Elfer im Offroad-Modus
Wohl keine andere Automarke weltweit – von einigen spezialisierten Exoten einmal abgesehen – wird so eindeutig mit Motorsport assoziiert wie Porsche. Kein Wunder, schließlich war der Stuttgarter Sportwagenbauer im Lauf der letzten Jahrzehnte praktisch ununterbrochen im internationalen Rennsport-Zirkus aktiv und dabei in unzähligen Serien und Disziplinen erfolgreich – vor Tourenwagen-Breitensport über harte Rallye-Einsätze und natürlich die großen Langstrecken-Klassiker bis in die Königsklasse Formel 1. Man könnte auch sagen: Die Porsche Motorsport-Ingenieure, -Techniker und -Fahrer sind es gewohnt, zu siegen.
Einer der sicherlich bekanntesten Porsche-Rennwagen allerdings wurde nie zum Siegertyp: Der „Safari-Porsche“ auf 911 SC 3.0-Basis in den markanten Farben des Hauptsponsors Martini Racing trat in den späten 1970er Jahren mehrmals bei der gleichnamigen Rallye an – ohne das für Mensch und Maschine extrem fordernde Event auf Kenias brutalen Pisten je gewinnen zu können.
Der ewige Zweite
Insbesondere beim letzten Versuch 1978 scheiterten Porsche-Pilot Björn Waldegaard und sein Beifahrer Hans Thorszelius nur knapp: Das Duo lag mit seinem 911 SC Safari überlegen in Führung, als beim ruppigen Wechsel von einer Schlammrille in die andere ein Fahrwerkselement brach. Obwohl das Porsche-Team sofort eine Not-Reparatur einleitete war der Sieg dahin: Waldegaard und Thorszelius landeten auf dem vierten Platz, es siegte Jean-Pierre Nicolas auf einem Peugeot 504 vor Vic Preston jr. und John Lyall im zweiten Safari-Porsche. Es war das dritte Mal, dass Porsche die Safari Rallye „nur“ auf Platz 2 beenden konnte und das letzte Mal, dass die Schwaben in Kenia antraten.
Dennoch: Der hochbeinige 911 SC Safari ist einer der populärsten seines Typs und war im Lauf der Jahrzehnte immer wieder Vorbild und Inspiration für mehr oder weniger originalgetreue Replikas. Zweifellos wird auch Kai Burkhard, der Schöpfer und Besitzer des hier präsentierten 911 G-Modells, den Safari-911 im Hinterkopf gehabt haben, als er seinen „Syberia RS“ kreierte: Wie der Safari-Elfer pflegt auch dieser einen hochbeinigen Auftritt mit überdimensionierten Rädern und wirkt insgesamt ausgesprochen robust.
16-Zoll-Füchse mit Offroad-Gummis
Die Fahrzeugbasis des außergewöhnlichen Projekts war ein im Sammlerzustand erhaltener 1986er Carrera 3.2, welchen Kai eigens aus Japan importierte, wo bekanntlich viele gut erhaltene Porsche-Oldies zu finden sind. Augenfälligstes Merkmal des Syberia RS sind zweifellos seine Räder: Kai ließ hier 16-Zoll-Füchse in acht und neun Zoll Breite mit grobstolliger Hankook DynaPro MT-Offroad-Bereifung der für Porsche-Verhältnisse absonderlichen Dimension 215/85R16 bestücken, die sich auch auf Schlamm und Schotter wohl fühlen. Um Platz für diese üppigen Rad/Reifen-Kombinationen zu schaffen, wurden der Karosserie üppige Kotflügelverbreiterungen angepasst. Trotz der massigen Räder stand eine on- und offroad gleichermaßen ausgeprägte Fahrdynamik natürlich ganz oben im Lastenheft. Schließlich haben wir es hier immer noch mit einem Porsche 911 zu tun! Kai nahm also Kontakt mit der „Taylor-Made“- Abteilung von H&R Spezialfedern auf, um die Möglichkeiten auszuloten.
Komplett neu konstruiertes H&R-Fahrwerk
Die Experten konstatierten schnell: Das Serienfahrwerk des Oldtimers bot keine Basis, um ein den Ansprüchen des Auftraggebers gerecht zu werdendes Ergebnis zu erzielen. Also konstruierten die H&R-Ingenieure eine komplett neue Fahrwerksgeometrie. Die alten Drehstabfedern flogen ins Altmetall und an ihrer Stelle hielten in Einzelanfertigung hergestellte, federtragende Stoßdämpfer mit variabler Höhenverstellung Einzug, die natürlich auf den gewaltigen Federweg abgestimmt wurden. Passend dazu kamen speziell gefertigte Federteller und Stützlager an Bord. RS-Stabilisatoren optimieren dazu die Spurtreue des „langhubigen“ Fahrwerks.
Passend zu den neuen Bergsteiger-Fähigkeiten erhielt der Syberia RS-Carrera ergänzend einige weitere typische Offroad-Accessoires: Die hinter dem durchlöcherten Frontstoßfänger versteckte 3,5-Tonnen-Seilwinde hilft ihm auch dann noch weiter, wenn selbst mit den großen Rädern nichts mehr geht, während die Zusatzscheinwerfer auf der Motorhaube abermals den Safari-Rennwagen zitieren. Auf dem runden 911-Rücken platzierte Kai zudem einen kleinen Dachträger, welcher im Bedarfsfall zusätzliches Gepäck und Equipment aufnehmen kann. Über dem 3,2-Liter-Boxer im Heck des glanzschwarzen Elfers thront ein Bürzel im Look des legendären 1972er Carrera RS 2.7. Eine Etage tiefer tritt mittig das Doppelendrohr der aus Edelstahl sonderangefertigten Abgasanlage aus, welche den charakteristischen Luftboxer-Sound röchelnd in die Welt entlässt.
Über Allradantrieb verfügt der Syberia RS zwar nicht, dafür aber werden die Antriebsmomente mittels eines Sperrdifferenzials auch unter ungünstigen Bedingungen auf den Untergrund übertragen.
Schmuckes Cockpit
Umfassend überarbeitet wurde auch der Fahrgastraum des Syberia RS. Dabei geht es im Cockpit aber nicht Rallye-typisch zerklüftet und überladen, sondern vielmehr schlicht und edel zu. Der Blick schweift über großzügige Alcantara-Oberflächen am Armaturenbrett, den Türverkleidungen sowie den von schmucken Ösen gezierten Sitzflächen der neu bezogenen Recaro Pole Position-Schalensitze. Auch der Kranz des geschüsselten MOMO-Sportlenkrads mit 12-Uhr-Markierung schmeichelt den Händen. Rallye-Flair hingegen vermittelt der schwarze Überrollkäfig, welcher die Insassen des Syberia RS auch dann schützt, wenn die Offroad-Einlage einmal über das Ziel hinausschießt.
Technical Facts
Porsche 911 Carrera 3.2 „Syberia RS“
Baujahr: 1986
Karosserie: Kotflügelverbreiterungen und Heckbürzel Sonderanfertigung aus Metall/Carbon, Zusatzscheinwerfer, Seilwinde, Dachträger
Motor: luftgekühlter 3,2-Liter-Boxer-Sechszylindermotor, Edelstahl-Abgasanlage „Syberia RS“
Kraftübertragung: Porsche 915-Schaltgetriebe mit verkürzter Übersetzung, Sperrdifferenzial
Fahrwerk: Custom-Fahrwerk von H&R
Rad/Reifen: mattschwarze Fuchs-Felgen in 7×16 und 8×16 Zoll, Hankook DynaPro MT-Offroad-Bereifung in 215/85R16
Innenraum: umfassend überarbeitet, schwarze Überrollkäfig, MOMO-Sportlenkrad, neu bezogene Recaro Pole Position-Schalensitze mit eingearbeiteten Ösen, Armaturenbrett und Türverkleidungen mit Alcantara bezogen