Pontiac Firebird Formula 400 R von Skippy’z Garage
Regelmäßige Leser von Cars & Stripes werden sich erinnern: Bereits vor zwei Jahren berichteten wir in unserer Ausgabe 6/2017 über Ken Blocks „Hoonicorn RTR V2“. Kein Wunder, war – und ist – dieses Gykhana-Geschoss im Gewand eines 1965er Mustangs doch eine absolute Ausnahmeerscheinung unter den US-Cars: Es trägt ein historisches Pony Car-Outfit über einem exzessiv modifizierten Chassis, wird von einem aufgeladenen V8-Motor angetrieben und bringt seine Power via eines (relativ) modernen Allrad-Antriebsstrangs auf die Straße. Und um die Pointe an dieser Stelle gleich vorweg zu nehmen: Obwohl er optisch von ganz anderem Schlag ist, verfügt auch der hier abgebildete Pontiac Firebird über all diese Attribute. Zufall? Ganz sicher nicht! Eine Nachahmung? Schon eher, aber nicht ganz. Der Rätsels Lösung: Gregg Hamilton aus Las Vegas, der Besitzer, Konstrukteur und Erbauer des Fahrzeugs, ist im Hauptberuf Chefmechaniker in der Crew von Ken Block und als solcher stets dicht an der Seite der Gymkhana-Ikone. Nachdem Gregg mit seiner 30-jährigen Erfahrung in der Performance-Community maßgeblich an der Entwicklung und dem Aufbau des Hoonicors mitgewirkt hatte, beschloss er, unter dem Label Skippy’z Garage auch für sich selbst ein konzeptionell verwandtes, in seinem Charakter aber doch völlig eigenständiges Fahrzeug auf die Räder zu stellen.
Als Basis wählte Gregg einen 71er Firebird Formula 400: Ein heruntergekommenes Schlachtobjekt, dem er in rund zweijähriger Bauzeit zu einer völlig neuen Identität verhalf. Dementsprechend wurde die Patina der Karosserie auch keineswegs „künstlich“ herbeigeführt, sondern es handelt sich bei den Beulen, Schrammen, Kratzern und Korrosionen um die tatsächlichen Spuren und Blessuren eines fast 50-jährigen Autolebens. Für den Bug und das Heck des Firebird konstruierte Gregg metallene Spoiler, welche sich zwar sowohl mit ihren kantigen Formen, als auch mit ihrer mattschwarzen Lackierung erheblich von der eher weichen Formensprache des gelben Firebirds abgrenzen, sich nichtsdestoweniger aber perfekt in dessen „Badass“-Look einfügen. Verstärkt wird letzterer noch von den Radläufen. Da selbige – anders als beim Hoonicorn – nämlich eben nicht über ausladende Verbreiterungen verfügen, ragen die Rad/Reifen-Kombinationen weit heraus und zeigen frei liegende, nicht abgedeckte Laufflächen: Mad Max lässt grüßen und deutschen TÜV-Prüfern treibt es angesichts dieses Anblicks zweifellos die Tränen in die Augen.
5,3-Liter-Kompressor-V8
Dass der Firebird kein lahmer Poser ist, dürfte spätestens beim Ablick des durch die mattschwarze Motorhaube aufragenden Blowers offensichtlich sein: Der Weiand 6-71-Kompressor mit Alumium-Bug Catcher kündet von reichlich Power! Dabei besorgte sich Gregg die Basis des 5,3-Liter-V8-Aggregats auf einem Schrottplatz: Der LS-Motor war ursprünglich in einem Chevrolet Silverado installiert. Zugunsten einer besseren Gewichtsverteilung wurde der Motor gegenüber der originalen Einbauposition um rund 18 Zentimeter nach hinten versetzt, was natürlich großzügige „Einschnitte“ in die Struktur des Vorderwagens und des Mitteltunnels nötig machte: Dieser wurde mit frischen Blechen praktisch komplett neu gestaltet. Vor dem Triebwerk sitzt im Vorderwagen schräg ein 3-Reihen-Alu-Kühler mit Corvette-Lüftern. Dem LS-Motor selbst spendierte Gregg geschmiedete Kolben und Pleuel, Texas Speed-Zylinderköpfe sowie eine Nockenwelle aus gleichem Hause. Von Holley stammt neben der Benzinpumpe auch das Dominator-Steuergerät. Die Abgase tosen – man möchte fast sagen: selbstverständlich – beidseitig lautstark durch Sidepipes ins Freie. Für eine möglichst gleichmäßige Gewichtsverteilung, und die neuerliche Erwähnung dieses Stichworts verdeutlicht, welch großen Stellenwert Gregg einer ausgefeilten Balance zumisst, verfügt der Firebird über drei Treibstoffdepots, welche – jeweils in Form historischer Fliegerbomben – im Fahrzeug verteilt wurden. Auf „irgendwas über 600 PS“ beziffert Gregg die Leistung des Kompressor-Aggregats. So ganz genau muss man das auch eigentlich nicht wissen, sind die nackten Zahlen doch ohnehin weit weniger beeindruckend als das Erlebnis, welchem sich aussetzt, wer auf Greggs Beifahrersitz Platz nimmt.
Japanischer Allrad-Antriebsstrang
Denn wenn dieser das Gaspedal durchtritt, dann gehen nicht – wie in klassischen Muscle Cars und Pony Cars üblich – weite Teile der erzeugten Energie in Schall und Rauch auf, sondern ein ausgeklügelter Allrad-Antriebsstrang sorgt für effizienten Vortrieb. Dieser stammt in weiten Teilen aus der 1990er Jahre-Vergangenheit des japanischen Autoherstellers Nissan. Japan-Technik im klassischen Muscle Car?! Was die einen nun als Stil- und Tabubruch bezeichnen werden, erkennen die anderen als technische Meisterleistung: Durch den Einsatz eines elektronischen, aktiven ATTESA-Mitteldifferenzials vom Skyline R33 GT-R mit modifizierter Motorsport-Steuerung in Kombination mit einem Nissan R200-Sperrdifferenzial aus einem Infiniti Q45 an der Vorder- sowie einem Nissan R230-Sperrdifferenzial aus dem Biturbo-Sportwagen 300 ZX an der Hinterachse verfügt der US-Oldie über eine Straßenlage und Agilität, wie sie Fahrzeugen seiner Klasse und Epoche normalerweise völlig fremd ist. Ebenfalls aus einem Nissan Skyline GT-R, allerdings aus einem Vorgängermodell der R32-Baureihe stammt das 5-Gang-Schaltgetriebe, welches via einer Powertrain Technology-3-Scheiben-Kupplung mit 5,4 Kilogramm leichtem Schwungrad an den Motor angebunden wurde. Ziemlich abgefahren ist die verwinkelte Führung der Antriebswellen unter dem Fahrzeug, welche an vier belastbare Custom-Antriebswellen mündet. Spätestens mit dem gerade erworbenen Wissen im Rücken erklärt sich auch sowohl das charakteristische GT-R-Emblem am Heck des Pontiacs, als auch dessen inoffizielle Typenbezeichnung „Formula 400 R“, die auf den Flanken des Coupés abzulesen ist.
Custom-Chassis mit C6-Technik
Dass die „Hochzeit“ solch unterschiedlicher Motor/Getriebe-Komponenten nur auf Basis eines extrem individuellen Chassis möglich war, liegt auf der Hand. Bei dessen Konstruktion kamen wieder in der Hauptsache US-Parts zum Einsatz, allerdings aus noch jüngerer Vergangenheit als das Allrad-System stammend: Die Subframes vorne und hinten basieren jeweils auf Corvette C6-Technik, gleiches gilt für die Querlenker, welche die in Druck- und Zugstufendämpfung einstellbaren QA1-Gewindefederbeine an der Vorderachse über Rocker Arms anlenken. Ebenfalls aus der C6 stammen die Bremsanlagen: An der Vorderachse wirken 6-Kolben-Sättel und hinten immerhin noch 4-Kolben-Sättel kraftvoll auf gelochte und geschlitzte Z06-Scheiben ein. Gut sichtbar sind die Bremsen durch die schwarzen Y-Speichen-Sterne der XXR 521-Felgen. Diese kommen rundum im 10×18-Zoll-Format mit Toyo Proxes R888R-Semislicks der Dimension 295/30R18 zum Einsatz.
Celica-Cockpit
Das Cockpit des Firebirds entspricht in seiner Erscheinung dem „mitgenommenen“ Exterieur: Aus den inmitten einer eingeschweißten 12-Punkt-Sicherheitszelle platzierten Kirkey-Aluminium-Rennsportsitzen mit 6-Punkt-Sicherheitsgurten fällt der Blick auf reichlich nacktes bzw. lackiertes Blech. Eine Rücksitzbank? Ließ die Sicherheitszelle nicht zu. Tür- und Seitenverkleidungen? Gibt’s nicht. Dachhimmel? Braucht niemand. Das Armaturenbrett fiel Gregg – wie zuvor schon der Motor – auf einem Schrottplatz in die Hände. In Analogie zum Allrad-System ist es japanischer Herkunft, stammt es doch ursprünglich aus einem Toyota Celica. Dafür passte es in puncto seiner Ausmaße erstaunlich gut in die Karosse des US-Oldies, während der Look freilich Geschmackssache bleibt. Stilistisch perfekt in den „Firebird GT-R“ passen indes das digitale Holley-Dash und die stehende Wilwood-Pedalerie. An Bord ist ferner ein CB-Funkgerät – eine Reminiszenz an einen legendären Firebird des Hollywood-Kinos: den legendären schwarzen Bandid-Trans Am aus den „Ein ausgekochtes Schlitzohr“-Blockbustern. Ein solches Fahrzeug zeigten wir euch übrigens schon in der Cars & Stripes-Ausgabe 2/2017. Mit Biturbo-V8. Und wer hatte es wohl aufgebaut? Genau! Wer von Greggs Arbeiten also nicht genug bekommen kann, der sollte diese Ausgabe schleunigst nachbestellen…
Technical Facts
Pontiac Firebird Formula 400
Baujahr: 1971
Karosserie: Custom-Frontsplitter, Custom-Heckspoiler
Motor: 5,3-Liter-V8 (LS aus Chevrolet Silverado), Weiand 6-71-Kompressor mit Alumium-Bug Catcher, Texas Speed-Zylinderköpfe, Texas Speed-Nockenwelle, Schmiedekolben und -pleuel, Holley-Benzinpumpe, 3-Reihen-Alu-Kühler Holley Dominator-Steuergerät, 3 Benzintanks im „Bombe“-Design, Sidepipe-Abgasanlage
Kraftübertragung: 12-lbs-Schwungrad, Powertrain Technology-3-Scheiben-Kupplung, 5-Gang-Schaltgetriebe vom Nissan Skyline R32 GT-R, ATTESA-Mitteldifferenzial vom Skyline R33 GT-R, Custom-Antriebswellen, VA Nissan R200-Sperrdifferenzial aus Infiniti Q45 vorne, HA Nissan R230-Sperrdifferenzial aus Nissan 300 ZX
Fahrwerk: stark modifizierter Rahmen, Chevrolet Corvette C6-Subframes vorne und hinten, modifizierte Corvette C6-Querlenker mit Kipphebeln vorne, QA1-Gewindefederbeine in Druck- und Zugstufe einstellbar
Rad/Reifen: XXR 522-Felgen in 10×18 Zoll, Toyo Proxes R888R-Semislicks in 295/30R18 rundum
Bremsen: Corvette C6-Bremssättel (VA 6-Kolben, HA 4-Kolben), VA/HA Corvette C6 Z06-Bremsscheiben
Innenraum: 12-Punkt-Sicherheitszelle, Kirkey-Aluminium-Rennsportsitze, 6-Punkt-Sicherheitsgurte, Armaturenbrett vom Toyota Celica, digitales Holley-Dash, stehende Wilwood-Pedalerie, CB-Funk
Fotos: Larry Chen