Blueberry
Anfang der 80er Jahre expandierte AMG, getrieben durch den – auf internationalen Märkten – stetig steigenden Erfolg, seine Geschäftstätigkeit in die USA. Dort hatte sich eine besonders starke Nachfrage nach AMG-Modellen entwickelt. So ging Hans Werner Aufrecht auf die Suche nach einem geeigneten Partner, der die Geschäfte vor Ort leiten sollte. Er fand ihn schließlich in Person von Richard Buxbaum, mit dem AMG North America gegründet wurde.
Buxbaum war als Inhaber eines renommierten, gehobenen Autohauses in Westmont, Illinois die perfekte Wahl. Sein anspruchsvoller, gut betuchter Kundenkreis – bestehend aus Künstlern, Filmstars, Sportlern und Co. – bildete genau die richtige Zielgruppe für den Absatz der AMG-Modelle, was den großen Erfolg in Amerika begünstigte. Ein ganz besonderes Fahrzeug aus der Geschichte von AMG North America ist der hier gezeigte 500 SEL 5.0 AMG.
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Erfolgreiche Partnerschaft
Aufrecht und Buxbaum pflegten ein sehr gutes Verhältnis, das regelmäßige gegenseitige Besuchen und Meetings in Affalterbach oder Westmont beinhaltete. Die von AMG North America umgebauten Mercedes‘ beschaffte üblicherweise Aufrecht in Deutschland, von wo sie in die USA exportiert wurden. Als solches Fahrzeug stellte er im Jahr 1984 auch den hier gezeigten 500 SEL, damals noch im Mercedes-Serienzustand, vor. Buxbaum stimmte zu, die Limousine zu erwerben, bekam sie jedoch nicht, wie üblich, einige Monate später geliefert.
Aufrecht verfolgte einen geheimen Plan: Er behielt den W126 in Affalterbach, um unter eigener Aufsicht einen AMG-Umbau zu realisieren. Das fertige Fahrzeug schenkte er Buxbaum und dessen Frau als Zeichen seiner Wertschätzung zu Weihnachten. Buxbaum hatte bei einem Treffen Anfang 1984 bedauert, es sei „unmöglich einen 500 SEL in tollen Farben zu finden“. Doch eine ebensolche hatte der gezeigte SEL sehr wohl: Lapisblau Metallic, eine seltene Lackierung, die Mercedes nur vier Jahre anbot.
Kompletter Bodykit
Das AMG-Upgrade der Luxuslimousine umfasste technische wie optische Änderungen. Der installierte Aerodynamik-Bodykit besteht aus Front- und Heckspoilerlippen, Seitenschwellern und einem Heckschürzen-Ansatz. An den Achsen sitzen 8×16- und 9×16-zöllige Penta-Felgen mit Sternen in Wagenfarbe und polierten Betten. Die Tieferlegung und eine optimierte Fahrdynamik sind einem Bilstein-Fahrwerk zu verdanken. Ebenfalls neu: die AMG-Abgasanlage. Im Übrigen verblieb der etwa 230 PS starke Fünfliter-M117-V8 unverändert. Der Innenraum bekam einen Volllederausstattung samt elektrischer Sitze vom 126er Coupé und von Gembella angefertigter Custom-Türverkleidungen mit blauen Ziernähten. Die Zambrano-Holz-Zierleisten sind individualisiert. Abrundend kamen AMG-Armaturen mit blauer Beschriftung auf hellgrauen Ziffernblättern und ein Italvolanti Corsa-Lenkrad hinzu.
Insgesamt drei Besitzer
Anfang 1985 waren die Arbeiten am auf den Spitznamen „Blueberry“ getauften SEL vollendet, im März kam er in den USA an. Buxbaum und seine Frau Robin fuhren den Wagen in den ersten 15 Monaten zu unterschiedlichsten Anlässen. In dieser Zeit erhielt der AMG auch seine Pinstripe-Verzierungen auf der Gürtellinie. Mitte 1986 bekam jedoch Buxbaum von Rick Cohen eine Anfrage für eine „schicken S-Klasse in einzigartiger Farbe“. Er bot dem milliardenschweren Unternehmer Blueberry an und dieser griff zu.
Fünf Jahre später wünschte sich Cohen mehr Power und tauschte die exklusive Limousine gegen einen stärkeren AMG mit größerem Motor. Wenige Tage nachdem Blueberry wieder bei Buxbaum angekommen war, tauchte überraschend John Quay in Westmont auf. Der Mercedes-Spezialist hatte den SEL während dessen Zeit bei Cohen stets gewartet und sich dabei offensichtlich in ihn verliebt, denn er eröffnete Buxbaum, die Limousine kaufen zu wollen.
Extrem aufwändig restauriert
Quay fuhr den Wagen 15 Jahre lang als Wochenend-Auto, bis er ihn 2007 abmeldete und für etwa 16 Jahre unbeachtet in einer Scheune abstellte. Schon ab 1993 hatte Buxbaum Quay alljährlich angerufen, da er und seine Familie aufgrund des besonderen Wertes als Geschenk von Aufrecht den Verkauf bereuten. Erst 2022 kehrte Blueberry aber letztlich zu den Buxbaums zurück.
Anschließend erfolgte eine umfangreiche Restauration. Über zwei Jahre hinweg bauten mehrere Koryphäen ihres Fachs den SEL optisch wie technisch in absolutem Top-Zustand neu auf. Dabei wurden hunderte Arbeitsstunden und mehr als 120.000 Dollar investiert. Die Arbeiten umfassten eine Rundum-Trockeneisstrahlung der Karosserie, die Reinigung und Aufbereitung weiter Teile des Interieurs sowie die umfangreiche Überholung der Felgen und Bremsanlagen. Diverse Bauteile des Motors sind ebenso restauriert oder erneuert – vom Kraftstoffsystem und den Kühlern über die Bosch-Zündanlage bis hin zu den Einspritzdüsen, Zündkerzen und Dichtungen am Zylinderkopf.
Seine gefeierte Öffentlichkeitspremiere nach dem Wiederaufbau feierte Blueberry im Rahmen des exquisiten Auto-Concours ModaMiami. Nun bot Buxbaum den Wagen zum ersten Mal überhaupt öffentlich zum Verkauf an – Anfang März 2025 im Rahmen einer exklusiven Versteigerung durch das weltweit bekannte und renommierte Auktionshaus RM Sotheby’s.
Fotos: Jeremy Cliff / Courtesy of RM Sotheby’s
Technical Facts
Mercedes-Benz 500 SEL 5.0 AMG
Baujahr: 1984
Karosserie: neue EU-Spec-Scheinwerfer installiert, AMG-Frontspoiler, AMG-Seitenschweller, AMG-Heckschürzen-Ansatz, AMG-Heckspoilerlippe (bei Restauration erneuert), Lackierung in Lapisblau Metallic (inkl. sämtlicher Chrom-Zierteile), Pistripes auf Gürtellinie
Motor: 5,0-Liter-V8-Ottomotor, Kühler samt Schläuchen und Thermostat erneuert, Gasgestänge erneuert, Einspritzdüsen sowie Zündkerzen und Dichtungen am Zylinderkopf erneuert, Kraftstoffsystem komplett überholt (Kraftstoffschläuche, Filter, Dichtungen, Pumpe, Tank etc. erneuert), Bosch-Zündanlage erneuert, Zündverteiler neu aufgebaut, neue handgefertigte Abgaskrümmer, komplette AMG-Sport-Abgasanlage, ca. 230 PS
Kraftübertragung: Vierstufen-Automatikgetriebe, Sperrdifferenzial in AMG-Spzifikation
Fahrwerk: Bilstein-Sportfahrwerk in AMG-Spezifikation, vordere Dämpfer neu aufgebaut
Rad/Reifen: Mercedes Penta-Leichtmetallfelgen in 8×16 und 9×16 Zoll (umfangreich aufbereitet), Sterne in Lapisblau Metallic, polierte Betten, AMG-Nabendeckel,
Bremsen: originale Mercedes-Scheibenbremsanlagen, komplett überholt (Sättel, Scheiben, Beläge, Hydraulikschläuche erneuert)
Innenraum: Vollausstattung mit Leder/Kunstleder in Orion Grey und Dunkelgrau, Italvolanti Corsa-Sportlenkrad, komplett aufbereitete AMG-Armaturen mit grauen Ziffernblättern und blauer Beschriftung (Tacho bis 305 km/h), elektrisch verstellbare Sitze vom S-Klasse Coupé, originale Zebrano-Holz-Zierleisten chemisch behandelt sowie gebleicht, grau gebeizt und mit hochglänzendem Lack überzogen (bei Restauration komplett aufbereitet), Custom-Türverkleidungen von Gembella mit blauen Ziernähten, Teppiche erneuert diverse Innenraumteile gereinigt/aufbereitet