Mit 83 PS mehr als 200 km weit
Während viele Oldtimerfans höchsten Wert auf Originalität legen, schrecken andere nicht davor zurück, ihrem Klassiker Modifikationen und Modernisierungen wie beispielsweise sogar einen Elektro-Umbau zu gönnen. Dieser Gedankengang scheint auch bei VW auf große Resonanz zu stoßen. Denn nachdem „Volkswagen of America“ mit dem Type 20 bereits im vergangenen Sommer ein Bulli-Showcar mit E-Motor zeigte, hat sich nun auch VW Nutzfahrzeuge in Deutschland an die Aufgabe begeben, einen rein elektrischen T1 auf die Räder zu stellen – und dabei hauseigene Serienteile zu nutzen, wie sie auch in den neuen E-Modellen wie dem ID.3 zum Einsatz kommen.
Seine Premiere sollte der e-Bulli eigentlich aktuell Ende März auf der Techno Classica 2020 in Essen feiern. Nach deren Corona-bedingten Verschiebung auf Ende Juni enthüllte VW den Wagen nun jedoch bereits zuvor online. Zur Realisierung tat sich das Unternehmen mit dem Kooperationspartner eClassics zusammen, der auf Elektroauto-Umbauten von Oldtimern spezialisiert ist. Als gut erhaltene Basis erkoren die Beteiligten einen 1966er T1 Samba-Bus aus, der über 50 Jahre unter der Sonne Kaliforniens verbracht hatte. In dessen Heck arbeitet jetzt nicht mehr der 44 PS und 102 Nm starke Vierzylinder-Boxer, sondern ein Elektromotor. Dieser generiert im Vergleich zum Originaltriebwerk mit 83 PS und 212 Nm fast doppelt so viel Leistung und mehr als das doppelte Drehmoment. Somit erreicht der e-Bulli eine (abgeriegelte) Höchstgeschwindigkeit von bis zu 130 km/h und verfügt über ein bis dato von einem „offiziellen“ T1 nicht gekanntes Fahrverhalten.
Zumal auch das Fahrwerk mit Mehrlenker-Achsen sowie einstellbaren Dämpfern und Gewindefederbeinen weitreichend modernisiert ist. Außerdem gibt es eine Zahnstangenlenkung, vier Scheibenbremsen und zur Kraftübertragung ein Ein-Gang-Getriebe. Die Energieversorgung gewährleistet eine 45-kWh-Batterie aus für den Einsatz im T1 modifizierten Lithium-Ionen-Modulen, welche mit einer speziell abgestimmten Leistungselektronik von eClassics kombiniert ist. Laden ist mit Gleich- oder Wechselstrom möglich, sodass der Akku an Schnellladesäulen innerhalb von 40 Minuten zu 80 Prozent gefüllt werden kann. Die maximale Reichweite soll mehr als 200 Kilometer betragen.
Anders als der US-amerikanische Type 20 entfernt sich der e-Bulli optisch nur dezent vom Basismodell: Zu den wenigen Neuerungen am Exterieur gehören die LED-Scheinwerfer sowie die Zweifarb-Lackierung in Energetic Orange Metallic und Golden Sand Metallic Matte. Der Ladeanschluss ist unter dem hinteren Kennzeichen versteckt. Im Innenraum wollte VW ebenso den originalen Flair des T1 beibehalten – bei gleichzeitiger leichter Modernisierung. Die Sitze tragen (farblich passend zum Exterieur) Lederbezüge in hellem „Saint-Tropez“ und „Saffrano Orange“. Der Boden ist mit Massivholz verkleidet und der kleine Wählheben für das Getriebe befindet sich nun ebenso wie der Startknopf zwischen Fahrer und Beifahrer auf der vorderen Sitzbank. Der Tacho hinter dem Lenkrad ist nicht mehr rein analog, sondern besitzt ein zweizeiliges Display zur Anzeige von verbleibender Restreichweite & Co. Diverse weitere Informationen sind über ein in die Dachkonsole eingelassenes Tablet abrufbar. Ebenfalls auf dem neusten Stand der Technik ist das mit beispielsweise USB-Anschlüssen, Blutooth und DAB+ ausgerüstete Radio, welches jedoch einen optisch angemessenen Retro-Look pflegt. Die zugehörige Soundanlage inklusive aktivem Subwoofer ist unaufällig versteckt verbaut.
Allen, die jetzt womöglich Gefallen an dem e-Bulli gefunden haben, sei gesagt: Der Wagen bleibt kein Einzelstück, eClassics bietet seinen Kunden vergleichbare Umbauten ab – das ist jedoch nicht ganz billig. Die Transformation eines angelieferten T1 kostet ab 64.900 Euro – inklusive Einbau der neuen Achskonstruktionen. Alternativ können auch T2 oder T3 als Basis dienen, Komplettfahrzeuge geordert oder für qualifizierte Händler einbaufertige Teile-Kits bereitgestellt werden.