Entwicklung des 300-PS-Typ-4-Motors von Wilke Motorenbau
240 bis 260 PS. In dieser Größenordnung scheint eine physikalische Grenze zu liegen, welche Leistung mit „normalen“ Mitteln aus einem luftgekühlten Volkswagen-Typ-4-Motor herauszuholen ist, sofern gleichzeitig eine uneingeschränkt straßenverkehrstaugliche Schalldämpferanlage im Lastenheft steht. Doch, wie heißt es so schön: „Alle sagten: Das geht nicht! Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.“
So wie Markus Cramer und Holger Wilke von Wilke Motorenbau, die vor einigen Jahren den Plan fassten, einen straßentauglichen 300-PS-Motor für das Käfer-Heck zu konstruieren. Im vergangenen Herbst wurde dieses Ziel erreicht. Markus und Holger ließen uns einen Blick in die Chronologie ihres Entwicklungsprozesses und ihre Systematik werfen.
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Mit Datensammlung und Kombinatorik zum Erfolg
Systematik. Datenerfassung. Erkenntnisse. Kombinatorik. Vier zunächst sehr „akademisch“ und im Lufti-Motorenbau geradezu unpassend anmutende Grundbegriffe, die Markus Cramer – seit Jahrzehnten Entwickler und Konstrukteur der Wilke Motorenbau-Triebwerke – in unserem Gespräch häufig benutzt. Kein Wunder, umreißen sie doch eingängig, worauf sein erfolgreiches Entwicklungsverfahren beruht: der umfangreichen Erfassung von Daten, der akribischen Sammlung von Wissen und Erkenntnissen sowie der daraus folgernden, zielgerichteten Optimierung einzelner Parameter hin zu einem ganzheitlich perfektionierten Triebwerk. Als technische Hilfsmittel standen dazu der hauseigene digitale Leistungsprüfstand sowie auch eine eigene Fließbank (ab Oktober 2018) zur Verfügung. Mittels dieser Instrumente wurden jeder Entwicklungsschritt und jede Modifikation stets auf ihre Vor- und Nachteile geprüft sowie diese zur späteren Verwertung protokolliert. So herausgearbeitete Engpässe und Flaschenhälse bei der Leistungsoptimierung wurden im nächsten Schritt ausgemerzt, sodass eine lineare Entwicklung stattfand – mit teilweise durchaus überraschenden Seiteneffekten.
Après-Ski-Idee stand am Anfang: 3 kg/PS
Dabei fing die Geschichte eigentlich ganz anders an: nämlich feuchfröhlich! Die Idee, einen stärkeren Lufti-Boxer zu bauen, als bis dahin üblich, entstand nämlich beim Après-Ski.
„3,0 kg/PS“: So lautete die Zielvorgabe, welche im Winter 2014/2015 – womöglich noch befeuert von einer letzten Schuss-Abfahrt auf der Skipiste – auf einen Bierdeckel gekritzelt wurde. Angesichts von 840 kg Leergewicht des als Basisfahrzeug dienenden, leicht gewichtsoptimierten 1303 S resultierte eine vorläufige Ziel-Leistung von 280 PS, welche Markus und Holger aus einem 3,0-Liter-Motor schöpfen wollten.
Aus dem Plan wurden schnell Taten: Nach der Erstellung eines theoretischen Konzepts wurden im Februar 2015 die ersten Teile bestellt, mit denen sich Markus in den Entwicklungsprozess begab.
Seine erste 3,0-Liter-Ausbaustufe, nennen wir sie hier der Übersicht halber 1.1, näherte sich der Zielvorgabe nach umfangreicher Konstruktions-, Test- und Abstimmungsarbeit im Jahr 2017 mit 250 PS und 300 Nm bereits an. Die technischen Daten findet ihr in unserer Tabelle der Entwicklungshistorie, welche auch die besagte, zielgerichtete Weiterentwicklung dokumentiert.
Zwischenziel im Jahr 2019 erreicht
Das ursprüngliche Ziel von 3,0 kg/PS wurde im Jahr 2019 erreicht: mit der Motor-Version 1.4, einem 285 PS bei 6.500 U/min und 340 Nm leistenden 2,9-Liter-Triebwerk – bis heute eines der effizientesten seiner Art. Mit diesem Motor war das 1303 S-Projektfahrzeug übrigens auch in der WOB Klassik-Ausgabe 3/19 zu sehen. Doch war schnell klar, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht war.
Split der Motorenentwicklung
Das nächste Ziel steckte das Duo Cramer/Wilke bei 300 PS. Auf dem Weg dorthin allerdings fiel im Oktober vergangenen Jahres eine maßgebliche Entscheidung, den Prozess der Weiterentwicklung betreffend: Unter Berücksichtigung der bis dahin gewonnen Erkenntnisse entschied Markus, dass er nicht einen einzelnen Entwicklungsstrang weiter verfolgen, sondern vielmehr zwei unterschiedliche Motoren bauen wolle. Jenen, welcher die 300-PS-Schallmauer durchbrechen sollte und einen zweiten, welcher in puncto Druck im unteren Drehzahlbereich bevorteilt sein würde. 300 PS bei ca. 7.000 U/min und 270 PS bei ca. 6.000 U/min lauteten die Zielvorgaben.
Die Entwicklung des letzteren Aggregats, hier als „Drehmomentmotor“ oder Version 2.1 bezeichnet, ist weitestgehend abgeschlossen, ein paar kleinere Modifikationen folgen nächstes Jahr. Das 3,0-Liter-Aggregat liefert stabile 277 PS bei 6.200 U/min und mit 340 Nm bei 5.200 Touren zudem mächtig Durchzug im wichtigen mittleren Drehzahlbereich. Diese Power entwickelt sich jeweils schön linear – wie die glatten Prüfstandkurven beweisen. Perfekt für den Einsatz im Straßenverkehr und auf engen, kurvigen Rennstrecken. Selbst in einer Version 2.2 mit veränderter Abgas- und Luftfilteranlage für „lärmsensible“ Umgebungen, wie etwa das Aircooled Race Weekend in Meppen, leistet der Drehmomentmotor immer noch 254 PS und 325 Nm.
Der parallel entwickelte Drehzahlmotor, hier Version 3.1, durchbrach indes die anvisierte 300-PS-Marke: 305 PS bei 7.200 U/min und 333 Nm bei 5.900 Touren wurden erreicht. Dieses Setup eignet sich insbesondere für den Einsatz auf schnellen, viel Leistung erfordernden Rennstrecken wie etwa den Nürburgring. Im unteren Drehzahlbereich wirkt die Leistungskurve dieses Motors noch etwas „holperig“. Doch dieser Aufgabenstellung wird sich Markus Cramer im kommenden Winter zuwenden und wir rechnen fest damit, dass er im kommenden Jahr eine geglättete Kurve seines Drehzahlmotors vorweisen kann.
Wilke Motorenbau-Kunden profitieren von Entwicklungsarbeit
Von seiner seit 2015 rund 650-stündigen-Entwicklungsarbeit profitieren am Ende natürlich alle Kunden von Wilke Motorenbau. Denn: Markus Cramer und Holger Wilke behalten die gewonnenen Erkenntnisse nicht für sich. So sind nicht nur alle hier als „fertig entwickelten“ Motor-Ausbaustufen grundsätzlich auch für Wilke-Kunden zu haben, sondern auch die kleineren Wilke-Motoren profitieren vom gewonnenen Know-How. So lässt sich beispielsweise die hohe spezifische Leistung des 3,0-Liter-Motors durch die akribische Dokumentation während der Entwicklungsphase auch mit etwas Transferarbeit aus etwa einem weniger kostenintensiven 2,4-Liter-Aggregat herausholen.
Weitere Informationen gibt es direkt bei:
Wilke Motorenbau
Inh. Holger Wilke
Vogelsanger Str. 385 a
50827 Köln
Tel.: 0221 / 58 56 41
Fax: 0221 / 5 80 13 14
info@wilke-motorenbau.de
Technische Entwicklungshistorie des Wilke-3,0-l-Motors
Version 1.1 (2017):
250 PS bei 6.750 U/min, 300 Nm
3,0 Liter Hubraum
Bohrung x Hub: 86 x 105 mm
Nockenwelle: 324°
Zylinderköpfe: Remmele-Light, durch Udo Becker optimiert
50-mm-Drosselklappen
Auspuff: VA-Doppelrohrauspuff
Version 1.2 (2018)
272 PS bei 6.500 U/min, 340 Nm
3,0 Liter Hubraum
Updates: 4in1-2,5-Zoll-Schalldämpferanlage, Saugrohre +40 mm
Version 1.3 (2018)
272 PS bei 6.600 U/min, 311 Nm
2,9 Liter Hubraum
Updates: 84 mm Hub, Nockenwelle 332° Highlift
Version 1.4 (2019)
285 PS bei 6.500, 340 Nm
2,9 Liter Hubraum
Updates: Zylinderkopf-Überarbeitung auf Basis der Wilke-Fließbankanalyse,
Saugrohre +85 mm
Version 1.5 (2019)
293 PS bei 7.200 U/min, 324 Nm
2,9 Liter Hubraum
Updates: Drag-4in1-3-Zoll-Schalldämpferanlage
10/2019: Entscheidung für gesplittete Entwicklung
Version 2.1 (2020, Drehmomentmotor)
277 PS bei 6.200 U/min, 340 Nm bei 5.200 U/min
3,0 Liter Hubraum
Zylinderköpfe: Wilke-Becker-Remmele Light 50/39 mit Fließbankoptimierung,
88 mm Hub, Nockenwelle 324°, 2,5-Zoll-Schalldämpferanlage
Version 2.2 (2020, Drehmomentmotor mit Geräuschreduzierung für ARW Meppen)
254 PS bei 6.350 U/min, 325 Nm bei 4.900 U/min
3,0 Liter Hubraum
Updates: 2,5-Zoll-Schalldämpferanlage mit dB-Killer, Zentralluftfilter
Version 3.1 (2020, Drehzahlmotor)
305 PS bei 7.200 U/min, 333 Nm bei 5.900 U/min
Hubraum: 3,0 Liter
Zylinderköpfe Wilke-Becker-Remmele Pro 52/40 mit Fließbankoptimierung,
86 mm Hub, Nockenwelle 332° Highlift, Drag-4in1-2,5-Zoll-Schalldämpferanlage