Retro-Classics, Stuttgart (25.-28.04.2024)
Text & Fotos: Helmut Horn
Die Retro Classics in Stuttgart (25. bis 28.04.2024) zählte mehr als 70.000 Besucher, die sich überwiegend zufrieden mit der neuesten Auflage der Oldie-Messe zeigten. Ihnen ist es offensichtlich eher egal, ob die Automobilindustrie in ihrem Elektro-Frust die Tradition vergisst und – zumindest momentan – auf gigantische Auftritte anlässlich verschiedenster Oldtimer-Veranstaltungen verzichtet.
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Kurzum – es war eine schöne Messe in der Schwaben-Metropole. Dass das Ausstellerpotential diesmal nur für sechs Hallen gereicht hat, mag für die Veranstalter bitter gewesen sein. Der Besucher aber bekam ein Event geboten, das sich wieder deutlich näher am Schrauber bewegte als zu Zeiten unmittelbar vor der sogenannten Pandemie. Traditionspflege zählte ohnehin noch nie zu den Stärken der Automobilindustrie. Nicht umsonst hatte man das in diesem Zusammenhang stehende Geschäft jahrzehntelang kleinen, unabhängigen Firmen sowie Privatinitiativen nahezu vollständig überlassen.
Die Oldtimer-Zielgruppe ist gewiss nicht geschrumpft, nur das Interesse der Hersteller an derselben hat stark nachgelassen. Die Devise der Freunde des automobilen Kulturguts aber lautet noch immer Kerzen- statt Diagnosestecker. Sie halten in der Regel nichts von Computern auf Rädern mit elektrischem Antrieb. Folglich schenken sie den Neuwagen ihrer Lieblingshersteller wenig bis gar keine Aufmerksamkeit.
Was vor gut 30 Jahren in Essen mit einem Festival der Club-Präsentationen begann, findet zurück zu seinen Wurzeln. Damals war man froh um jeden Aussteller, der bereit war, einen themenspezifischen Beitrag zu leisten. Und heute ist man es wieder! Also gilt es für die Messegesellschaften, ihr Konzept zu überdenken. Die Zeiten, zu denen man Messestände zu Quadratmeterpreisen vermieten konnte, die denen für voll erschlossenen Baugrund gleichkamen, sind vorbei.
Folglich wurde es auch in Stuttgart ein bisschen privater, ein bisschen persönlicher und letztlich sogar unterhaltsamer. Ist es nicht herrlich, sich unter Gleichgesinnten über „Mondpreise“ aufzuregen? Macht es nicht Spaß, hin und wieder vermeintlichen Profis „das Programm zu erklären“? Oft sind es ja vor allem die kleinen Geschäfte, die die Freundschaft erhalten. Und solche ließen sich in Stuttgart durchaus abschließen. Es musste nicht immer fünf- oder gar sechsstellig sein.
Käfer gibt es ja immer in den unterschiedlichsten Zustandsnoten auf Veranstaltungen dieser Art. Einen eher hochpreisigen, jedoch unschlagbar guten hatte der holländische Käfer-Spezialist Carool Conen dabei. Das 74er Jeans-Sondermodell befand sich nach erst 35.000 gefahrenen Kilometern noch im Erstlack! Eine weitere Sensation für alle „Aircooler“ stand bei Klaus „Ascari“ Baumann. Sein Barndoor-Kastenwagen konnte dank einer per Video festgehaltenen, spektakulären Bergungsaktion gerettet werden. Im Gegensatz zu anderen Funden dieses Kalibers verfügt das Fahrzeug aus dem fränkischen Röttingen über reichlich Substanz.
Die „Wassergekühlten“ dürften in Erinnerung an längst vergangene, schöne Tage am Wörthersee besondere Freude an einem „Rieger GTO“ auf Golf-I-Basis in allerbestem Zustand gehabt haben. Aber auch Sie werden nicht schlecht darüber gestaunt haben, dass der T4-Bus inzwischen Oldtimer-Status genießt. So schnell gelingt das einem „auf Subaru“ umgebauten T3 Synchro gewiss nicht. Dennoch entpuppte sich ein solcher in Doka-Version als absoluter Publikumsmagnet. Andere hatten Spaß mit Jetta, Golf II und „Einser Scirocco“.
Zunehmend erzeugen auch ältere Audi-Modelle große Resonanz bei Oldie-Freunden. Den „Alten Hasen“ scheinen sie noch immer sehr modern. Letztlich wird man sich aber auch hier mit einem lachenden und einem weinenden Auge an ein völlig anderes, vergleichsweise komfortables Altauto-Feeling gewöhnen. Den Porsche-Fans bleibt das zunächst erspart, denn die in Stuttgart ansässige Traditionsmarke kann auf reichlich „Musik“ zurückgreifen, die noch handgemacht und handgeschaltet ist. Sie hatte folglich ein erfreulich rustikales Heimspiel.
Es war eben für jeden was dabei in Stuttgart. Krimskrams, Nostalgie, Unterhaltung, Treffen mit Freunden oder auch nur zwei Tage angestrengtes Abklappern einzelner Stände und Exponate. Wenn man’s genau nimmt, hatte die Oldtimer-Szene gar keine Zeit, den 50. Geburtstag des VW Golf zu feiern. Irgendwie scheinen sie das in Wolfsburg schon geahnt zu haben…