Perfekte deutsch-schwedische Symbiose

Volvo Amazon

Schweden ist eigentlich ein Land, das aus deutscher beziehungsweise mitteleuropäischer Sicht gar nicht so fern liegt. Und doch macht es oft den Eindruck, dass es so wäre, vielen ist das Land sicherlich relativ fremd. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass der skandinavische Norden Europas nicht unbedingt eine beliebte Urlaubsregion ist. Und so verbinden wir Schweden wohl am ehesten mit den Exportschlagern des Landes wie etwa eine gewisse große Möbelhauskette, kulinarische Leckereien à la Köttbullar und Zimtschnecken sowie auch Astrid Lindgren und ihre diversen Geschichten über etwa die Kinder aus Bullerbü, Lotta oder Michel aus Lönneberga. Ebenfalls große Bekanntheit hat natürlich die heimische Automobilbranche, die nach dem Ende von Saab schon seit einigen Jahren leider nur noch Volvo umfasst.

Einer der Grundsteine für den Erfolg und das gute Image der Marke Volvo wurde zweifellos ab Mitte der 1950er durch die in verschiedenen Karosserievarianten angebotene Mittelklasse-Baureihe Amazon, im Ausland in erster Linie als Serie 120 beziehungsweise 130 vermarktet. Mit ihren rundlichen Formen hat das Modell unter Oldtimer-Fans bis heute viele Freunde, insbesondere natürlich in seinem Heimatland. Dort taucht der Amazon selbst in der Tuning-Szene immer wieder auf, die natürlich ohnehin mit auffällig vielen Volvos oder auch Saabs gespickt ist. Und nicht selten kommen dabei wahnwitzige Kreationen heraus. Ein Beispiel zur Untermauerung dessen ist das hier gezeigte zweitürige Amazon-Exemplar, das sich im Besitz von Jonas Petersen befindet.

Kraftvolles BMW M-Aggregat

Der 34-jährige aus der zur Gemeinde Lindesberg gehörigen Ortschaft Frövi, etwa 200 Kilometer westlich von Stockholm in der Provinz Örebro län gelegen, ist als Automechaniker selbstverständlich dafür prädestiniert Tuning- und Individualisierungsarbeiten durchzuführen, und hat dementsprechend die Umbauten an seinem Amazon im Laufe von mittlerweile zehn Jahren weitestgehend eigenhändig realisiert. Und über die Zeit ist dabei einiges zusammengekommen, or allem im Hinblick auf die Änderungen unter dem Blech: So hat der Volvo technisch mit seinem Serienzustand kaum mehr etwas zu tun. Schließlich setzte Jonas einen spektakulären Motorswap um: Unter der bauchige Fronthaube zog nichts Geringeres als der 3,6 Liter große S38B26-Reihensechszylinder eines BMW M5 der Baureihe E34 ein! Damit das Aggregat überhaupt genug Platz fand, wurde die Bodengruppe des Volvos aufwändig angepasst – zudem ist das Triebwerk zwecks einer besseren Gewichtsverteilung nach hinten versetzt. Ferner verblieb der Motor keineswegs im werkseitige Zustand: Jonas sorgte für zahlreiche Optimierungen, sodass nun Wiseco-Kolben auf H-Schaft-Pleueln die Kurbelwelle in in Rotation versetzen. Hinzu kommen unter anderem ARP-Bolzen, K&N-Luftfilter, der Kettenspanner vom M3, Bosch-Einspitzdüsen, Eliminator-Kraftstoffpumpen, eine AEM-Zündspule und ein MaxxECU-Motorsteuergerät. Absolutes Highlight ist jedoch zweifellos die Zwangsbeatmung mittels eines BorgWarner-Turboladers, der im Zusammenspiel mit je einem Wastegate und Blow-off-Ventil von TiAL agiert. In Summe wuchs die Power des serienmäßig 315 PS und 360 Nm starken Sechszylinders so nochmals enorm an: Nicht weniger als 822 Nm und 800 PS – wohlgemerkt am Rad gemessen – sorgen für einen rasanten Vortrieb des nur 1.360 Kilogramm schweren Volvo-Oldies!

Standfeste Scheibenbremsen & Co.

Um von dieser Urgewalt nicht hoffnungslos überfordert zu sein, erhielten die übrigen technischen Komponenten ebenfalls Upgrades. Das mit einer Vier-Scheiben-Kupplung samt Sachs-Druckplatte kombinierte Schaltgetriebe übernahm Jonas genauso gleich mit vom M5 wie die Hinterachse, und die Antriebswellen. Überzeugende Verzögerungswerte garantiert eine Bremsanlage mit vorne 336 Millimeter und hinten 305 Millimeter durchmessenden Scheiben sowie Sätteln eines Porsche 911 der Baureihe 996. Ergänzend besitzt der Volvo eine hydraulische Handbremse. Und das Custom-Fahrwerk mit GAZ-Dämpfern und -Gewindefederbeinen sorgt nicht nur für eine beträchtliche Tieferlegung, sondern – zumal, da in Verbindung mit Powerflex-Buchsen an den hinteren Querlenkern – darüber hinaus für ein deutlich verbessertes Handling.

Individuelle Lackierung & Kreuzspeichen-Räder

Verglichen mit den Änderungen unter dem Blech, fallen die Anpassungen der Karosserie geradezu zurückhaltend aus – was den Überraschungseffekt umso größer macht, wenn man realisiert, was der Wagen tatsächlich zu leisten imstande ist: Die Modifikationen beschränken sich auf die Lackierung in einem eigens zu diesem Zweck angemischten Braunton, eine Erneuerung sämtlicher Chrom-Zierteile sowie die Verbreiterung der Kotflügel um vorne 2,5 und hinten 4,5 Zentimeter pro Seite. Letztere war wohl unausweichlich, um die neuen Dare RS-Kreuzspeichenräder an den Achsen unterzubringen – sie besitzen rundum das Format 10×18 Zoll und eine 215/35er Bereifung.

Racing-Touch im Interieur

Passend zu dem Leistungsvermögen des Volvos erhielt der Zweitürer abrunden ein komplett verändertes Cockpit: Das originale Armaturenbrett ist mit digitalen Race Technology-Instrumenten modernisiert und ebenso beflockt wie ein Großteil der Inneneinrichtung, etwa die Türverkleidungen und der Mitteltunnel. Auf letzterem sitzt vor den Schalt- und Handbremshebeln ferner noch ein Tablet, das diverse weitere Zusatzdaten liefert. Zudem nehmen Jonas und sein Beifahrer in einem Paar Sparco-Rennsitze Platz, inmitten eines Überrollkäfigs, der einerseits beste Sicherheit gewährleistet und andererseits noch hervorragend aussieht.

Fazit: Erneut zeigen die Schweden – wer denn auch sonst? –, dass man auf Basis eines Volvo wunderschöne und beeindruckende Projektfahrzeuge aufbauen kann. Der Amazon von Jonas Petersen wirkt optisch nach wie vor bis auf wenige Ausnahmen unverändert wie eine brave Oldie-Limousine aus den 50er beziehungsweise 60er Jahren. Beim Tritt aufs Gaspedal kommt dann jedoch das große Staunen, denn der Wagen ist dank seines optimierten BMW-Reihensechszylinders mit Turbo-Aufladung ein echtes Monster. So verbindet es nicht nur das Beste der schwedischen und der deutschen Automobilwelt, sondern zudem der Vergangenheit und der Moderne. Zumal ergänzend Fahrwerk, Bremsen und Co. aktualisiert wurden. Und zu guter Letzt überzeugt das im Motorsport-Stil überarbeitete Interieur ebenfalls.

 

Technical Facts

Volvo Amazon

Baujahr: 1961

Motor: S38B36-Reihensechszylinder-Ottomotor vom BMW E34 M5, BorgWarner 475-Turbolader, 44-mm-TiAL-Wastegate, 50-mm-TiAL-Blow-off-Ventil, Wiseco-Kolben für Verdichtung von 9,4:1, K&N-Luftfilter, H-Schaft-Pleuel, Kurbelwelle neu feingewuchtet, ARP-Bolzen im Zylinderkopf, MLS-Zylinderkopfdichtungen, doppelte Ventilfedern, M3-Kettenspanner, Bosch 2200-cc-Einspritzdüsen, zwei Eliminator-Kraftstoffpumpen (eine per Ladedruck geregelt), AEM „Smart“-Zündspule, MaxxECU V1-Motorsteuergerät, 4-Zoll-Edelstahl-Abgasanlage ab Turbo mit zwei Endschalldämpfern

Hubraum: 3.535 ccm

Leistung: ca. 588 kW / 800 PS am Rad

max. Drehmoment: 822 Nm

Kraftübertragung: originales Fünfgang-Handschaltgetriebe vom M5, Vier-Scheiben-Kupplung mit Sachs 765-Druckplatte

Fahrwerk: Custom-Fahrwerk mit GAZ-Dämpfern und -Gewindefederbeinen, angepasste Amazon-Vorderachse, M5-Hinterachse, Powerflex-Buchsen an den hinteren Querlenkern, originale M5-Antriebswellen

Rad/Reifen: Dare RS-Leichtmetallfelgen in 10×18 Zoll mit Bereifung in 215/35 R18

Bremsen: VA 336-mm-Scheiben, HA 305-mm-Scheiben, Bremssättel vom Porsche 911 (996), hydraulische Handbremse

Karosserie: Verbreiterung um VA 2,5 cm und HA 4,5 cm pro Seite, alle Chromelemente erneuert, Lackierung in individuell gemischter Custom-Farbe

Innenraum: komplett erneuert, originales Armaurenbrett, Race Technology-Instrumente, Tablet auf Mittelkonsole für Zusatzinformationen, Überrollkäfig, Sparco-Rennsitze, Beflockung von Kardantunnel sowie Armaturenbrett, Türverkleidungen und Bodenblechen, Sicherheits-Tankzelle und Batterie im Kofferraum

Sonstiges: Unterboden komplett angepasst, um Platz für Motor, Getriebe und Hinterachse zu schaffen