M5-Technik im historischen E9-Coupé
Ohne jeden Zweifel: Über das hier abgebildete E9 Coupé lässt sich kontrovers diskutieren. Sind Motor und Felgen vom E34 M5 am 20 Jahre älteren 3.0 CS nicht vollendeter Stilbruch? Und überhaupt: Darf bzw. sollte man einem solchen Klassiker einen Umbau wie hier zu sehen unterziehen oder lieber original belassen?
Zumindest letztere Frage stellte sich für Stefan Schäfer aus Limbach nicht. Denn als der heute 58-jährige Automatenaufsteller, welcher das BMW-Tuning-Hobby mit seinem Sohn Tim teilt, den 1972er CS im Jahr 2015 erwarb, da trug das Fahrzeug nicht nur bereits den Gruppe 2-Look-Umbau mit zeitgenössischem GFK-Breitbau-Bodykit von Zender, sondern war darüber hinaus auch in recht ruinösem Zustand: eine Original-Restaurierung wäre hier nur schwerlich möglich und finanziell alles andere als sinnvoll gewesen. Der damalige Kaufpreis spricht Bände: für schlappe 12.000 Euro gab es den E9 auch schon vor sechs Jahren nur als „Leiche“.
Inspiriert vom 1973er Le Mans-Rennwagen
Stefan allerdings ließ sich davon nicht abschrecken und begann, jene Vision umzusetzen, die sich bereits beim Kauf das Autos in seinem Kopf manifestiert hatte: die eines E9-Rennfahrzeugs mit Straßenzulassung. „Nach tagelanger Internet-Recherche fand ich einen Bericht über den 1973er 3.0 CSL-Gruppe-2-Rennwagen mit der Startnummer 51, der damals beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans von Dieter Quester und Toine Hezemans gefahren wurde und auf dem elften Gesamtrang ins Ziel kam. Dieses Auto nahm ich mir als Vorbild“, erinnert sich Stefan.
Vierjähriger Neuaufbau
Vier Jahre lang dauerte der komplette Neuaufbau des Fahrzeugs. Auf eine vollständige Zerlegung folgten langwierige Strahl- und Schweißarbeiten, um eine nachhaltige Wiederaufbaubasis zu schaffen. Bodengruppe und Kofferraumwanne wurden erneuert. Neben den Achsen wurden auch unzählige Aufhängungsteile zum Anschluss ihrer Aufarbeitung pulverbeschichtet. Alle Schrauben und Buchsen sind komplett neu, ebenso der gesamte Kabelbaum.
Ergänzend zum Zender-Breitbau bestehen auch die Motorhaube und der Heckdeckel des Rennsport-Coupés aus leichtgewichtigem GFK. Rundum wurden – mit Ausnahme der Windschutzscheibe – Polycarbonat-Scheiben von Plastic Performance eingesetzt, die auf Fahrer- und Beifahrerseite über Schiebefenster verfügen. Die Türen bestehen weiterhin aus Blech, sind aber komplett „entkernt“ und tragen windschlüpfrige Rennsport-Außenspiegel.
S38B36 aus dem E34 M5
Unter der langen GFK-Motorhaube beheimatete Stefan, wie eingangs bereits verraten, den S38B36-Reihensechszylinder eines frühen E34 M5. Das komplett revidierte DOHC-Triebwerk generiert dank einiger Verschärfungen, wozu eine große Carbon-Airbox und ein frei programmierbares Steuergerät gehören, rund 370 PS – und ist damit nur wenig schwächer als die CSL-Rennwagen der 1970er Jahre. Seinen Sprit führt der E9 in einer im Kofferraum platzierten ATL-Renntankanlage mit, die Abgase entweichen durch eine Edelstahl-Anlage mit Doppel-Rennkat, Vorschalldämpfer und Endschalldämpfer von F&F. Mit dem Motor zog auch gleich das Getrag-5-Gang-Sportgetriebe aus der M5-Limo ins E9-Coupé um, dessen Endübersetzung bis zu 270 km/h erlaubt.
Damit der Oldie auch bei solchen Geschwindigkeiten nicht unkontrolliert über die Fahrbahn „springt“, installierte Stefan moderne Fahrwerkstechnik: Neben einem KW Variante 3-Gewindefahrwerk mit einstellbarer Zug- und Druckstufendämpfung kommen verstärkte Stabilisatoren sowie Heigo-Domstreben an beiden Achsen zum Einsatz, sodass der BMW deutlich satter auf der Straße liegt, als man angesichts seines nominellen Alters vermuten würde. Während die himmelblauen M5-Felgen am E9 optisch zweifellos Geschmackssache sind, ist ihre technische Überlegenheit gegenüber den Originalrädern doch ebenso offensichtlich: Die 8,5×17 Zoll ET13 und 10×17 Zoll ET15 messenden Einteiler wurden mit Toyo Proxes Sport-Bereifung in 235/40ZR17 und 265/40ZR17 bezogen, die für mächtig Bodenhaftung und Grip sorgen.
Eine auf den ersten Blick abenteuerliche, bei näherem Hinsehen aber folgerichtige Baureihen-Mixtur ist die Bremsanlage der Vorderachse. Hier kombinierte Stefan mittels Epytec-Adaptern Sättel vom US-amerikanischen E24 M6-Coupé mit gelochten 315er Scheiben vom E34 und E12-Radnaben – funktioniert!
Motorsport-Cockpit
Rennwagen-typisch komplett ausgeräumt wurde der Fahrgastraum. Nur Teile des Armaturenbretts deuten noch auf den Originalzustand hin, rechts und links davon sowie im von einem Heigo-Überrollkäfig eingenommenen Fond findet sich reichlich nacktes Blech. Dazwischen: Recaro-Sportsitze mit blauen OMP-Hosenträgergurten. Zur Bändigung dieses Renners liegen Stefan ein geschüsseltes OMP-Sportlenkrad sowie ein hoch aufragender CAE-Shifter bestens in der Hand. Rechts der klassichen Rundinstrumente wurde ein 7-Zoll-Screen ins Armaturenbrett integriert, welcher eine Übersicht über so wichtige Betriebswerte wie Öldruck und -temperatur, Wassertemperatur, Getriebeöltemperatur, Differenzialtemperatur und Spannung gibt.
Technical Facts
BMW E9 3.0 CS
Baujahr: 1972
Karosserie: komplett restauriert, Bodengruppe und Kofferraumwanne neu, Gruppe 2-Look-Umbau mit Breitbau-Bodykit von Zender, Motorhaube und Heckdeckel aus GFK, Leichtbau-Türen, Scheiben rundum aus Polycarbonat von Plastic Performance (außer Windschutzscheibe), Rennsport-Außenspiegel, Dekorsatz wie Le Mans-Rennwagen 1973
Motor: 3,6-Liter-Reihensechszylinder (S38B36) aus BMW E34 M5, komplett revidiert, leicht modifiziert mit programmierbarem Steuergerät, Carbon-Airbox, OEM-Fächerkrümmer, Edelstahl-Abgasanlage mit Doppel-Rennkat, Vorschalldämpfer und Endschalldämpfer von F&F, ATL-Renntankanlage, ca. 370 PS
Kraftübertragung: Getrag-5-Gang-Sportgetriebe
Fahrwerk: KW-Gewindefahrwerk Variante 3, verstärkte Stabilisatoren VA/HA, Heigo-Domstreben VA/HA
Rad/Reifen: M5-Felgen in 8,5×17 Zoll ET13 und 10×17 Zoll ET15, Distanzscheiben, Toyo Proxes Sport-Bereifung in 235/40ZR17 und 265/40ZR17
Bremsen: VA-Bremsanlage mit E24 M6-Bremssätteln (Epytec-Adapter), 315-mm-Scheiben vom E34, E12-Radnaben
Innenraum: komplett entkernt, nur OEM-Armaturenbrett noch vorhanden, Heigo-Überrollkäfig aus Aluminium, geschüsseltes OMP-Sportlenkrad, CAE-Shifter, Recaro-Sportsitze, blaue OMP-Hosenträgergurte, 7-Zoll-Dash mit Zusatzarmaturen (Öldruck, Öltemperatur, Wassertemperatur, Getriebeöltemperatur, Differenzialtemperatur, Spannung)
Danke an: Chris und Benni von der Fa. Autokraftwerk in Sankt Augustin (Motorüberholung, Mapping), Gerhard Reiser vom E9-Forum für die Hilfe, Fa. Motorsport Knoop aus Mühlheim an der Mosel (TÜV-Abnahme)