Selfmade-Pro Mod-Dragster
Alles begann am 30. Mai 1968: An diesem Donnerstag kam einerseits Arndt Putzmann zur Welt und wurde andererseits dessen erster Käfer als Neuwagen zugelassen. Letzeren legte sich der heute der 53-jährige Petrolhead aus Wesel allerdings nicht etwa als Fahranfänger in den 1980er-Jahren, sondern vielmehr erst mit dem Eintritt in seine „Dirty thirties“ zu. Gemeinsam mit einem ähnlich veranlagten Kumpel schraubte Arndt fortan ambitioniert an den Käfern der beiden, wobei der gelernte Maschinenbauingenieur schon bald das Drag Racing mit luftgekühltem Boxermotor im Heck für sich entdeckte.
Desaströs unterwegs
Schnell reichte ihm der 1200er mit großem Vergaser nicht mehr aus, sodass in hoher Frequenz weitere Aufrüstungen folgten. Ein Meilenstein in Arndts Motorenbau-Evolution war zweifellos sein 2,5-Liter-Sauger-Typ 1 mit Lachgas-Einspritzung und „besonders“ bearbeiteter Nockenwelle. Mit diesem Triebwerk im Heck räumte Arndt um die Jahrtausendwende auf einschlägigen 1/4-Meile-Sprint-Rennen wie beim Drag Day Bitburg, beim Käferblasen in Bautzen oder auch bei den Race-at-Airport-Events mächtig ab. Zu den Drag-Rennen fuhr er mit seinem Käfer damals noch auf eigener Achse, wenngleich diese Frage der Ehre doch häufig auch Schwierigkeiten mit sich brachte – insbesondere dann, wenn die Leistung doch wieder einmal stärker war als das Material: „Mit Lachgas ging es richtig schnell, aber eben auch schnell kaputt“ erinnert sich Arndt lachend und fährt fort: „Damals sagte man: ‚Oh, Putzmann geht an den Start. Mach mal die Kamera an, da geht gleich was spektakulär kaputt!‘ Einmal ist der bei einer Motorexplosion abgesprengte Zylinderkopf sogar nur ganz knapp vor einem Zuschauer eingeschlagen. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch unser bis heute erhaltener und bekannter Team-Name Kaeferdesaster. Den haben wir bekommen, weil wir immer so ‚desaströs‘ unterwegs waren.“
Pro Mod-Dragster
Wer sich Arndt Putzmanns heutigen Drag Racing-Rennwagen ansieht, der kommt nicht umhin, festzustellen, dass sich seither nochmal viel getan haben muss. Denn mit diesem „Auto“ fährt man keineswegs mehr auf eigener Achse zu den ¼-Meilen-Rennen: Es handelt sich um einen reinrassigen Pro Mod-Dragster der Pro Mod-Klasse, der mit dem Käfer, der er einst war, neben der Karosserieform immerhin auch noch einige (wenige) verbliebene Technik-Gemeinsamkeiten teilt. So brüllt im Heck des Dragsters ein Vierzylinder-Boxermotor und die Vorderachse ist – als vielleicht letztes seiner Art in diesem Auto – sogar ein unverändertes Käfer-Originalteil.
Immerhin bestehen weite Teile der auf einem massiven Rohrrahmen bauenden Karosserie „ganz normal“ aus Metall: Häuschen, Türen und Kotflügel sind bearbeitete Käfer-Großserienteile. Das Chopping der Karosserie, welches für deren flache Optik sorgt und den Luftwiderstand reduziert, geschah übrigens nicht – wie üblich – an Holmen und Dach, sondern unter der Gürtellinie: Die Blechteile wurden unten gekürzt, der Unterboden mit einem großen Blech verkleidet. Die Fronthaube des Dragsters besteht aus GFK, seine Scheiben aus Polyurethan-Kunststoff.
Pauter-Motor
Seit 2008 setzt Kaeferdesaster auf Motoren des US-amerikanischen Herstellers Pauter, die nicht ohne Grund als „Heavy Duty-Hardware“ gelten und speziell für Drag Racing-Einsätze konstruiert und aufgebaut werden. So verfügt der in weiten Teilen aus dem Vollen gefräste Billet-Motor weder über Luft- noch Wasserkühlung, genau genommen nämlich hat das 3,2-Liter-Zweiventil-Triebwerk gar keine Kühlkanäle. Diese sind aufgrund der Nutzung von Methanol als Kraftstoff allerdings auch gar nicht nötig, denn der hochgiftige Methylalkohol verbrennt mit so geringen Temperaturen, dass er praktisch selbstkühlende Eigenschaften mitbringt. Die Abgastemperaturen dieser kalten Verbrennung betragen nur rund 450 bis maximal 650 Grad – und dies, obwohl der Pauter-Motor über eine Turboaufladung aus der Kategorie „vollkommen wahnsinnig“ verfügt, die üblicherweise bekanntlich für extrem heiße Abgase sorgt: Der mächtige Garrett GTX42-Lader mit GTX45-Innereien entfacht bis zu fünf bar Ladedruck! Die Temperatur seines heißen Atems wird aktiv von zwei wasserführenden Ladeluftkühlern gesenkt, deren Wassertank ebenfalls in der Nase des Dragsters untergebracht ist.
Rund 15 Liter Verbrauch – auf 402 Metern
Der Methanol-Tank im Bug des Dragsters fasst rund 25 Liter. Mehr als die Hälfte davon werden – inklusive Startvorbereitungen und Burn-Out – pro 1/4-Meilen-Lauf von einer mechanischen Spritpumpe und jeweils drei Injektoren sequenziell in die 108 Millimeter durchmessenden Zylinder eingespritzt. „Grundsätzlich mag ich es gerne old school und halte mich von moderner Elektronik weitgehend fern. Also sind wir zunächst rein mechanisch gefahren, haben eine Hilborn-Einspritzanlage mit Waterman-Einspritzpumpe in Kombination mit einer MSD10-Zündung eingesetzt“ sagt Arndt Putzmann hierzu. In dieser Konfiguration brannte der 1.040 Kilogramm auf die Waage bringende Kaeferdesaster-Dragster nicht nur eine 8,8er-Quatermile-Zeit in den Asphalt, sondern trieb auch einen Rollenprüfstand fast in den Exitus. „Wir sind praktisch ohne Vorstellung davon auf die Rolle gegangen, wieviel Power der Motor eigentlich haben würde. Mit nur ein kleines bisschen Gas geben, waren wir da schon bei 700 PS. Da wurde der Besitzer des Leistungsprüfstands schon etwas nervös. Ende vom Lied: 1.000 PS wurden gemessen – mehr gab der Prüfstand nicht her. Durch Interpolierung kamen wir dann auf ungefähr 1.400 PS, die der Motor wohl hatte“ erläutert der Dragster-Pilot.
Via einer Mehrscheiben-Sintermetall-Kupplung gelangt die gewaltige Power an ein praktisch serienmäßiges Porsche G50-Schaltgetriebe. Von diesem ist Arndt völlig begeistert: „Wir haben viel probiert, das G50-Getriebe aus dem 911 G-Modell hat sich als über jeden Zweifel erhaben herausgestellt. Das Ding ist zwar unendlich schwer und unendlich groß, aber es hält selbst extreme Spitzenlasten problemlos aus, samt Jump-Start! Wir benutzen auf der 1/4-Meile die Gänge 1 bis 4, im vierten kommen wir theoretisch bis 300 km/h.“
Als weniger standfest als das Getriebe erwiesen sich im Lauf der Jahre unterschiedlichste Antriebswellen. Eine dauerhafte Lösung fand Arndt Putzmann zwischenzeitlich in Traktor-Antriebswellen von ELBE Gelenkwellen aus Köln, die für Lasten von jeweils 5.000 Nm gebaut sind.
Hoosier-Drag Slicks für extremen Grip
Auf den Asphalt übertragen wird die Power von 29-zölligen Hoosier-Drag Slicks, die auf 11,5×15-zöllige Felgen montiert sind. Während ein Beadlock-System, das Verdrehen der Reifen auf den Felgen verhindert, wickeln sich diese dank ihrer sehr weichen hohen Außenkarkassen und des geringen Luftdrucks beim Katapultstart schier auf den Asphalt ab, sodass eine übergroße Auflagefläche entsteht, über welche dann die Antriebskraft übertragen wird. Im krassen Gegensatz dazu stehen die ultraschmalen Frontrunner-Räder an der Vorderachse, welche nur minimale Lenkbefehle übermitteln müssen.
Bei der Four-Link-Hinterachse mit Einzelradaufhängung, starrer Achsverbindung und zusätzlichem Stabilisator handelt es sich um eine komplette Eigenkonstruktion. Dies gilt im Grunde eigentlich für das gesamte Rennfahrzeug: „Ich fahre am liebsten mit meinem eigenen Scheiß, da kann ich mir sicher sein, dass es hält – schließlich sitze ich in der Kanonenkugel drin“ bringt es Arndt Putzmann auf den Punkt und ergänzt: „Ganz wichtig ist uns zudem, dass die gesamte Fahrzeugtechnik und deren Einstellung auf unseren eigenen Mist gewachsen sind. Wir müssen hier niemanden fragen, wie und warum etwas gemacht wurde, sondern haben alles selbst entwickelt und abgestimmt.“
Ergänzend zu den Scheibenbremsen beider Achsen ist ein Bremsschirm an Bord. Dessen Hauptaufgabe ist allerdings nicht nur das Abbremsen des Käfer-Geschosses, sondern insbesondere dessen Stabilisierung in der kritischen Phase des Lastwechsels zwischen Beschleunigungs- und Verzögerungsphase – einer der gefährlichsten Momente im Drag Racing, da die Boliden hier schnell in unstabile Fahrzustände geraten. Anders als beispielsweise bei Rallye- oder Drift-Fahrzeugen üblich, betätigt der lange Handbremshebel im Cockpit nicht etwa die Bremsen die Hinterachse, sondern die der Vorderräder. So können die zur Startvorbereitung gehörenden Burn-Outs noch einfacher eingeleitet und kontrolliert werden.
Selbstverständlich ist im Drag Racing-Sport darüber hinaus Sicherheitstechnik, wie eine den spartanischen Alu-Fahrersitz umschließendes Funny Cage-Sicherheitszelle und die Feuerlöschanlage unentbehrlich. Zudem trägt Arndt Putzmann bei seinen Rennen und Entwicklungsfahrten stets feuerfeste Sicherheitskleidung der höchsten Schutzklasse mit abgedichtetem Helm samt Atemmaske gegen die giftigen Methanol-Gas
Mehrfacher Champion
Der bis hierher beschriebene technische Stand genügte dem Kaeferdesaster-Team, um die Drag Racing-Klassen, in denen es antrat zunächst einmal europaweit ziemlich zu dominieren: Mehrfach wurde Arndt Putzmann Deutscher Meister der Super Comp-Serie, wechselte dann in die höhere Super Pro ET-Liga und holte dort – unter den bekannten Corona-Bedingungen – ebenfalls auf Anhieb die Meisterschaft. Der schnelle Drag-Käfer war mehrere Jahre in Folge das schnellste Auto beim stark besetzten VW Action-Event im englischen Santa Pod, siegte in seinen jeweiligen Klassen bei den NitrOlympX in Hockenheim und stellte diverse Platz- und Streckenrekorde auf.
Seit zwei Jahren befindet sich das Team nun in einem „elektronischen Lernprozess“, der nicht zuletzt durch den Einstieg von Ingenieurin Jacky, die linke Hand des Teamchefs und Fahrers, vorangetrieben wird. „Das Problem war, dass wir zwar Power im Überfluss hatten, diese aber kaum regulieren konnten. Es gab da nur alles oder nichts. Um noch schneller zu fahren, bedurfte es also nicht NOCH mehr PS, sondern einer besseren Kontrolle der Kraft“ erklärt Arndt Putzmann, warum heute doch ein MaxxECU Pro-Steuergerät aus Schweden samt elektronischer Einspritzung und AEM-Einzelzündspule an Bord ist. Es ist also damit zu rechnen, dass der Kaeferdesaster-Dragster noch deutlich schneller sein wird, sobald er in der kommenden Saison auf den Dragstrip zurückkehrt.
Support von Gembler Motorenbau
„Großartigen Support“ erhält das Team dabei seit dem vergangenen Jahr von Gembler Motorenbau aus dem unweit des Teams beheimateten Alpen. „Kaeferdesaster ist seit jeher dafür bekannt, viel kaputt zu machen“ grinst Arndt Putzmann: „Jürgen Gembler und sein Team unterstützen uns bei diesem materialmörderischen Motorsport mit ihrem modernen Maschinenpark spontan und fachmännisch bei der Instandsetzung. Hier können unsere Spezialteile exakt nach unseren Vorgaben mechanisch bearbeitet werden. Gembler ist für mich der geilster Motorenbau-Partner auf der Welt, der mit uns die Leidenschaft teilt. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Weitere Informationen zum Kaeferdesaster-Team gibt es auf www.kaeferdesaster.de sowie der Facebook-Seite „Kaeferdesaster“.
Fotos: Sebastian Brühl, Claudia Sauer / werkstief