Der Racer unter den Outlaws

Porsche 356 RSR von Emory Motorsport

Das US-amerikanische Unternehmen Emory Motorsport ist schon seit beinahe 25 Jahren auf die Restaurierung, Modifizierung und Veredlung von klassischen Porsche spezialisiert. Inhaber Rod Emory führt damit eine jahrzehntelange Familientradition fort, schließlich waren schon sein Vater und sein Großvater in der Branche aktiv. Wenngleich Emory Motorsports auch alte 911er wieder auf Vordermann bringt, ist das absolute Steckenpferd des Firmenchefs doch der 356 – wie etwa die beiden Kunstwerke aus dieser Manufaktur, die wir bereits in früheren WOB Klassik-Ausgaben zeigten, beweisen. Nun jedoch folgt der leistungsstärkste und extremste Vertreter der nach den Umbauten zumeist als Outlaws bezeichneten Emory-356.

Bis zur Fertigstellung des im brachialen Motorsport-Look auftretenden, sogenannten 356 RSR und seiner Enthüllung beim Luftgekühlt 6-Event im Mai 2019 in Südkalifornien war es ein langer Weg. Tatsächlich lässt sich die Gesichte des Wagen bis ins Jahr 2012 zurückverfolgen: Damals schuf Rods Emorys Freund Greg Macey auf dessen Anweisung einige erste Skizzen zur Idee, einen 356 Outlaw im Stile der legendären 935-Rennwagen der 1970er Jahre zu entwerfen. Die Zeichnungen gelangten auf Instagram und Henrique Cisneros, Chef des Unternehmens Momo, mit dem Emory Motorsports eng zusammenarbeitet, war begeistert: So fragte er an, was wohl nötig wäre, um aus der Vision Realität werden zulassen. Damit war der Startschuss gefallen, zunächst entstanden Rederings und infolge dessen startete die Aufbauphase, welche nicht weniger als vier Jahre in Anspruch nahm. Als Basis dienten ein 1960er 356B T5 Coupé sowie ein Porsche 964. Wie schon der in Ausgabe 4/19 gezeigte Emory 356 C4S baut der 356 RSR nämlich auf dem 911-Chassis aus den 1990ern auf.

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Neu gestaltete Karosserie

Dass die meisten Karosserieteile des auserkorenen 356B beschädigt waren, störte das Team von Emory nicht weiter. Schließlich wurde entsprechend der zuvor angefertigten Pläne ohnehin ein Großteil dieser komplett neu designt und aus Aluminium gefertigt. Dies gilt für die gesamte Front und große Teile des Hecks, welche jeweils einfach zu entfernen sind, die Kotflügelverbreiterungen sowie die Front- und Motorhauben. Bei den Schwellern handelt es sich hingegen um modifizierte Teile vom 911. Die sonderangefertigten, in den Radkästen montierten Momo Heritage-Felgen mit Zentralverschluss standen ganz oben auf Rods Wunschliste für das Projekt und passen stilistisch perfekt zum RSR. Sie besitzen die Dimensionen 7×17 und 8×17 Zoll sowie eine 225/45er respektive 255/40er Bereifung. Um dem Motorsport-Gedanken Rechnung zu tragen, sind alle Seitenscheiben ferner aus Polycarbonat gefertigt. Somit tragen sie ihren Teil zum extrem geringen Gewicht des in Meteroite Matte Metallic lackierten 356 RSR bei: Er wiegt nur etwa 885 Kilogramm.

Kraftvolles Outlaw-4-Aggregat

Dieser Wert verspricht nahezu wahnwitzige Fahrleistungen, zumal in Anbetracht der Tatsache, dass im Heck des Coupés ein wahres Kraftwerk sitzt: Um die 400 PS generiert der 2,4 Liter große Outlaw-4-Vierzylinder-Boxermotor, den Emory Motorsports gemeinsam mit Rothsport konstruierte. Damit ergibt sich ein Leistungsgewicht von nur knapp über zwei Kilogramm pro Pferdestärke! Wie alle Outlaw-4 basiert das Aggregat auf dem tiefgreifend modifizierten 3,6-Liter-Motor eines 911 und zeichnet sich unter anderem durch ein Custom-Einspritzsystem aus, das den Treibstoff aus einer im Bug verbauten 68-Liter-Tankzelle beziehungsweise dem zwischengeschalteten Catchtank bezieht. Herzstücke sind aber zweifellos die beiden Garrett GT28R-Turbolader, die den Motor mächtig unter Druck setzen und bei einem Ladedruck von maximal 1,2 Bar hauptverantwortlich für dessen beeindruckende Power sind. In ihrer Peripherie arbeiten Turbosmart-Wastegate-Ventile sowie Custom-Ladeluftkühler. Weiteres Merkmal ist das Full-Flow-Ölsystem, die Abgasentsorgung geschieht über eine 3-2-1-Edelstahl-Abgasanlage mit Straight Pipe. Die Kraftübertragung übernimmt ein manuelles G50/03-Getriebe und darüber hinaus ist ein Quaife-Sperrdifferential an Bord. Die Zahnstangen-Lenkung und die Bremsanlage wurden unterdessen vom 964 übernommen, wobei letztere mit Scheiben samt Töpfen von Coleman Racing aufgerüstet sind. Eine angemessene Straßenlage ist dank der einstellbaren Gewindefederbeine inklusive Lift-Funktion sowie Tarett Engineering-Stabilisatoren garantiert.

Leuchtend rote Sitze im RSR-Look

Die enge Zusammenarbeit mit Momo wird im Innenraum besonders deutlich: Emory rüstete das gleichfalls im Racing-Stil gestalteten Interieur mit einem Prototipo-Lenkrad samt Quick-Release-Nabe, einem optisch von jenem des 917 inspirierten Schaltknauf sowie Sechs-Punkt-Gurten und Custom-Sitzen von diesem Partner aus. Letztere sind dem Gestühl im 911 RSR nachempfunden und besitzen einen auffälligen Bezug im klassischen Momo-Rot sowie Schalen im entsprechenden Gelb. Des Weiteren ist das Gestänge der einstellbaren Tilton-Pedalerie mit Momo-Pedalen kombiniert. Der herausnehmbare Überrollkäfig rundet das sportliche Ambiente im Innenraum ideal ab; seine hintere Querstrebe dient natürlich als oberer Fixierungspunkt für die Gurte. Bei dem großen, neuen Knopf, der mittig auf dem in Wagenfarbe ausgeführten Armaturenbrett platziert ist, handelt es sich um ein klassisches „Dampfrad“ zur Ladedruck-Regelung. Abrundend kommen Applikationen aus bernsteinfarbenem Fiberglas in den Fußräumen sowie Armaturenbrett sowie neue Teppiche zu Einsatz, welche in dieser Form auch in Porsche GT-Fahrzeugen verbaut sind und eine schallisolierende Wirkung haben.
Ob man den 356 RSR nun mag oder nicht, das ist wohl Geschmacksache. Beim Luftgekühlt erreichten das Team von Emory jedenfalls einige negative Stimmen, die den Umbau für zu extrem befanden. Nicht abzustreiten dürfte jedoch sein, dass es sich um ein beeindruckendes Stück Automobilbaukunst handelt.

Weitere Informationen unter:

www.emorymotorsports.com

Technische Daten

Fahrzeugtyp: Porsche 356 RSR

Baujahr: 1960 / 1990 (Basisfahrzeuge 356B T5 Coupé & 946 C2)

Karosserie: zahlreiche Karosserieteile neu gestaltet und aus Aluminium gefertigt (abnehmbare Frontteile, Fronthaube mit Lufteinlass, Kotflügelverbreiterungen, abnehmbare Heckteile hinter der Hinterachse, Motorhaube), Einlässe für Ladeluftkühler in den hinteren Kotflügeln mit bernsteinfarbenen Fiberglas-Luftführungskanälen, modifizierte Seitenschweller vom 911, alle Seitenscheiben aus Plexiglas, Lackierung in PPG Meteorite Matte Metallic

Motor: 2,4-Liter-Outlaw-4-Vierzylinder-Boxermotor von Emroy/Rothsport auf Basis eines 1990er 3,6-Liter-Porsche-Motors, zwei Garrett GT28R-Turbolader, Turbosmart-Wastegate-Ventile, Custom-Ladeluftkühler, Custom-Einspritzsystem, Full-Flow-Ölsystem mit extermen Filter und Kühler, XRP-Verrohrungen, Fuel Safe-68-Liter-Sicherheitstankzelle im Bug, Radium-Catchtank, Motec-Steuergerät, 3-2-1-Straight-Pipe-Abgasanlage aus Edelstahl, ca. 380-405 PS bei 1,2 Bar

Kraftübertragung: G50/03-Fünfgang-Handschaltgetriebe, Quaife-Sperrdifferential, Zahnstangenlenkung ohne Servounterstützung vom Porsche 964

Fahrwerk: einstellbare KW-Gewindefederbeine mit hydraulischem 3,8-cm-Lift-Funktion, Eisenlohr Racing Products-Domlager, Tarett Engineering-Stabilisatoren

Rad/Reifen: Momo Heritage-Leichtmetallräder in 7×17 und 8×17 Zoll mit Zentralverschlüssen, Pirelli P Zero Trofeo R-Bereifung in 225/45ZR17 und 255/40ZR17

Bremsen: Bremsanlagen von Porsche 964 mit Custom-Scheiben samt -Töpfen von Coleman Racing

Innenraum: Momo Prototipo-Lenkrad, Dampfrad am Armaturenbrett, Custom-Sitze im 911 RSR-Stil mit roten Bezügen, Momo-6-Punkt-Gurte, Momo-Schaltknauf, entfernbarer Überrollkäfig, verstellbare Tilton-Pedalerie mit Momo-Pedalen, bernsteinfarbene Fiberglas-Innenraumverkleidungen

Sonstiges: nur ca. 885 kg Gewicht, bernsteinfarbener Fiberglas-Lufteinlass für Ölkühler unter der Motorhaube