Basis von Volvo-Komponenten, HA 7,5-Zoll-Quaife-Sperrdifferential und Cosworth-Antriebswellen hinten
Fahrwerk: VA Radträger vom Saab 900 (1. Gen.) mit modifizierten Naben (5×112), obere Querlenker verstärkt, einstellbarer Federsitz mit 2,25-Zoll-Federn, HA Aufhängung vom Ford Scorpio mit 5×112-Naben, einstellbare GAZ-Gewindefederbeine mit 2,25-Zoll-Federn
Rad/Reifen: Compomotive CXN-Leichtmetallfelgen in 8,25×17 und 9×17 Zoll, goldene Kreuzspeichen-Sterne, gestufte hochglanzpolierte Betten, VA Custom-Turbofans, Bereifung in 205/40R17
Bremsen: VA Brembo-4-Kolben-Sättel mit Custom-Adaptern auf 320×30-mm-Scheiben, HA innenbelüftete 250-mm-Scheiben, hydraulische Handbremse
Karosserie: modifizierte Saab-Rallye-Kotflügelverbreiterungen, US-Spec-Scheinwerfer, US-Spec-Seitenblinker vorne, Frontspoiler vom Saab 99 EMS, Motorhaube mit Luftauslass und Schnellverschlüssen, Außenspiegel im JDM-Style auf den vorderen Kotflügeln, Seiten- und Heckscheiben aus 3-mm-Kunststoff, Custom-Ducktail, Lackierung in Orange
Innenraum: digitales Armaturendisplay mit Android, Autometer Sport Comp-Zusatzinstrumente, AEM Uego-Breitband-Lambdaanzeige, OMP WRC-Fahrersitz, Sparco EVO2-Beifahrersitz, XYZ-Hosenträger-Gurte, Momo Indy Heritage-Lenkrad mit Snap-off-Nabe, stehende Custom-Pedalerie, Custom-Shortshifter, verschraubter Überrollkäfig, Aluminium-Türverkleidungen, Feuerlöscher im Beifahrer-Fußraum, Sicherungskasten am Armaturenbrett