Drifting-Pick-up
Der Driftsport ist eine der spektakulärsten Ausprägung des Motorsports. Die Quertreiberei jenseits der Haftgrenze der Reifen verlangt nicht nur ein außergewöhnliches fahrerisches Geschick vom Piloten. Ab einem gewissen Niveau braucht es natürlich auch ein entsprechend für solche Einsätze optimiertes Auto. Zwar kommen als Basis auch Fabrikate anderer Herkunft – insbesondere BMWs – zum Einsatz. Zu den beliebten „üblichen Verdächtigen“ gehören aber dennoch allen voran Fahrzeuge aus Japan. Es ist das Land, in dem der Driftsport auch einst entstand. Wir denken hier beispielsweise an Nissans Silvia- und Z-Modelle diverser Baureihen, den Toyota Corolla AE86, dessen Nachfahren im Geiste – die GT86- und GR86-Coupés – oder die Supra.
Ungewöhnliches Basisfahrzeug
Zwar japanischer Herkunft, aber trotzdem das komplette Gegenteil eines typischen, adäquaten Driftautos ist ein Pick-up wie der Toyota Stout 1900. Trotzdem können wir hier ein Exemplar sehen, das genau zu diesen Zweck komplett umgebaut wurde. Wer ist so verrückt, ein solch wahnwitziges Projekt anzugehen? Ryan Tuerck! Der Amerikaner ist seit 2007 in der Formula D aktiv. In dieser Königsklasse des Driftsports tummeln sich die Top-Stars der Szene wie Adam LZ, Chris Forsberg, James Deane und Vaughn Gittin Jr. Ryan Tuerck hat bereits andere spektakuläre Drift Cars realisiert wie den „GT4586“, einen GT86 mit V8-Motor vom Ferrari 458, und die „Formula Supra“, eine Supra MK V mit Judd-Hochdrehzahl-V10.
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Rohrrahmen im Pick-up-Outfit
Während der Bauzeit der V10-Supra fragten Toyota respektive TRD und Mobil 1 bei Tuerck an, ob er nicht Lust habe, ein neues Vintage-Projektauto auf Basis eines klassischen Modells zu bauen. Natürlich war der Petrolhead begeistert und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Fahrzeug. Bei der Recherche lernte er nicht nur erstmals den Stout überhaupt kennen, sondern befand ihn zugleich für die perfekte Wahl.
Er erwarb sein 1966er Exemplar in San Diego: Es wirkte zunächst gut erhalten, bei genauer Inspektion kamen aber schlechte Spachtelarbeiten zum Vorschein, welche zunächst Korrekturen erforderten. Grundidee für den Stout war, ihn auf einen kompletten Custom-Rohrrahmen mit integrierter Sicherheitszelle zu stellen – ein solches Konzept hatte Tuerck schon lange einmal umsetzen wollen. Das Chassis wurde nach einer Digitalisierung des Wagen im Serienzustand mittels 3D-Scans perfekt passgenau von Rob Parsons im CAD-Verfahren entworfen. Die Realisierung übernahm das Team von Kibbetech Offroad Fabrications.
Deutlich verbreiterte Karosserie
Die übergestülpte Karosse besteht zu einem überraschend großen Teil tatsächlich aus „echten“ Komponenten des Basisfahrzeugs: So sind die Frontmaske mit Grill und Scheinwerfern, die Motorhaube, die vorderen Seitenteile, das Fahrerhaus samt der Türen, die hinteren Ladeflächen-Seitenteile und die Heckklappe original. Dass der Wagen zugleich deutlich stämmiger auftritt, ist dem von Jon Sibal designten Widebody-Kit mit extremen Karosserie-Verbreiterungen und einer Frontspoilerlippe zu verdanken. Absolute Eyecatcher sind ferner die bronzefarbenen Rotiform LSR-M-Felgen in 9×18 und 10,5×18 Zoll mit 265/35er und 275/40er Gummis.
Vierzylinder mit über 600 PS
Auch abseits des Rohrrahmens hat der Wagen technisch nichts mehr mit der einstigen Stout-Basis zu tun. Im Bug sitzt ein Reihenvierzylinder, der Teile zweier Toyota-Motoren verbindet und mit einigen Upgrades garniert. Genauer gesagt sind dies der für seine Robustheit bekannte Motorblock vom 5S-FE mit vergrößerten Zylinderbohrungen und die Kurbelwelle sowie der 16-Ventil-Zylinderkopf vom 3S-GTE, wie er in den 1980er Jahren etwa in der Celica zum Einsatz kam.
Das Ergebnis kommt auf gut zwei Liter Hubraum, aus denen es etwa 600-650 PS schöpft! Zu verdanken ist diese krasse Literleistung dem Garrett G30-770-Turbolader. Hinzu kamen eine optimierte Ventilsteuerung, Schmiedekolben und -pleuel sowie ein MoTeC-Steuergerät, um das ganze Ensemble zu dirigieren. Der CSF-Kühler samt der Spal-Lüfter sitzt mittig im Auto hinter der Fahrerkabine.
Auf die Straße übertragen wird die Power mittels eines sequenziellen Holinger-Sechsganggetriebes, einer Carbon-Antriebswelle vom Driveshaft Shop und eines Winters Performance-Differenzials. Gute Verzögerungswerte garantiert eine Brembo GT-Anlage mit vorne Sechs- und hinten Vier-Kolben-Sätteln auf großen, geschlitzten Scheiben. Das Fahrwerks-Setup mit Doppelquerlenker-Aufhängung stammt grundsätzlich von der Corvette, dabei sind die BC Racing-Gewindefederbeine an der Hinterachse allerdings optisch spektakuläre in Pushrod-Lage verbaut
Interieur mit Carbon-Schalensitzen
Zu guter Letzt offenbart der Innenraum ebenfalls eine Mischung aus originalen Stout-Elementen und modernen respektive motorsportlichen Neuerungen. Ryan Tuerck fixiert sich – wie auch ein etwaiger wagemutiger Beifahrer – mit Takata-Hosenträgergurten in Recaro Podium-Carbon-Schalensitzen. Durch sein mit 12-Uhr-Markierung versehenes Momo-Lenkrad blickt er auf ein volldigitales MoTeC-Armaturendisplay mit 12 Zoll Diagonale, das ihm sämtliche wichtigen Performance-Daten und Vitalwerte seines Drift-Pick-ups liefert. Aus der Custom-Mittelkonsole ragen selbstverständlich der Schalthebel sowie der Hebel für die hydraulische Fly-off-Handbremse auf. Vor dem Beifahrer befindet sich unterdessen ein Teil des originalen, weißen Stout-Armaturenbretts und auch der obere Teil der Türverkleidungen stammt noch aus dem Spender-Fahrzeug.
Fotos: Larry Chen
Tech Facts
Toyota Stout 1900
Baujahr: 1966
Motor: 2,1-Liter-Reihenvierzylinder-Ottomotor von PSI Racing aus Teilen vom 3S-GTE und 5S-FE, Aufladung mittels Garrett G30-770-Turbolader, CSF R-1 Triple-Pass-Motorsport-Kühler, Spal-Lüfter, Motorblock vom 5S-FE, Zylinderbohrungen auf 87 mm vergrößert, 16-Ventil-Zylinderkopf vom 3S-GTE mit zwei obenliegenden Nockenwellen, optimierte Ventilsteuerung, Schmiedekolben, Schmiedepleuel, Kurbelwelle vom 3S-GTE, MoTeC M130-Motorsteuergerät, Radium-Sicherheits-Tankzelle im Heck, Custom-Edelstahl-Krümmer, Custom-Titan-Abgasanlage, ca. 600-650 PS am Rad
Kraftübertragung: sequenzielles Holinger Engineering RD6-Sechsganggetriebe, Driveshaft Shop-Antriebswelle aus Carbon, Driveshaft Shop-Achsen, Winters Performance-Differenzial, Heckantrieb
Fahrwerk: BC Racing-Gewindefederbeine (HA in Pushrod-Anordnung), PoweredbyMax-Fahrwerkskit mit Doppelquerlenker-Setup von der Chevrolet Corvette
Rad/Reifen: Rotiform LSR-M-Leichtmetallfelgen in 9×18 und 10,5×18 Zoll, Finish in Bronze, Nitto-Bereifung in 265/35R18 und 275/40R18
Bremsen: Brembo GT-Bremsanlagen mit geschlitzten Scheiben, VA Sechs-Kolben-Sättel, HA Vier-Kolben-Sättel, hydraulische Fly Off
Karosserie: Custom-Widebody designt von Jon Sibal und gefertigt von Advanced Fiberglass Concepts bestehend aus Frontspoilerlippe sowie Kotflügel-Verbreiterungen vorne und Seitenteil-Verbreiterungen hinten, Stoßstangen entfernt, Lexan-Heckscheibe, Custom-LED-Rückleuchten, Lackierung in Weiß mit rotem Mobil 1-Pegasus auf der Motorhaube und den Türen
Innenraum: Momo-Sportlenkrad mit 12-Uhr-Markierung, Recaro Podium-Carbonschalen-Sitze, grüne Takata-Gurte, Original-Türverkleidungen, Custom-Mittelkonsole mit Schalthebel, digitales MoTeC C1212-Armaturendisplay (12 Zoll)
Sonstiges: MoTeC PDM30-Spannungsverteilermodul, komplettes Custom-Rohrrahmen-Chassis mit integrierter Sicherheitszelle