Brezel auf Steroiden

Brezel auf Steroiden

Brezelkäfer – mit diesem Begriff können nicht nur Oldie- oder Volkswagen-affine Mitmenschen etwas anfangen: Die aufgrund ihrer charakteristischen Heckfenster-Form so geprägte Bezeichnung der frühen Käfer-Variante Typ 11 (Standard-Modell) bzw. Typ 11a (Export-Modell) ist auch Laien geläufig. Wohl kaum jemand allerdings wird beim Stichwort „Brezelkäfer“ auf Anhieb an ein derart böses Exemplar des niedersächsischen Krabbeltiers denken, wie wir es beim Besuch der Beetle Factory in Wuppertal vorfanden. Wir baten den von Andreas und Martin Bröking, dem sich hinter dem Label Beetle Factory verbergenden Brüderpaar, aufgebauten Brezel sogleich zum Fotoshooting.

Schon auf den ersten Blick macht die 1951er Export-Limousine klar, dass mit ihr etwas „nicht stimmt“: Zwar wurde Karosserie als solche im Rahmen einer von der Beetle Factory vorgenommenen Vollrestaurierung nur dezent modifiziert, so finden sich beispielsweise in die Motorhaube eingestanzte Luftschlitze, dafür aber sind es vielmehr sichtbare Anbauteile und Technik-Komponenten, die den speziellen Charakter dieses Brezels verraten. Augenfällig sind so beispielsweise die ziemlich „asymmetrischen“ Rad/Reifen-Kombinationen: Während die ultraschmalen 125/80R15er Firestone-Gummis auf den 4×15-zölligen EMPI Sprint Star-Felgen der Lenkachse nach heutige Maßstäben eher an ein Spielzeugauto oder eine Schubkarre zu gehören scheinen, fallen die 215/65er Reifen auf den 5,5×15-Zöllern der Hinterachse vergleichsweise „fett“ aus. Hier darf vermutet werden, dass letztere ein gehöriges Pfund von Antriebskräften auf den Asphalt übertragen müssen. Diese Vermutung bestätigt beim Blick von achtern sogleich der mächtige Auspuff, dessen Endtöpfe rechts und links prominent unter dem Käfer-Heck schweben. Dazu notiert der schweifende Blick Accessoires wie vergitterte Scheinwerfer sowie einen runden Mini-Außenspiegel. „Rheumaklappen“, welche Fahrtwind auf den vorderen Fußraum lenken, verraten dem Kenner das historische Baujahr 1951/52, während umlaufende rote Zierstreifen auf der azurblauen Karosserie und den Chrom-Stoßstangen durchaus als unverhohlene Warnung im Hinblick auf die Wildheit des Oldtimers verstanden werden dürfen – hier prallen Welten aufeinander. Und es ist absolut erstaunlich wie harmonisch und stimmig dieser Zusammenprall vonstatten geht.

240 PS aus knapp 2,4 Litern Hubraum

Die Stanzungen der Motorhaube tragen dem erhöhten Sauerstoffbedarf des darunter atmenden Typ1-Boxers auf Basis eines CB Performance-Aluminium-Gehäuses Rechnung, dessen Hubraum mittels des Einsatzes einer 86-Millimeter-Kurbelwelle aus gleichem Hause sowie 94er Wiseco-Kolben in Mahle-Zylindern nun knapp 2,4 Liter misst. Die Super Flow-Zylinderköpfe wurden via Gene Berg-Ventildeckeladapter mit den originalen Deckeln verbunden. Die FK-98-Nockenwelle gibt den von 1:1,25er Kipphebeln betätigten 46/37,5-Millimeter-Ventilen mit Pauter-Doppelventilfedern den Takt vor. Zwei 51,5er Gene Berg IDA-Doppelvergaser mit offenen „Tröten“ zeichnen für die Gemischaufbereitung verantwortlich. Den Kraftstoffdurst des Triebwerks stillt eine elektrische Hardy-Benzinpumpe, während eine Crane-Zündung mit MSD-Verteiler die exothermen Reaktionen startet. Das nach dem „großen Knall“ verbleibende Abgas entweicht durch einen sich vereinenden 44-Millimeter-Fächerkrümmer sowie den bereits angesprochenen Beetle Factory-Doppel-Muffler. Um die Temperatur des Schmierstoffs im grünen Bereich zu halten, kam ferner ein externer Spezial-Ölkühler mit Full-Flow-Thermostat an Bord. Bei einer Drehzahl von knapp 7.000 U/min leistet der austrainierte Boxer stolze 240 PS.
Wohlgemerkt: Diese Leistung trifft auf ein fahrfertiges Leergewicht von nur rund 750 Kilogramm, sodass sich ein Leistungsgewicht von 3,13 kg/PS ergibt.

Leistungsgewicht wie ein Porsche 997 GT3 RS, ¼-Meile in 12,2 Sekunden

Damit spielt der 1951er Brezelkäfer in dieser für die Längsdynamik maßgeblichen Hinsicht etwa auf dem Niveau eines Porsche 997 GT3 RS. Am besten zeigen kann der Brezel seine Power beim 1/4-Meilen-Sprint: Wenn es gut läuft, ist die 402,34-Meter-Distanz nach 12,2 Sekunden absolviert – ein Ritt auf dem Kleinkaliber-Geschoss!
Natürlich wäre ein normales Brezel-Getriebe mit den hier wirkenden Kräften heillos überfordert. Daher wurde via der erleichterten Schwungrads eine neu aufgebaute 4-Gang-Schaltbox angeflanscht: In einem neuen verstärkten VW-Gehäuse rotieren verstärkte und verschweißte Weddle-Gangräder. Eine ZF-Differenzialsperre unterstützt die an einer schmalen Achse verschraubten Hinterräder bei ihrer Suche nach Grip, wenn die verstärkten Beetle Factory-Antriebswellen an ihnen zerren.

Aufwändiger Fahrwerksumbau

Die Bodengruppen-Basis bildet eine Ex-Automatik-Bodenplatte. Vorne dreht sich eine um rund 80 Millimeter eingekürzte Kugelgelenk-Vorderachse von Beetle Factory, die an der für eine üppige Tieferlegung sorgenden Kombination aus Drag Shock-Dämpfer und umgeschweißten Trommelbremsenachsschenkeln auf Bundbolzenaufnahmen aufgehängt ist. Hinten kombinierten die Gebrüder Bröking Bilstein-Dämpfer mit 30er Sway-A-Way-Drehstäben sowie zweiteilige Pendelachsschwerter mit Porsche 944-Schwertern, sodass die Fahrzeughöhe nun ratzfatz verstellt werden kann. Vom 944er stammt auch der Heckstabi im Zusammenspiel mit der Cup-Strebe für ein Maximum an Steifigkeit sorgt. Ein deutliche älterer Porsche, nämlich ein 356 B spendete dem schnellen Brezelkäfer indes seine Trommelbremsen. Das Line Lock-System erlaubt qualmende Burnouts mit Leichtigkeit.

Ausgeräumtes Interieur

Mehr als einen Blick ist in jedem Fall auch das Interieur wert. Inmitten reichlich in Wagenfarbe lackierten Blechs und eines ebensolchen Überrollbügels mit Seitenschutz nämlich platzierte die Beetle Factory zwei kleine Schalensitze vom Simca Rally auf Eigenbau-Konsolen, die mit originalem Brezelkäfer-Stoff bezogen wurden. Dazu passend: die Tür- und Seitenverkleidungen. Weitere Highlights sind das schmucke Porsche 356 B-Lenkrad sowie der abschließbare Gene Berg-Shifter, an welchem auch gleich der Schalter des Line Locks angebracht ist.

Weitere Informationen gibt es bei:

Beetle Factory GbR
Meisterbetrieb
Winchenbachstraße 18-20
42281 Wuppertal
Tel.: 0202 / 646066
Fax: 0202 / 2621207
E-Mail: info@beetle-factory.com
www.beetle-factory.com

 

Technical Facts

VW Typ 11a Brezelkäfer Export-Modell

Baujahr: 1951

Karosserie: komplett restauriert bei Beetle Factory, neue Warmluftkanäle, Luftschlitze in Haube eingestanzt

Motor: Typ1-Vierzylinder-Boxermotor, 2.386 ccm, CB-Alugehäuse, 6 Passhülsen, 86-mm-CB-Kurbelwelle, 94-mm-Wiseco-Kolben mit Mahle-Zylindern, Super Flow-Zylinderköpfe mit Gene Berg-Ventildeckeladaptern für originale Ventildeckel, Einlassventile 46 mm, Auslassventile 37,5 mm, Pauter-Doppelventilfedern, FK 98-Nockenwelle, Kipphebel 1:1,25, Verdichtung 12:1, bearbeitete Super Flow-Saugrohre, zwei 51,5er Gene Berg IDA-Vergaser, Beetle Factory-Präzisionsdrehgasgestänge, elektrische Hardy-Benzinpumpe, Crane-Zündung mit MSD-Zündverteiler, 44-mm-Fächerkrümmer, Beetle Factory-Doppel-Muffler, externer Spezial-Ölkühler mit Full-Flow-Thermostat, erleichtertes Schwungrad, 240 PS bei 6.890 Nm

Kraftübertragung: 4-Gang-Schaltgetriebe mit neuem verstärktem VW-Gehäuse, verstärkte und verschweißte Weddle-Gangräder, ZF-Differenzialsperre, verstärkter Alu-Seitendeckel, schmale Hinterachse mit verstärkten Beetle Factory-Antriebswellen

Fahrwerk: Ex-Automatik-Bodenplatte mit Beetle Factory-Kugelgelenk-Vorderachse (um 80 mm eingekürzt), VA Drag Shock-Dämpfer, umgeschweißte Trommelbremsenachsschenkel auf Bundbolzenaufnahme mit Tieferlegung, HA Bilstein-Dämpfer mit 30er Sway-A-Way-Drehstäben, 2-teilige Pendelachsschwerter mit Porsche 944-Schwertern kombiniert, kugelgelagerte Drehstabdeckel, Porsche 944-Heckstabilisator, Line Lock, Cup-Strebe, Getriebeabstützung und Spannband

Rad/Reifen: verchromte EMPI Sprint Star-Felgen in 4×15 und 5,5×15 Zoll, Firestone-Bereifung in 125/80R15 und 215/65R15

Bremsen: Porsche 356 B-Trommelbremsen rundum

Innenraum: Eigenbau-Überrollbügel mit Seitenschutz, Simca Rally-Sitze mit originalem Brezelkäfer-Stoff bezogen auf Eigenbau-Konsolen, passende Tür- und Seitenverkleidungen, Porsche 356 B-Lenkrad, abschließbarer Gene Berg-Shifter

Sonstiges: Umrüstung auf 12 Volt