Rallye-Replika mit Straßenzulassung

Lancia Delta HF Integrale 16V Rallye Gr. A

Anno 2019 messen sich derzeit Citroen, Ford, Hyundai und Toyota in der Königsklasse des Rallyesports, der FIA World Rallye Championship, kurz WRC. Die dabei zum Einsatz kommenden Kleinwagen vom Schlage eines Ford Fiesta oder Toyota Yaris sind zwar exakt auf ihr Einsatzgebiet zugeschnitten und auch extrem schnell sowie spektakulär unterwegs, langjährig eingeschworenen Rallye-Fans allerdings dürften trotzdem andere Marken und Modelle weitaus mehr als Synonym für die glorreichsten Zeiten des Rallye-Sports stehen.

In den 1980er und 1990er Jahren tobten so legendäre Rallye-Boliden wie der Audi quattro, der Subaru Impreza WRX STI, der Peugeot 205 T16, der Toyota Celica GT-Four, der Mitsubishi Lancer Evolution sowie natürlich der Lancia Delta über die diversen Rallye-Stages unserer Kontinente. Insbesondere letzterer wird bis heute von jenem staubigen, schotterigen und eisigen Nimbus umweht, den er sich in seiner aktiven Zeit erfahren hat: Von 1987 bis 1992 siegte Lancia mit von den italienischen Teams Martini Racing (1987-1991) und Jolly Club (1992) eingesetzten Delta HF ununterbrochen in der Herstellerwertung der Rallye-Weltmeisterschaft und parallel fuhren die Delta-Piloten Miki Biasion (I) und Juha Kakkunne (FIN) in diesem Zeitraum auch vier Fahrer-Weltmeistertitel ein. Mit seinen sechs Marken-WM-Titel in Folge war und ist der Lancia Delta das erfolgreichste Fahrzeug in der Geschichte der Rallye-Weltmeisterschaft – bis heute.

Vollkommene Rallye-Transformation

Die Faszination dieses kantigen Rallye-Spezialisten hatte auch Udo Ebener aus dem im Landkreis Karlsruhe gelegenen Graben-Neudorf unwiderstehlich eingefangen, als sich der heute 56-jährige Automobilkaufmann im Jahr 2016 einen Lancia Delta HF Integrale 16V zulegte. Zum damaligen Zeitpunkt hatte der 1989 ursprünglich in Rot vom Band gelaufene Italiener umfassende Technik-Upgrades erhalten – und zwar vom Feinsten: Bei Abarth in Turin, also dort, wo auch die Martini Racing-Rallye-Fahrzeuge in Handarbeit montiert wurden, erhielt die ehemals „zivile“ Straßenversion des Delta HF Integrale zuvor eine nahezu komplette Technik-Transformation.

Biasion-Kopie

Nach der Übernahme des Fahrzeugs griff Udo den begonnenen Prozess auf und vervollkommnete das Projekt: Heute steht der Integrale einerseits optisch perfekt im Look des 1990er Werks-Rallyefahrzeugs von Miki Biasion da und wurden diesem andererseits auch technisch nahezu 100-prozentig nachempfunden – das Ganze mit TÜV-Segen und deutscher Straßenzulassung.
Die Karosserie des Italieners wurde dabei weniger stark modifiziert, als es angesichts der breiten Backen den Anschein machen mag: Die ausgestellten Kotflügel nämlich brachte der Delta bereits serienmäßig mit. Kleinere Modifikationen wurden an den Stoßstange vorne und hinten vorgenommen. So entsprechen beispielsweise die zusätzlichen Abschleppösen an Bug und Heck den FIA-Vorgaben. Wie der Werksrennwagen trägt Udos Delta zudem eine Zusatzscheinwerfer-Batterie am Bug, welche das vor ihm liegende Gelände auch bei der Hatz durch die Nacht taghell erleuchtet. Die Lufteinlässe auf dem Dach sorgen für Durchzug im Cockpit, welches weitgehend ohne Dämmstoffe auskommt. Eine kleine „Unkorrektheit“, die allerdings nur ausgewiesenen Lancia Delta-Rallye-Experten auffallen dürfte, ist der verstellbare Dachflügel: Er kam eigentlich erst beim Delta Integrale Evolution-Modell ab der Rallye-Saison 1991 zum Einsatz.

Originale Magnesium-Felgen

An den Achsen drehen sich echte Preziosen: originale Speedline corse Monte Carlo-Magnesiumfelgen im ausschließlich bei Asphalt-Rallyes eingesetzten Format 8×17 Zoll mit 4-Loch-Anbindung. Bezogen wurden die weißen Rallye-Felgen mit Falken FK 452-Bereifung in 225/35R17.
Aufgehängt sind die Räder an einem in Druck- und Zugstufe einstellbaren KW Variante 3-Gewindefahrwerk. Die Chassis-Steifigkeit – und mit ihr die Fahrpräzision – wird von zwischen den Federbeindomen verspannten Streben, vorne aus Carbon und hinten aus Aluminium, nochmal optimiert.

Technik-Überarbeitung durch Abarth in Turin

Bei Abarth in Turin wurde der 2,0 Liter große Vierzylinder-Turbomotor auf den dem damaligen Gruppe A-Rallye-Reglement entsprechenden und somit bei den Werksrennwagen üblichen Technik-Stand gebracht: So erhielt er neben Schmiedekolben und -pleueln von Wössner auch schärfere Nockenwellen, einen modifizierten Turbolader mit Kugellagerung und einen Motorsport-Luftfilter. Dazu hielten vergrößerte Kühler für Ladeluft, Wasser und Öl Einzug. Die Behälter für Kühlwasser und Bremsflüssigkeit bestehen zugunsten einer größeren Haltbarkeit auch unter harten Bedingungen nicht länger aus Kunststoff, sondern aus Aluminium. Der markante Kevlar-Lufteinlass vor der Windschutzscheibe dient der Anströmung des Fahrgastraums. So aufgerüstet entwickelt das Turbo-Triebwerk nun 305 PS, die sich im Allrad-Kompaktsportler der späten 1980er Jahre deutlich wilder und ungezähmter anfühlen, als beispielsweise in einem modernen Golf R.
Da Hochgeschwindigkeitsfahrten jenseits der 200 km/h im Rallye-Sport eher unüblich sind, erhielt das 5-Gang-Schaltgetriebe des Lancias bei dessen Abarth-Umbau auf Motorsport-Technik und den damit einhergehenden Verstärkungen auch gleich eine kürzere Übersetzung. So dreht der Vierzylinder heute bei 120 km/h bereits 3.200 Touren. Geschwindigkeiten von mehr als 200 km/h sind damit zwar weiterhin drin, werden von Udo angesichts des hohen Drehzahlniveaus und der damit verbundenen Lärmentwicklung im Cockpit aber gemieden.
Die Bremsanlage entspricht dem Stand des 1989er Serienfahrzeugs – noch. Denn Udo möchte mittelfristig auch in dieser Hinsicht auf zeitgenössischem Motorsport-Technik aufrüsten. Bereits jetzt werden die Stopper an der Vorderachse durch Carbon-Belüftungen mit kühlendem Fahrtwind angeströmt.

Komplettes Rallye-Equipment im Cockpit

Auch das Interieur Fahrgastraum wurde ganz im Zeichen des 1990er-Jahre-Rallyesports gestaltet: Originalgetreu wurde der Fahrgastraum ausgeräumt und in Silber auslackiert. Inmitten einer eingeschweißten Girolda Typ Abarth-Sicherheitszelle werden Fahrer und Copilot – welcher im Rallyesports essenziell und stets mit an Bord ist – von Sparco EVO GRP Tech-Rallye-Schalensitzen mit Schroth-Hosenträgergurten empfangen. Ihre Füße stellen die Lancia-Insassen auf Kevlar-Böden mit Fußstützen ab.
Zur problemlosen Kommunikation, welche im Rallye-Sport enorm wichtig ist, auch unter Motorsport-typisch lauten Bedingungen steht eine Helm-Gegensprechanlage zur Verfügung. Während der Pilot am dicken Wildleder-Kranz des tief geschüsselten Sparco-Motorsport-Lenkrads dreht und via des griffgünstig nach oben versetzten Schalthebels mit Schaltwegverkürzung die Gänge durchreißt nämlich, liest ihm sein Beifahrer nicht nur aus dem „Gebetbuch“ die Kurvenfolge und die Streckenbedingungen vor, sondern bedient auch den in das originale Gruppe A-Dashboard integrierten Halda Rallye-Computer. Um mit dem Team in Verbindung zu bleiben, ist ein CB-Funkgerät an Bord, denn Handys waren 1989/1990 noch nicht sehr gebräuchlich, ihr Netz nur unzureichend ausgebaut. Selbst ein Trinksystem für Fahrer und Beifahrer sowie ein Trinksystem sind originalgetreu an Bord. Nicht mehr vorhanden sind hingegen eine Heizung oder gar eine Klimaanlage; lediglich ein Lüftungssystem sorgt auch im Stand für Luftzirkulation.
Um die Ausfallsicherheit angesichts der rauhen Einsatzbedingungen zu erhöhen, wurden bei den Werks-Rallyefahrzeugen diverse betriebsnotwendige Leitungen (Strom, Benzin, Bremse etc.) vom Unterboden in den Innenraum der Karosserie verlegt. So geschehen auch bei diesem Delta.

Eher zufällig nahm Udo mit seinem Lancia kürzlich im Rahmen eines Events an der Landes-Ausscheidung des German Tuning Master-Wettbewerbs teil, deren Teilnahmebedingungen es beinhaltete, dass alle am Fahrzeug durchgeführten Umbauten und Veränderungen eingetragen sein müssen und dieses somit eine gültige Betriebserlaubnis nach der StVZO haben muss. Udo gewann den Vorentscheid in Baden-Württemberg und wird sein Bundesland damit beim Finale im Dezember in Hannover vertreten – unserer Meinung nach mit besten Siegchancen.

Specs

Lancia Delta HF Integrale 16V Rallye Gr. A

Baujahr: 1989

Karosserie: Zusatzscheinwerfer Rallye Gruppe A, innen (Motorraum und Fahrgastzelle) in Silber lackiert, Unterfahrschutz für Motor und Hinterachse, Lufteinlässe auf dem Dach, Zusatz-Abschleppösen vorne und hinten nach FIA-Vorgabe, außen in Weiß lackiert mit Dekor Lancia Martini Rallye Gruppe A 1989 und Sponsoren-Aufklebern

Motor: Vierzylinder-Reihenmotor mit Turboaufladung, Leistungssteigerung von D. Wössner, Schmiedekolben, Schmiedepleuel, modifizierte Nockenwelle, kugelgelagerter Turbolader, vergrößerter Ladeluftkühler, Sportluftfilter, Wasser- und Ölkühler optimiert, Wasser- und Bremsflüssigkeitsbehälter aus Alu (Casperono Andrea), Kevlar-Lufteinlass für Fahrgastzelle, Software optimiert, Aigner Motorsport-Gruppe A-Abgasanlage

Hubraum: 1.995 ccm

Leistung: 224 kW / 305 PS

max. Drehmoment: unbekannt

Kraftübertragung: 5-Gang-Schaltgetriebe, verstärkt mit kurzer Rallye-Übersetzung, Mehrscheiben-Sintermetall-Kupplung

Fahrwerk: KW Variante 3-Gewindefahrwerk, Carbon-Domstrebe vorne, Alu-Domstreben hinten

Rad/Reifen: Speedline corse Monte Carlo-Magnesiumfelgen in 8×17 Zoll, Falken FK 452-Bereifung in 225/35R17

Bremsen: Carbon-Bremsbelüftung

Innenraum: Sparco EVO GRP Tech-Rallye-Schalensitze, Schroth-4-Punkt-Gurte, Sparco-Motorsport-Lenkrad, Helm-Gegensprechanlage, Helmetz, Girolda-Einschweißzelle Typ Abarth, originales Gruppe A-Dashboard mit Halda Rallye-Computer, Sicherungshalter, Tankuhr, Stiftehalter etc., Kevlar-Fußstützen und -Böden, Trinksystem für Fahrer und Beifahrer, Leseleuchte, CB-Funk, Rallye-Reserveradhalter hinten

Sonstiges: alle Kabel und Leitungen (Stromkabel, Benzinleitung, Handbremsseil, Bremsleitungen etc.) in den Innenraum verlegt, Feuerlöscher mit FIA-Zulassung